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Du willst nur das Beste? Voilà:
Als
letzter biegt Granit Xhaka um die Ecke und findet den Weg in die
Katakomben in Richtung Kabine. Der Borussia-Park ist leergefegt, das
Flutlicht lässt
den Rasen erstrahlen, als wolle er sagen: Seht her, es geht doch.
Auch Xhaka, der Kapitän,
strahlt nach dem ersten Saisonsieg im sechsten Spiel. Trotz Interviewmarathons und frühzeitiger
Auswechslung. Nur eine von vielen richtigen Entscheidungen, die
Borussia Mönchengladbachs
neuer Trainer André
Schubert an diesem Abend
getroffen hatte.
Das 4:2 gegen den FC Augsburg war Spiel 1 nach Lucien Favre. Der eigenwillige Romand hatte am Sonntag gekündigt, weil er keine Lösungen mehr für die Krise des Champions-League-Teilnehmers wusste, unzufrieden mit der Gesamtsituation war. Fünf Niederlagen in fünf Spielen, dazu noch die deutliche Pleite in der Königsklasse beim FC Sevilla – zu viel für Favre, der den Klub mit seinem Rücktritt vor vollendete Tatsachen und eine schwierige Situation stellte.
Binnen zwei Tagen und nur zwei Trainingseinheiten musste André Schubert, den Manager Max Eberl als Zwischenlösung zum Cheftrainer ernannt hatte, der Mannschaft neues Leben einhauchen. Mit Erfolg.
Gladbach begann mit Wucht und spielte sich in einen Rausch. Fabian Johnson brachte sein Team schon nach fünf Minuten in Führung – die erste in dieser Spielzeit – und binnen 20 Minuten stand es 4:0 für die Hausherren gegen schwache und völlig überforderte Augsburger.
Treffer von Lars Stindl, Mo Dahoud und «Capitano» Xhaka folgten – einer schöner als der andere. Ausgerechnet Raffael, Favres Lieblingsschüler, kickte sich mit dreieinhalb Vorlagen aus einer persönlichen Leistungskrise. «So eine Führung gibt Selbstvertrauen und Ruhe im Spiel», erklärte Granit Xhaka den Auftritt der Mannschaft. «Das hätte uns vor der Begegnung wohl niemand zugetraut.»
Lag
es nur an der schnellen Führung,
die dem Team unter Favre in den vergangenen Wochen verwehrt bleib,
oder wie hatte der neue Coach die Krise aus den Köpfen
der Spieler bekommen?
Schubert hatte den Spielern mit auf den Weg gegeben, dass sie die so bitteren Resultate vergessen sollten. Unter dem beförderten U23-Trainer der Borussia «ging es für alle wieder bei null los und er hat uns richtig heiss gemacht», so Xhaka, der vor allem mit der mentalen Leistung zufrieden war.
Dabei änderte der neue Mann an der Seitenlinie eigentlich nicht so viel. Zwar setzte er im Vergleich zur Derbypleite beim Erzrivalen 1. FC Köln (0:1) fünf neue Spieler ein, taktisch aber bleib es im favre’schen 4-4-2-System mit offensiven Aussenspielern und schnellem Kombinationsspiel.
Schubert hatte sich einen Vier-Punkte-Plan für den Erfolg zurecht gelegt: «Erstens: Zweikämpfe immer aktiv führen, nie passiv. Zweitens: Das Eins gegen Eins suchen, mit Mut spielen. Drittens: Gutes Umschalt-Verhalten in beide Richtungen. Und der vierte Punkt ist Selbstvertrauen, was wir nur kriegen, wenn wir Punkt eins bis drei erfolgreich durchziehen.»
Die Borussia überraschte den FCA mit diesem Engagement und einer komplett veränderten Körpersprache. Auch wenn Gladbach zwischenzeitlich etwas vogelwild und ungestüm wirkte, Fehlpässe und Unkonzentriertheit wurden meistens postwendend wieder ausgebügelt.
«Die Jungs haben sich auf das konzentriert, was wir vor der Partie besprochen haben, und einen überragenden Auftritt hingelegt», lobte Schubert und auch Sportdirektor Eberl war sichtlich erleichtert: «André hat es mit seiner Ansprache geschafft, die Köpfe der Jungs frei zu machen.» Es sei unglaublich gewesen, was in der ersten Hälfte los war, so Eberl.
Granit
Xhaka sah den Wandel der Mannschaft etwas sachlicher. «Wir
haben ja in den vergangenen vier Wochen das Fussballspielen
nicht verlernt. Wir haben immer noch das Favre-Spiel im Kopf, trotz
André»,
der zwei, drei Dinge verändert
habe.
Unter anderem hatte er eben den erst 22-Jährigen Schweizer zum Captain ernannt. «Auch zwei, drei andere Spieler hätten Tony Jantschke in der Situation vertreten können», sagte Schubert nach dem Sieg. Aber die Entscheidung für Xhaka fiel bewusst, «weil er ein wichtiger Spieler für uns ist, der Qualitäten hat, der aber auch lernen muss, Verantwortung zu übernehmen.»
Xhaka könne mit seiner emotionalen Art Mitspieler mitreissen, aber er müsse auch diszipliniert spielen und sich hier und da unter Kontrolle haben. «Wir haben ihm gesagt, dass wir ihm vertrauen und dass er eine wichtige Rolle im Team hat». Die spielte Xhaka «sehr gut», auch wenn er in der Schlussphase der Partie einen Penalty verursachte und stark gelbrot-gefährdet ausgewechselt werden musste.
«Das war wohl besser so», lachte der Mittelfeldboss des VfL. «Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen, den Verein im Borussia-Park als Captain auf das Feld führen zu dürfen. Das werde ich so schnell nicht vergessen», freute sich Xhaka über die Anerkennung nach dem 4:2-Sieg, der wie ein Vulkanausbruch all das Krisengeröll am Niederrhein wegschleuderte. «Gute Mannschaften, die am Boden liegen, stehen auch wieder auf», sagte Xhaka abschliessend. Selbstbewusst wie eh und je.
Und
Lucien Favre? Der wurde von über
40'000 Fans im Stadion mit tosendem Applaus verabschiedet, als auf
den grossen
Videoleinwänden «Merci,
Lucien!» flimmerte.
Der Coach habe sich telefonisch von all seinen Spielern
verabschiedet, «sich
bedankt»,
verriet Xhaka. Es sei immer schade, wenn ein Trainer oder ein Spieler
geht, der für
so einen Erfolg steht und mit dem der Klub eine enorm schöne
Zeit hatte. «Das
ist schwer zu akzeptieren»,
ist aber nun Vergangenheit.
Die
Gegenwart heisst
André Schubert.
Für
die Zukunft allerdings sucht der Klub einen neuen Fussballlehrer,
der das Erbe von Favre weiterführt.
Dafür
werde sich Manager Eberl aber Zeit nehmen. Vielleicht sogar bis zur
Winterpause. Beim Gastspiel beim VfB Stuttgart also wird der Interimstrainer wieder
auf der Trainerbank platz nehmen. Und sicherlich erneut auf Captain Xhaka bauen.