Die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Ein zunehmend fragiles allerdings. Vor allem in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) ist die Lage kritisch. Rund die Hälfte aller KMU kämpft laut dem Branchenverband Swissmechanic ums Überleben. Zwei Gründe werden in erster Linie genannt: die Frankenstärke, ausgelöst durch die Aufhebung des Euromindestkurses, und der anhaltende Druck auf die Preise.
Das Problem hat watson anhand der Madlener Apparatebau AG in Dietikon ZH geschildert, eines Kleinunternehmens mit zwölf Mitarbeitenden. Was auffällt: Die Firma verfügt über keine Website, zumindest keine funktionierende. In der Nische, in der Inhaber Josef Madlener tätig ist, mag dies nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Er bezeichnet sich als «Problemlöser», der schnell und flexibel Ersatzteile anfertigt, wenn irgendwo etwas kaputt gegangen ist.
Für andere Unternehmen, insbesondere stark exportorientierte, kann ein vernachlässigter Auftritt im Internet jedoch gravierende Folgen haben. Josef Madlener selbst hat als Hauptgrund für den Preisdruck die Tatsache erwähnt, dass Kunden heute im Internet die Preise vergleichen. Wer da nicht oder ungenügend präsent ist, hat ein Problem. Und in der Schweiz haben viele KMU dieses Problem, sie hinken bei der Digitalisierung hinterher.
Dies zeigt die Studie Digital Switzerland, die das Center for Digital Business der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) 2015 erstellt hat. Autor Sven Ruoss – ein ehemaliger watson-Mitarbeiter – kam zu einem für die KMU bedenklichen Befund: Obwohl 74 Prozent der befragten Unternehmen anerkannten, dass die digitale Transformation grosse oder sehr grosse Auswirkungen haben wird, sind 56 Prozent schwach aufgestellt. Sie sind «digitale Dinosaurier».
Erschreckend: In der Befragung 2016 stieg ihr Anteil sogar auf 59 Prozent. «Der grösste Teil der Unternehmen hat Entwicklungspotenzial, insbesondere wenn es darum geht, das Marketing auf die Kunden auszurichten», sagt Manuel P. Nappo, Leiter des Center for Digital Business an der HWZ. Heute informiere sich fast jeder Kunde im Internet. Wer keine Website hat oder eine rudimentäre, die nicht mobilfähig ist, hat ein Problem. «Er findet nicht statt», sagt Nappo.
Diese scheinbare Binsenweisheit hat sich auch im Jahr 2016 noch nicht überall herumgesprochen. «Die KMU sehen das Internet oft als Bedrohung statt als Chance», sagt Nappo. Eine Einstellung, die gerade für das Hochpreisland Schweiz, in dem ein Unternehmen jeden Verkaufskanal nutzen sollte, verhängnisvoll sein kann.
Wie es funktioniert, zeigt das Beispiel der Glarner Kantonalbank, die vor rund zehn Jahren in finanzielle Schieflage geraten war. Sie begann 2012 mit dem Verkauf von Hypotheken im Internet und kreierte ein neues, boomendes Geschäftsmodell. Mit dem so genannten Hypomat erreichte die Bank, deren Kerngebiet rund 30'000 Personen umfasst, Kunden in der gesamten Deutschschweiz.
Eine gute Online-Präsenz könne matchentscheidend sein, sagt Manuel P. Nappo. Warum handeln die «digitalen Dinosaurier» nicht? Ein Grund ist der Überlebenskampf. Wenn die Geschäfte schlecht laufen, spart man häufig zuerst bei Marketing und Werbung. Viele KMU achten darauf, dass sie ihr Personal und das damit verbundene Knowhow halten können. Und wer kein Geld hat, um neue Maschinen zu kaufen, hält die Investition in einen Webauftritt für Luxus.
Es sei ein «bekanntes Problem», sagt Nappo. Trotzdem sei es keine gute Idee, beim Marketing und bei der Online-Präsenz zu sparen, denn es drohe ein Teufelskreis. Man erreicht zu wenig Kunden, verdient nicht genug und hat keine Mittel, um die Digitalisierung voranzutreiben. «Am Besten macht man dies, bevor es nötig ist», meint Nappo.
Angesichts der KMU-Krise dürfte dieser Rat für manche zu spät kommen. Wenn in den nächsten Jahren zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen verschwinden sollten, liegt es nicht nur an Frankenstärke und Preisdruck. Sondern auch an der verpassten Chance, die Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Auch die «echten» Dinosaurier sind bekanntlich ausgestorben.