Karten erinnern an Theorien. Sie sind Modelle, die zu einem bestimmten Zweck eine Wirklichkeit beschreiben. Und wie bei Theorien erliegen wir schnell der Verlockung, die Beschreibung von ihrem Zweck zu lösen und als «die Wahrheit» zu verabsolutieren. In der Welt der Karten illustrieren dies sehr hübsch die seit dem 19. Jahrhundert dominierende Ausrichtung nach Norden oder die traditionelle Mercator-Projektion.
Wie alle Kartenprojektionen stellt die Mercator-Projektion einen Kompromiss dar: Es ist unmöglich, die Oberfläche der Erde auf einer zweidimensionalen Ebene ohne Verzerrung darzustellen. Die Mercator-Projektion, eine sogenannte Zylinderprojektion, legt Wert auf Winkeltreue, vernachlässigt dafür aber die Flächentreue. Dies führt dazu, dass die Gebiete in Äquatornähe wesentlich kleiner dargestellt sind als jene in Polnähe.
Ein ins Auge fallendes Beispiel dafür ist der Vergleich von Grönland und Südamerika: Die grösste Insel der Welt ist rund 2,2 Millionen Quadratkilometer gross, während der südliche Teil des amerikanischen Doppelkontinents sich über etwa 17,8 Millionen Quadratkilometer erstreckt. Gleichwohl erscheint Grönland auf einer Mercator-Projektion grösser als ganz Südamerika. Die Länder des Globalen Südens sind hier also auch kartografisch benachteiligt, könnte man etwas überspitzt sagen.
Andere Projektionen sind dagegen flächentreu, irritieren aber unsere Sehgewohnheiten. Ein Beispiel dafür ist die Gall-Peters-Projektion, die in den 70er-Jahren populär wurde. Die Landmassen erscheinen auf ihr ungewöhnlich in die Länge gezogen – in Äquatornähe – oder gestaucht – in Polnähe. Diese Projektion wurde insbesondere von Hilfswerken propagiert, die damit gegen den «Eurozentrismus» der herkömmlichen Karten ankämpften.
Es gibt unzählige Projektionen, die alle ihre Vorzüge und Nachteile mit sich bringen. Hier noch eine weniger bekannte Projektion, die Goode-Homolosine-Projektion, eine Kombination der Mollweide-Projektion und der Sinusoidal-Projektion. Sie ist sowohl flächen- wie lagetreu, dafür aber zerlappt:
Nach diesem flüchtigen Abstecher in die vielfältige Welt der Kartenprojektionen geht's jetzt aber endlich los mit einer flotten Auswahl von seltsamen, schönen oder schlichtweg bizarren Karten. Viel Spass!
Karten-Enthusiasten lieben Chile. Das absurd in die Länge gezogene südamerikanische Land eignet sich besonders für überraschende Vergleiche – wie etwa hier mit dem Mond. Von Norden nach Süden erstreckt sich Chile über gut 4270 Kilometer – deutlich länger als der Durchmesser des Mondes, der es auf lediglich 3474 Kilometer bringt.
Tatsächlich ist Chile so lang, dass es locker eine Landbrücke zwischen Nordamerika und Europa bilden könnte. Eine relativ schmale Landbrücke übrigens: Chiles durchschnittliche West-Ost-Ausdehnung beträgt nur gerade 177 Kilometer. Die obenstehende Karte wurde vermutlich mit Hilfe einer Webseite wie thetruesize.com erstellt, auf der man Länder beliebig auf einer Weltkarte umherschieben kann, um ihre wahre Grösse anzuzeigen.
Brasilien ist gross. Der mit 8,5 Millionen Quadratkilometern flächenmässig fünftgrösste Staat der Welt umfasst beinahe die Hälfte Südamerikas (es sind 47,3 Prozent). Gleichwohl ist das riesige Land nur das drittgrösste auf dem amerikanischen Doppelkontinent, nach Kanada und den USA. Dank seiner Form und Grösse ist aber sein nördlichster Punkt weniger weit von jedem anderen Land auf dem Kontinent entfernt als von seinem südlichsten Punkt. Die einzige Ausnahme: Grönland, das zu Nordamerika gehört, aber ein politisch selbstverwalteter Bestandteil Dänemarks ist.
Bleiben wir noch in Südamerika, wechseln aber zur Wirtschaft: Diese Karte zeigt den Anteil der einzelnen Länder am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ganz Südamerikas in den Jahren 1960 und 2022. Neben dem Aufsteiger Brasilien – dessen Anteil am BIP von 2022 aber nur leicht über seinem Anteil an der südamerikanischen Bevölkerung liegt – fallen besonders zwei Verlierer ins Auge: Argentinien und mehr noch Venezuela. Argentinien war vor etwas mehr als hundert Jahren eines der reichsten Länder der Welt. Dann kamen mehrere Krisen, Hyperinflationen, Staatsbankrotte, Währungsreformen, Militärputsche und ein Krieg. In Venezuela führte die Politik der Bolivarischen Revolution im Verein mit US-Sanktionen zu einer katastrophalen Wirtschafts- und Armutskrise. Und dies, obwohl das Land über gewaltige Erdölvorräte verfügt.
*Pobre Argentina y pobre Venezuela = Armes Argentinien und armes Venezuela
Zwischendurch einfach mal eine schöne Karte: die Topografie Afrikas auf einer deutschen Karte aus dem Jahr 1885. Der Kontinent ist erstaunlich gebirgig, gerade auch jener Teil, den die Sahara einnimmt, die man sich fälschlicherweise oft als gewaltige Ebene vorstellt. Neben den tropischen Krankheiten dürfte der Umstand, dass lange Küstenabschnitte von Gebirgen gesäumt sind, es den Kolonialmächten erschwert haben, ins Landesinnere vorzudringen. Lange besassen sie nur Stützpunkte an der Küste.
Hier sehen wir den kleinsten der Kontinente, Australien, im Vergleich mit dem ehemals kleinsten Planeten unseres Sonnensystems, Pluto, und dessen Mond Charon. Pluto wurde 2006 der Status als Planet entzogen; seither gilt er als Zwergplanet – vom kleinsten Planeten mutierte er damals zum grössten Zwergplaneten. Sein Volumen entspricht etwa einem Drittel desjenigen unseres Mondes.
Australien ist zwar der kleinste Kontinent, aber mit knapp 7,7 Millionen Quadratkilometern ist es das sechstgrösste Land der Erde. Dementsprechend hätten ziemlich viele europäische Länder darin Platz. Auf dieser Karte sind es, von links nach rechts: Estland, Deutschland, die Niederlande, Rumänien, Belgien, Grossbritannien und Nordirland, Schweden, Luxemburg, Lettland, Slowenien, Kroatien, Portugal, Spanien, Tschechien, Bulgarien, Frankreich, Dänemark, Ungarn, Irland, Finnland, Österreich, Litauen, Griechenland, Slowakei und Italien. Und auf der Insel Tasmanien hätten noch Zypern und Malta Platz. Selbst das mit Abstand grösste europäische Land, Russland, hätte übrigens mit seinem europäischen Teil – rund 4 Millionen Quadratkilometer – in Down Under ausreichend Platz.
Erstaunlich, wie gut die Ostküste der USA mit der Nordwestküste Australiens zusammenpasst. Dabei bildeten diese beiden Landmassen nicht etwa in der Vergangenheit eine Einheit und brachen danach auseinander, wie es beispielsweise mit der Ostküste Südamerikas und der Westküste Afrikas der Fall war. Zu Zeiten des letzten Superkontinents Pangaea grenzte die amerikanische Ostküste vielmehr an das nördliche Westafrika, während Australien am entgegengesetzten Ende Pangaeas an Antarktika und an Indien anlag.
Die Erde wird nicht umsonst der «Blaue Planet» genannt: Mehr als 70 Prozent ihrer Oberfläche sind von Wasser bedeckt. Für Meeresbewohner sieht die Welt also nicht so aus wie für uns Landbewohner – würden Fische Karten zeichnen, sähen die wohl so aus wie diese hier. Sie ist auf die Antarktis zentriert; der riesige Pazifik, das grösste der Weltmeere, befindet sich links oben, der Indische Ozean in der Mitte unten, der Atlantik rechts oben.
Apropos Fische: Beim Weissen Hai gibt es weltweit drei Populationen, die sich nicht kreuzen. Genetische Untersuchungen haben drei unterschiedliche Cluster ohne Zwischenstufen identifiziert, von denen eines im Atlantik (rot), eines im Indopazifik (schwarz) und eines im Nordpazifik (blau) vorkommt. Lediglich ein Exemplar aus dem Nordwestatlantik tanzte aus der Reihe: Es handelte sich um das Produkt einer kürzlichen Vermischung zwischen den genetischen Clustern des Indopazifiks und des Nordpazifiks. Die drei Populationen haben sich vor mehr als 130'000 Jahren getrennt, als der Meeresspiegel tiefer lag.
Kanada ist riesig – das Land ist flächenmässig grösser als die USA (die allerdings mehr als achtmal so viele Einwohner haben wie ihr nördlicher Nachbar). Die allermeisten der rund 40 Millionen Einwohner leben allerdings in einer relativ schmalen Zone im Süden des Landes. 90 Prozent der kanadischen Bevölkerung wohnt weniger als 100 Meilen (ca. 160 Kilometer) von der Grenze zu den USA entfernt – und damit ist die Grenze zu den «Lower 48» gemeint, nicht jene zum US-Staat Alaska. Mehr als 70 Prozent der Kanadier leben sogar südlich des 49. Breitengrades, der westlich der Provinz Ontario fast die gesamte Grenze bildet.
Diese Karte zeigt vier annähernd gleich grosse Teile Kanadas, aber offensichtlich nicht in Bezug auf die Fläche, sondern auf die Bevölkerung. Die Diskrepanz zwischen dem gewaltigen gelben Teil und dem kleinen roten im Südosten – es handelt sich um die Metropolregion Toronto in der Provinz Ontario – ist enorm. Im gelben Teil lebt zudem der weitaus grösste Teil der Bevölkerung im südlichen Grenzbereich zu den USA. Der südlichste Punkt Kanadas liegt übrigens etwa auf derselben Höhe wie Barcelona oder Rom.
Dass Grönland nördlich und westlich von Island liegt, weiss praktisch jeder, der schon mal einen flüchtigen Blick auf eine Weltkarte geworfen hat. Die Tatsache, dass die grösste Insel der Welt aber zugleich auch Gebiete umfasst, die östlich oder südlich von Island liegen, dürfte indes manchen überraschen.
Das Inland Grönlands liegt vollständig unter einem mächtigen Eisschild, der bis zu 3200 Meter mächtig sein kann. Dessen Last drückt das grönländische Festland zum Teil bis zu 200 Meter unter den Meeresspiegel. Doch wie diese topografische Karte Grönlands unter dem Eis zeigt, wird das Hinterland der Küsten bis auf wenige Stellen von Gebirgen eingenommen, die teilweise Hochgebirge sind. Im Inland ragen nur die höchsten Gipfel aus dem Eis – diese werden Nunatak genannt.
In den rot eingefärbten Gemeinden leben 85 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung. Der Alpenraum und Teile des Jura-Höhenzugs bleiben weitgehend weiss.
Die Karte zeigt den Anteil der Haushalte, die mindestens eine Katze halten. Der europäische Durchschnitt liegt bei 27 Prozent; die Schweiz liegt mit 31 Prozent etwas darüber. Tendenziell sind die Zahlen im Osten Europas höher: Spitzenreiter sind Rumänien mit 48 Prozent und Polen mit 41 Prozent.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Hunden: Auch hier sind die Zahlen im Osten Europas tendenziell höher. Spitzenreiter sind Ungarn (50 Prozent) und – wie bei den Katzen – Polen (49 Prozent) und Rumänien (45 Prozent). Die Schweiz liegt mit 12 Prozent deutlich unter dem europäischen Schnitt von 25 Prozent.
Diese farbenfrohe Karte zeigt die Einzugsgebiete der afrikanischen Flüsse. Die grössten vier sind der Nil im Nordosten, der Kongo im Zentrum, der Niger im Westen und der Sambesi im Südosten. Weitere bedeutende Flüsse sind der Senegal ganz im Westen, der Volta in Westafrika, der Schari – er fliesst in den Tschadsee – im Zentrum, der Limpopo im Südosten und der Oranje im Süden.
Diese chinesische Weltkarte ist auf den Indischen Ozean zentriert. Gestreckt werden zudem nicht wie sonst üblich die Polargebiete, sondern zwei Punkte im Atlantik und Pazifik. Während die Alte Welt einigermassen vertraut aussieht, ist die westliche Hemisphäre zerschnitten und erscheint oben und unten auf der Karte – armes Mittelamerika!
Die USA beziehen sich in mancherlei Hinsicht auf das Römische Reich: Sie haben einen Senat, ein Kapitol und einen lateinischen Wappenspruch (E pluribus unum, deutsch «Aus vielen eines»). Und wie das Imperium Romanum zur Zeit seiner grössten Ausdehnung um 117 n. Chr. mit seinen Legionen nahezu unangefochten den Raum um das Mittelmeer beherrschte, sind die USA heute die mit Abstand stärkste Militärmacht. Die Karte legt das Römische Reich von 117 n. Chr. über die Contiguous United States, also die 48 zusammenhängenden US-Staaten, und macht damit die enorme Grösse des römischen Imperiums deutlich.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zirkulierten in den Niederlanden zahlreiche Pamphlete, in denen die Abtretung deutscher Gebiete als Wiedergutmachung für die im Krieg erlittenen Schäden gefordert wurde. Das hier abgebildete Plakat enthält eine Karte, in der das abzutretende Gebiet eingezeichnet ist – es handelt sich um wesentliche Teile Westfalens, des Ruhrgebiets und des Rheinlands mit Köln. Der Text darauf lautet:
Die Siegermächte schlugen jedoch alle niederländischen Forderungen in den Wind; nur einige Grenzverschiebungen wurden den Niederlanden zugestanden, wodurch sie rund 70 Quadratkilometer erhielten. In den 60er-Jahren wurden diese Verschiebungen rückgängig gemacht – nur gerade 3 Quadratkilometer wechselten endgültig den Besitzer.
Die Karte zeigt die Bevölkerung der irischen Countys im Jahr 1841 (l.) und heute. Nur Dublin, Belfast und einige angrenzende Countys – etwa Kildare oder Antrim – haben jetzt mehr Einwohner als damals, in allen anderen leben heute weniger Menschen als 1841. Dies ist die Folge der Grossen Hungersnot (irisch An Gorta Mór) zwischen 1845 und 1849, der rund eine Million Menschen zum Opfer fielen. Zudem wanderten etwa zwei Millionen Iren während der Hungersnot und in den Jahren danach aus. Bis heute hat sich Irland demografisch nicht davon erholt: Die Insel – die Republik Irland und Nordirland zusammengenommen – zählt heute rund 7 Millionen Einwohner, unmittelbar vor der Hungersnot waren es mehr als 8 Millionen.
40 Stunden dauert es, um die Route dieses selbstreferenziellen Memes mit dem Auto abzufahren: von Nice (Nizza) an der französischen Mittelmeerküste über Fucking in Österreich und Même bei Etaux südöstlich von Genf nach Bro in Schweden. Einziger Schönheitsfehler: Die Einwohner von Fucking, genervt wegen unaufhörlicher Diebstähle von Ortsschildern, haben mittlerweile den Namen der Ortschaft geändert. Fucking heisst jetzt Fugging.
Aber auch sonst sehr spannend.
Mein Blick auf die Geografie der Welt ist eindeutig von Karten geprägt.
Beispiel: ich bin mit dem Eisernen Vorhang aufgewachsen, sah ihn auf Karten und hab das Bild bis heute im Kopf. Immer noch so eine unterschwellige Trennung zwischen Ost- und Westeuropa. Wie 2 verschiedene Kontinente.