Erst rund 16 Monate sind vergangen seit einem der schlimmsten Schulmassaker in der Geschichte der USA. An der Grundschule von Newtown im Bundesstaat Connecticut erschoss ein vermutlich geistig verwirrter junger Mann 20 Primarschüler und sieben Erwachsene. Präsident Barack Obama drängte danach auf eine Verschärfung der Waffengesetze, doch er scheiterte im Kongress.
Seither hat sich der Wind gedreht: In mehreren Bundesstaaten wurden die Regeln für das Tragen von Schusswaffen weiter gelockert. Nirgends gingen die Gesetzgeber aber so weit wie in Georgia im Süden des Landes. Der republikanische Gouverneur Nathan Deal unterzeichnete am Mittwoch einen Erlass, den die Waffenlobby als «historischen Sieg», die Befürworter verschärfter Kontrollen dagegen als «extremstes Waffengesetz Amerikas» bezeichnen.
Künftig darf fast überall eine Waffen getragen werden. In einer Bar war dies bislang nur möglich, wenn der Besitzer es erlaubte. Jetzt muss er es ausdrücklich verbieten, wenn er keine Knarren in seinem Etablissement will. Auch in unbewachte Regierungsgebäude dürfen Waffen mitgenommen werden.
Schulen und Kirchen dürfen neu selbstständig entscheiden, ob sie das Waffentragen zulassen wollen. Sogar in öffentlich zugänglichen Bereichen von Flughäfen ist dies möglich. Wer sein Schiesseisen versehentlich zur Sicherheitskontrolle mitbringt, darf es abgeben und wieder abholen, ohne bestraft zu werden. Die Bussen für Verstösse gegen das neue Gesetz sind mit 100 Dollar ohnehin niedrig.
Das Gesetz verbietet es dem Bundesstaat ausserdem, eine zentrale Datenbank aller Waffenbesitzer anzulegen. Wer seinen Waffenschein erneuern lässt, muss künftig keine Fingerabdrücke mehr abgeben. Nur wer eine solche Lizenz besitzt, ist von dem Gesetz betroffen. In Georgia sind es rund 500'000 Personen oder fünf Prozent der Bevölkerung. Gouverneur Deal betonte am Mittwoch, das Gesetz gebe jenen Bürgern zusätzlichen Schutz, «die sich und andere vor denjenigen schützen wollen, die sich nicht an die Regeln halten».
Wirklich begeistert über die Liberalisierung ist ausser den Waffennarren kaum jemand. Eine Mehrheit der Bevölkerung in dem konservativen Südstaat lehnt das Gesetz gemäss Umfragen ab, auch Vertreter von Polizei, Gemeindebehörden, Schulen und Kirchen haben sich dagegen ausgesprochen.
Doch der politische Zeitgeist tickt anders: Im Parlament von Georgia haben beide Kammern mit einer Zweidrittelmehrheit zugestimmt. Ja gesagt hat auch der demokratische Senator Jason Carter, ein Enkel des Ex-Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Jimmy Carter. Er will im Herbst bei der Gouverneurswahl gegen Nathan Deal antreten. (pbl)