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Grosse Fragen

Wie Parlamentarier den Lobbyisten die Türe zum Bundeshaus öffnen

In der Wandelhalle wird kräftig antichambriert und lobbyiert.
In der Wandelhalle wird kräftig antichambriert und lobbyiert.Bild: KEYSTONE

Wie Parlamentarier den Lobbyisten die Türe zum Bundeshaus öffnen

Das Bundeshaus ist ein Tummelplatz der Lobbyisten. Verantwortlich dafür sind auch die Parlamentarier. Sie dürfen je zwei Personen eine Zutrittskarte verschaffen. Der grosse Teil geht an Interessenvertreter.
07.05.2015, 15:5208.05.2015, 07:09
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Christa Markwalder war sichtlich genervt. «Wo ist die Geschichte? Wo ist die Geschichte?», fragte sie, als «10vor10» sie am Mittwochnachmittag in der Wandelhalle des Bundeshauses vor die Kamera bat. Einmal mehr musste sich die Berner FDP-Nationalrätin an diesem Tag zur Kasachstan-Affäre äussern. 

Also zu jenem Vorstoss, den sie vor zwei Jahren durch Vermittlung der PR-Agentur Burson-Marsteller eingereicht hatte. Auftraggeber war ein kasachischer Pseudo-Oppositionspolitiker, der in Wirklichkeit als Handlanger des autokratischen Regimes agierte.

Markwalders Ärger ist nachvollziehbar. Sie muss sich fühlen wie ein Schulkind, das als einziges ertappt wird, wie es dem Lehrer einen Streich spielt. Während andere ungeschoren davonkommen. Denn die Beziehungen zwischen Parlamentariern und Lobbyisten sind vielfältig. Fast schon legendär ist der Einfluss des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Manche bürgerliche Parlamentarier lassen sich von ihm Vorstösse schreiben und richten ihr Abstimmungsverhalten nach ihm aus.

Lobbyisten-Verband schaltet sich in Kasachstan-Affäre ein 
Der Lobbyisten-Verband SPAG schaltet sich in die Kasachstan-Affäre ein. Die SPAG-Standeskommission überprüft, ob ein Verbandsmitglied die Standesregeln verletzt hat, wie die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft am Donnerstag mitteilte.

Sämtliche National- und Ständeräte dürfen jeweils zwei Personen ihrer Wahl eine Zutrittskarte zum nicht öffentlichen Bereich des Bundeshauses ausstellen lassen. Die entsprechenden Listen sind im Internet einsehbar und werden monatlich aktualisiert. Ihr Studium ist aufschlussreich: Einige Parlamentarier vergeben gar keinen Badge, andere berücksichtigen ihre Angetrauten oder persönliche Mitarbeiter. Die meisten Fälle aber betreffen Interessenvertreter. 

Verbände

Stark vertreten sind die Bauernlobby und die grossen Wirtschaftsverbände, vor allem Economiesuisse und der Gewerbeverband. Auffällig sind gewisse Ballungen: Der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Egloff hat beide Ausweise dem Hauseigentümerverband (HEV) zur Verfügung gestellt. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran berücksichtigt dafür den Mieterinnen- und Mieterverband sowie die Dachorganisation der Wohnbaugenossenschaften. Und dank SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz ist auch Swiss Olympic vertreten.

Unternehmen

Diverse Firmen sind über Parlamentarier ebenfalls in Bern vertreten, Novartis etwa dank dem Basler SVP-Nationalrat Sebastian Frehner. Seine Genfer Parteikollegin Céline Amadruz hat einen UBS-Mann akkreditiert, der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl einen Vertreter der Swisscom. Konkurrent Sunrise verdankt beide Ausweise dem Tessiner Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri. Zwei Interessenvertreter hat auch die Migros. Die bundesnahen Betriebe Post (Verena Diener, GLP/ZH) und SBB (Roberto Zanetti, SP/SO) sind durch Connections im Ständerat vertreten.

Ein Vertreter der Gewerkschaft UNIA in der Wandelhalle.
Ein Vertreter der Gewerkschaft UNIA in der Wandelhalle.Bild: KEYSTONE

Gewerkschaften

SP und Grüne machen es möglich: Die Gewerkschaften sind in Bern mit einer ansehnlichen Delegation vertreten. Sowohl der Gewerkschaftsbund (präsidiert vom St.Galler Ständerat Paul Rechsteiner) wie auch Travail.Suisse haben mehrere Parlamentarier-Badges erhalten. Auch Einzelgewerkschaften wie UNIA, SEV und Syndicom können im Bundeshaus ein- und ausgehen.

NGOs

Hilfswerke und andere Nichtregierungsorganisationen können ebenfalls dank National- und Ständeräten aktiv für ihre Sache lobbyieren. WWF, Greenpeace, Pro Natura, Stiftung für Landschaftsschutz und die Allianz Atomausstieg verfechten Umweltanliegen. VCS, Pro Velo und Alpeninitiative setzen sich für eine nachhaltige Verkehrspolitik ein. Im Gegenzug verfügt auch der TCS über zwei Vertreter, unter anderem dank Christa Markwalder. Entwicklung und Menschenrechte werden durch Alliance Sud oder Amnesty International abgedeckt.

PR-Firmen

Sie sind durch die akutelle Affäre ins Zwielicht geraten, und sie sind stark vertreten. Die grossen Player der Branche sind teilweise mit mehreren Lobbyisten vor Ort. Der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser hat seine Zutrittskarten an die beiden Namensgeber des Büros Furrer.Hugi & Partner vergeben. Weitere Mitarbeiter der Firma sind ebenfalls akkreditiert. 

Thomas Borer am Mittwoch in Bern, während der Debatte über das Cassis-de-Dijon-Prinzip.
Thomas Borer am Mittwoch in Bern, während der Debatte über das Cassis-de-Dijon-Prinzip.Bild: KEYSTONE

Burson-Marsteller hat zwei Badges, dank CVP-Präsident Christophe Darbellay und FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Marie-Louise Baumann, das Bindeglied zwischen Markwalder und den Kasachen, ist mit ihrer eigenen Firma und mit Zutrittskarte der Aargauer FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger im Bundeshaus vertreten. Farner Consulting und Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten sind weitere illustre Namen mit Parlamentarier-Connection. Hinzu kommen zahlreiche kleinere PR-Buden. 

Vereinzelt gibt es originelle Fälle. Der St.Galler SVP-Nationalrat Lukas Reimann hat einen seiner Ausweise dem Sprecher der Piratenpartei zur Verfügung gestellt. Insgesamt aber dominiert die knallharte Interessenvertretung. Häufig spielt dabei das Drehtüren-Prinzip, wie es in den USA genannt wird, das muntere Hin und Her zwischen Politszene und Lobbyismus. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist Ex-Botschafter Thomas Borer, der dank SVP-Nationalrat und Banker Thomas Matter als Inhaber einer Consulting-Firma im Bundeshaus zugelassen ist. 

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Auch Borer kam wegen Beziehungen zur kasachischen Regierung in die Schlagzeilen. Christa Markwalder ärgert sich deshalb nicht zu unrecht. Ihre Kolleginnen und Kollegen jedenfalls gehen schonend mit ihr um, denn alle lassen sich auf die eine oder andere Art von Lobbyisten beeinflussen. «Sie war zu wenig vorsichtig, das kann passieren», meinte FDP-Präsident Philipp Müller. Falls die Affäre versandet, und davon ist auszugehen, muss sie um ihre Wahl zur Nationalratspräsidentin 2016 kaum bangen.

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6 Kommentare
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Matthias Studer
07.05.2015 16:07registriert Februar 2014
Und hier steckt der eigentliche Skandal.
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