In der Tiefsee am Nordpol sammelt sich nach Beobachtung deutscher Forscher immer mehr Müll an. Die Menge habe sich in den zurückliegenden Jahren deutlich erhöht, teilte das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Mittwoch mit.
An einer Stelle habe sich die Müllmenge von 2004 bis 2014 sogar verzwanzigfacht, stellten AWI-Forschende im Zuge einer Langzeituntersuchung in der Framstrasse zwischen Grönland und Spitzbergen fest.
«Unsere Messreihe belegt, dass der Müll in der arktischen Tiefsee in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat», erklärte AWI-Biologin Mine Tekman. Sie und ihre Kollegen dokumentierten über Jahre hinweg das Geschehen an zwei Messpunkten am Meeresgrund mit einer ferngesteuerten Tauchkamera auf mehr als 7000 Einzelfotos. Dabei dokumentierten sie nach eigenen Angaben vor allem Plastik und Glas.
Die Vermüllung der Meere insbesondere mit Plastikrückständen gilt als grosses Problem und erregt seit einigen Jahren zunehmend auch öffentliches Aufsehen, unter anderem weil Tiere daran verenden und sich giftige Stoffe in der Nahrungskette anreichern könnten.
Schon vor eineinhalb Jahren wiesen AWI-Forscher auf treibenden Plastikmüll an der Oberfläche der arktischen Gewässer hin, den sie bei Expeditionen beobachteten.
Bei ihrer aktuellen Untersuchung rechneten die Experten aus der Zahl der Sichtungen an den beiden Messpunkte, die zu einem Netz aus 21 Tiefseebeobachtungsstationen im sogenannten AWI-Hausgarten gehören, die Belastung pro Quadratkilometer hoch.
In den vergangenen Jahren stieg diese im Schnitt steil an. Kamen die Forscher 2011 auf 4959 Müllteile und hielten dies für einen Negativausreisser, waren es 2014 bereits 6333.
Die Hochrechnung an dem nördlicheren der Kontrollpunkte im Randbereich des arktischen Meereises ergab demnach eine noch viel dramatischere Steigerung von 346 Müllteilen 2004 auf 8082 Müllteile 2014. Das entspricht einer Steigerung um den Faktor 20.
Die Belastung an dieser Stelle sei fast genau so hoch wie im Cap de Creus-Canyon im Mittelmeer, in dem die bislang höchste Mülldichte am Meeresboden überhaupt gemessen worden sei, berichteten die Experten des Bremerhavener Instituts, die das Ergebnis ihrer Beobachtung nun in der Zeitschrift «Deep-Sea Research Part I» veröffentlichten.
Wichtige Mechanismen der Vermüllung sind demnach aber noch unklar. So lässt sich über die Herkunft des Plastikabfalls nicht viel sagen, weil dieser weit driften kann. Die Fotos gaben den Wissenschaftlern des AWI in den meisten Fällen keinerlei Hinweise.
Unbestritten sei, dass der Golfstrom Müll aus dem südlicheren Atlantik heranbringe, betonten sie. Denkbar sei allerdings auch, dass treibendes Eis eine Rolle spiele. So beobachteten sie einen Zusammenhang zwischen Mülldichte und Ausdehnung des Meereises im Sommer. Eventuell treibt Unrat mit dem Eis und wird beim Abschmelzen freigesetzt.
Ungeklärt ist demnach auch, wie schnell sich Kunststoff in der Arktis gegebenenfalls zu dem unsichtbaren und potenziell brisanten Mikroplastik zersetzt. Während ihrer Beobachtungen bemerkten das AWI-Forscherteam allerdings bereits zunehmend kleinere Fragmente.
Dies sei «verwunderlich», betonten sie. In der stockdunklen Tiefsee müsste Plastik eigentlich langsam zerfallen, weil UV-Licht fehle und es zudem sehr kalt sei.
(sda/afp)