Wie kann man in einer konfusen und gestressten Welt ein erfülltes Leben führen? Papst Franziskus weiss Rat: In einem Interview mit dem Magazin «Viva», einer Sonntagsbeilage der argentinischen Zeitung «Clarin», hat der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires seine zehn Glücks-Gebote verraten. Sie leuchten auch wenig religiösen Menschen ein:
Katholischen Dogmatikern ist diese Idee ein Graus, für Franziskus aber ist sie das Grundprinzip, nach dem alle Menschen leben sollten. Oder wie er es mit einer römischen Redewendung ausdrückt: «Entwickle dich weiter und erlaube dies auch den anderen.»
«Wer nur an sich selber denkt, riskiert, zum Egozentriker zu werden», mahnt der Pontifex. «Stehendes Wasser wird faulig.»
Der Papst beruft sich auf ein Buch seines Landsmannes Ricardo Guiraldes, dessen Protagonist auf sein Leben zurückblickt, das sich mit zunehmendem Alter von einem wilden Fluss in einem ruhig fliessenden Teich verwandelt habe. Letzteres umschreibe ein Leben in Güte und Demut, voller Gelassenheit.
«Die Konsumkultur hat uns Verlustängste und Stress beschert», klagt Franziskus. Eine sinnvolle Freizeitgestaltung komme den Menschen zunehmend abhanden, sei es die Beschäftigung mit Kunst, Literatur, oder auch das Spielen mit den Kindern. Dafür sollten sich die Eltern Zeit nehmen, auch wenn sie oft lange arbeiten müssen. Und beim Essen müsse der Fernseher abgestellt werden, denn «sonst sprechen Familien nicht mehr miteinander».
Die logische Fortsetzung von Punkt 4. «Der Sonntag ist für die Familien da», meint der Papst.
«Man muss den Jungen eine sinnvolle Arbeit ermöglichen, sonst verfallen sie den Drogen oder werden anfällig für Suizide», mahnt Papst Franziskus. Sie durchzufüttern bringe nichts: «Ein Leben in Würde bedeutet, dass man dank Arbeit Essen nach Hause bringen kann.»
Die Zerstörung der Umwelt ist für Jorge Bergoglio eine der grössten Herausforderungen überhaupt: «Bringt sich die Menschheit nicht um durch ihren rücksichtslosen und tyrannischen Umgang mit der Natur?» Diese Frage würden wir uns leider überhaupt nicht stellen.
«Wer über andere schlecht redet, hat ein geringes Selbstwertgefühl», meint der Oberhirte der katholischen Kirche. Statt sich selbst aufzurichten, ziehe man andere herunter. Negative Erlebnisse schnell abzuhaken sei hingegen gesund, betont Franziskus. Vergebung sei ein Schlüssel dazu, ebenso der Wille, aus jedem Augenblick das Beste zu machen.
Mit diesem Prinzip bricht der Papst mit der jahrhundertealten Praxis seiner Kirche, Andersdenkende zu bekehren, wenn nötig mit Gewalt. Für Franziskus führt religiöse Bekehrung zu Lähmung. Besser sei es, mit gutem Beispiel voranzugehen: «Die Kirche wächst durch Anziehung, nicht durch Bekehrung.»
«Wir leben in einer Zeit vieler Kriege», klagt Papst Franziskus. Deshalb müsse «ein Schrei nach Frieden» ertönen. Frieden wirke nur auf den ersten Blick ruhig, doch das treffe nicht zu: «Frieden ist immer aktiv und dynamisch, alle müssen sich seiner Sache verpflichten und alles dafür tun, was in ihrer Macht steht.» (pbl)