Schweiz
Zürich

Ausfall-Schritt könnte Polizisten zum Verhängnis werden

Nach Pfefferspray-Einsatz ruft der Präsident der Polizeikommission aus: «In so einer Szene muss sich der Polizist beherrschen, das erwarte ich von der Stadtpolizei»

Die Stadtpolizei Zürich untersucht den Pfefferspray-Einsatz gegen die 44-jährige Mutter. Parlamentarier von links bis rechts im Zürcher Gemeinderat werden zusätzlich Fragen stellen. 
08.09.2015, 11:0508.09.2015, 13:45
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Der Polizeieinsatz nach der Solidaritätskundgebung auf dem Zürcher Helvetiaplatz gibt weiter zu reden. Der Einsatz von Gummischrot und die Aktion, bei der die 44-jährige Sennur Sümer aus nächster Nähe mit Pfefferspray besprüht wurde, wirft Fragen auf. Gestern gab es deshalb eine Sitzung zum Fall. Anwesend waren unter anderem Daniel Blumer, der Kommandant der Stadtpolizei Zürich, sowie die politische Führung. Stapo-Sprecher Marco Cortesi sagt zu watson: «Es wurde eine interne Untersuchung angeordnet, zuerst geht es jetzt einmal darum, Fakten zu sammeln.» Zwei Fragen stünden im Zentrum: 

1. Was geschah vor der Pfefferspray-Attacke des Polizisten?

2. Was sagen die Beteiligten dazu?

Roger Tognella, Zürcher Gemeinderat der FDP und Präsident der Spezialkommission Polizeidepartement/Verkehr.
Roger Tognella, Zürcher Gemeinderat der FDP und Präsident der Spezialkommission Polizeidepartement/Verkehr.
Bild: zvg
«Die Frau hält beide Hände hoch und signalisiert damit, dass sie friedlich ist. In so einer Szene muss sich der Polizist beherrschen, das erwarte ich von der Stadtpolizei»
Roger Tognella (FDP), Präsident Spezialkommission Polizeidepartement/Verkehr, Gemeinderat Zürich

Derweil melden sich Mitglieder der Spezialkommission Polizeidepartement/Verkehr des Zürcher Gemeinderates zu Wort. Roger Tognella von der FDP und Präsident der Spezialkommission, sagt: «Der Vorfall mit der Frau, die von der Polizei mit Pfefferspray besprüht wurde, ist nicht schön.» Die Szene sei nicht zu beschönigen, dies sehe die Polizei ebenso.

Laut Tognella muss nun auch untersucht werden, wie es dazu kommen konnte, dass der Polizist einen solch markanten Ausfallschritt Richtung Sennur Sümer machte. Grundsätzlich dürfe dies in einer solchen Situation nicht passieren. Denn: «Die Frau hält beide Hände hoch und signalisiert damit, dass sie friedlich ist. In so einer Szene muss sich der Polizist beherrschen, das erwarte ich von der Stadtpolizei», sagt Tognella. Und weiter: «Wir wissen nicht, was vor der Attacke zwischen dem Polizisten und der Frau gesprochen wurde, trotzdem ist die Handlung offenkundig falsch.»

Wolff kümmert sich persönlich

Ob es ein Disziplinarverfahren gibt oder nicht, ist noch unklar. Die betroffene Sennur Sümer überlegt, eine Anzeige einzureichen, was allenfalls auch zu einer strafrechtlichen Untersuchung führen könnte.  

Die Spezialkommission Polizeidepartement/Verkehr verlangt gemäss Präsident Tognella zusätzlich eine Berichterstattung an die GPK. Kommissionsmitglied Markus Knauss von den Grünen geht davon aus, dass der Vorfall schon am Mittwoch in der Gemeinderatssitzung aufs Tapet kommt. «Bezogen auf das Funktionieren der Stadtpolizei, stellt man sich bei diesen Bildern schon Fragen», sagt Knauss. Die Kommission lasse sich üblicherweise über solche Geschehnisse informieren. Die Fraktion der Grünen werde den Vorfall auch in einer Fraktionserklärung zur Asyldebatte vom Mittwoch in einem Absatz thematisieren. «Es ist für mich absolut unverständlich, wie die Polizei da vorgegangen ist», sagt Knauss. 

SVP begrüsst Untersuchung

SVP-Fraktionspräsident Mauro Tuena, der ebenfalls in der Spezialkommission Polizeidepartement/Verkehr Einsitz hat, begrüsst die Untersuchung der Stadtpolizei. «Man kann davon ausgehen, dass diese Untersuchung sehr gründlich geführt wird, wenn der Polizeivorsteher der Alternativen Liste (Richard Wolff, Anm. d. Red.) diese anordnet», sagt Tuena. Danach wisse man, wie der Vorfall zu beurteilen sei. 

Was Tuena mehr nervt, als die Behandlung der 44-jährigen Sennur Sümer, ist die Tatsache, dass die Platzkundgebung unter dem Titel «Refugees Welcome» von Richard Wolffs Stadtpolizei unkompliziert eine Bewilligung erhalten hatte. «Wenn ich eine politische Standaktion machen will, dann muss ich etliche bürokratische Hürden überwinden, aber die Organisatorin der Platzkundgebung hat von der Polizei den roten Teppich ausgerollt gekriegt», sagt Tuena.

Tuena hat Wolff schriftlich aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, weshalb die Platzkundgebung so rasch eine Bewilligung erhalten habe. «An der Kommissions-Sitzung vom Donnerstag kommender Woche wird sich Wolff mit mir über diese Sache noch unterhalten müssen», sagt Tuena. (feb/thi)

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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saukaibli
08.09.2015 11:37registriert Februar 2014
Ja dieser gemeine Polizeivorsteher. Der bewilligt einfach und unkompliziert eine Demo für Menschen in Not. Aber wenn die arme SVP für ihre asoziale Hasspolitik auf öffentlichem Grund Werbung machen will, dann muss bürokratische Hürden überwinden. Böser, böser Wolff!
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crust_cheese
08.09.2015 11:24registriert Oktober 2014
Komisch, da haben etliche in den Kommentarspalten (auch bei Watson) den Polizisten verteidigt und nun sieht doch auch der Polizeivorsteher Kritikwürdiges an seinem Verhalten...
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Tomlate
08.09.2015 14:19registriert März 2014
Langsam aber sicher gerät das ursprüngliche Motiv der Kundgebung komplett in den Hintergrund und wir verpuffen unsere Energie, um uns über das Verhalten von Demonstranten und Polizisten aufzuregen. Die Teilnehmer der Kundgebung hätten sich an die Vorlage halten können. Der Gummischrot war für die Situation übertrieben und der Pfefferspray mehr als unangebracht. Schlussendlich stehen sich Menschen auf der Strasse gegenüber, die kaum für die Umstände verantwortlich sind, die zu solchen Flüchtlingsmassen führen. Eine Aktion und Auseinandersetzung, die bis jetzt wahrscheinlich noch keinem Flüchtling geholfen hat.
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