Wissen
Umwelt

Vermüllung der arktischen Tiefsee alarmiert Forscher

Pro Quadratkilometer 6333 Teile – Vermüllung der arktischen Tiefsee alarmiert Forscher

08.02.2017, 20:0109.02.2017, 10:02
Mehr «Wissen»
Forscher schlagen wegen der Meer-Vermüllung Alarm.
Forscher schlagen wegen der Meer-Vermüllung Alarm.Bild: zerowasteeurope

In der Tiefsee am Nordpol sammelt sich nach Beobachtung deutscher Forscher immer mehr Müll an. Die Menge habe sich in den zurückliegenden Jahren deutlich erhöht, teilte das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Mittwoch mit.

An einer Stelle habe sich die Müllmenge von 2004 bis 2014 sogar verzwanzigfacht, stellten AWI-Forschende im Zuge einer Langzeituntersuchung in der Framstrasse zwischen Grönland und Spitzbergen fest.

«Unsere Messreihe belegt, dass der Müll in der arktischen Tiefsee in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat», erklärte AWI-Biologin Mine Tekman. Sie und ihre Kollegen dokumentierten über Jahre hinweg das Geschehen an zwei Messpunkten am Meeresgrund mit einer ferngesteuerten Tauchkamera auf mehr als 7000 Einzelfotos. Dabei dokumentierten sie nach eigenen Angaben vor allem Plastik und Glas.

Pro Quadratkilometer 6333 Müllteile

Die Vermüllung der Meere insbesondere mit Plastikrückständen gilt als grosses Problem und erregt seit einigen Jahren zunehmend auch öffentliches Aufsehen, unter anderem weil Tiere daran verenden und sich giftige Stoffe in der Nahrungskette anreichern könnten.

Schon vor eineinhalb Jahren wiesen AWI-Forscher auf treibenden Plastikmüll an der Oberfläche der arktischen Gewässer hin, den sie bei Expeditionen beobachteten.

Bei ihrer aktuellen Untersuchung rechneten die Experten aus der Zahl der Sichtungen an den beiden Messpunkte, die zu einem Netz aus 21 Tiefseebeobachtungsstationen im sogenannten AWI-Hausgarten gehören, die Belastung pro Quadratkilometer hoch.

In den vergangenen Jahren stieg diese im Schnitt steil an. Kamen die Forscher 2011 auf 4959 Müllteile und hielten dies für einen Negativausreisser, waren es 2014 bereits 6333.

Plastikmüll im Meer

1 / 21
Plastikmüll im Meer
Plastikmüll ist tödlich. (Bild: myplasticfreelife.com)
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die Hochrechnung an dem nördlicheren der Kontrollpunkte im Randbereich des arktischen Meereises ergab demnach eine noch viel dramatischere Steigerung von 346 Müllteilen 2004 auf 8082 Müllteile 2014. Das entspricht einer Steigerung um den Faktor 20.

Die Belastung an dieser Stelle sei fast genau so hoch wie im Cap de Creus-Canyon im Mittelmeer, in dem die bislang höchste Mülldichte am Meeresboden überhaupt gemessen worden sei, berichteten die Experten des Bremerhavener Instituts, die das Ergebnis ihrer Beobachtung nun in der Zeitschrift «Deep-Sea Research Part I» veröffentlichten.

Herkunft unklar

Wichtige Mechanismen der Vermüllung sind demnach aber noch unklar. So lässt sich über die Herkunft des Plastikabfalls nicht viel sagen, weil dieser weit driften kann. Die Fotos gaben den Wissenschaftlern des AWI in den meisten Fällen keinerlei Hinweise.

Unbestritten sei, dass der Golfstrom Müll aus dem südlicheren Atlantik heranbringe, betonten sie. Denkbar sei allerdings auch, dass treibendes Eis eine Rolle spiele. So beobachteten sie einen Zusammenhang zwischen Mülldichte und Ausdehnung des Meereises im Sommer. Eventuell treibt Unrat mit dem Eis und wird beim Abschmelzen freigesetzt.

Ungeklärt ist demnach auch, wie schnell sich Kunststoff in der Arktis gegebenenfalls zu dem unsichtbaren und potenziell brisanten Mikroplastik zersetzt. Während ihrer Beobachtungen bemerkten das AWI-Forscherteam allerdings bereits zunehmend kleinere Fragmente.

Umwelt

Dies sei «verwunderlich», betonten sie. In der stockdunklen Tiefsee müsste Plastik eigentlich langsam zerfallen, weil UV-Licht fehle und es zudem sehr kalt sei.

(sda/afp)

Klimawandel und Golfstrom: Fragile Ozeanzirkulation

1 / 14
Klimawandel und Golfstrom: Fragile Ozeanzirkulation
Wärmebild des Atlantiks (rot = warm, blau = kalt): Europas Fernheizung entspringt im Golf von Mexiko. Dort heizt sich das Meer auf, gelenkt von Winden und der Erddrehung strömt das warme Wasser nach Norden.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
22 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Activist13
08.02.2017 22:46registriert September 2016
Es zerbricht mir das Herz, dass wir Menschen unsere Mutter Erde nicht mehr schätzen! Es macht mich wütend, dass Menschen immer noch glauben Sie seien das grösste, mächtigste und inteligenteste Wesen auf Erden und es macht mich traurig, zu sehen wie vielen das egal ist!
Ich kann nicht mehr nur zusehen...es ist unsere Pflicht diese Situation und unser Lebensstil zu ändern um damit vielleicht die Welt doch noch zu retten..Bitte...
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Chili
08.02.2017 21:46registriert Januar 2014
beim Nachbar Beitrag "11 topseriöse Lifehacks, die du absolut unbedingt ausprobieren musst" der eine Minute früher Veröffentlicht wurde, werden in 5 von 11 Lifehacks dem verschwenden von Plastik gefrönt! Dazu gibt es noch einige Kommentare mehr als hier! Es scheint dass nur die Forscher alarmiert sind !
10
Melden
Zum Kommentar
22
Studie zeigt, wie wirksam der Genderstern ist – und wie skeptisch die Leute dennoch sind
Mit ihrer Genderstern-Initiative wollte Susanne Brunner der «Kunstsprache mit politischer Botschaft» ein Ende setzen. Sprache könne zur Gleichberechtigung nicht beitragen, argumentiert sie. Doch evidenzbasiert ist das nicht – im Gegenteil.

«Sprache kann zur Gleichstellung nichts beitragen», sagte Susanne Brunner im Herbst 2022 in einem Interview mit der NZZ. Sie hatte soeben ihre Initiative «Tschüss Genderstern!» lanciert, die es dem Zürcher Stadtrat verbieten sollte, inklusiv zu kommunizieren.

Zur Story