Sport
Eismeister Zaugg

«Vergiss alles, wenn du keinen guten Goalie hast»

Bild: Keystone
Der Fluch des Drachen

«Vergiss alles, wenn du keinen guten Goalie hast»

Fribourg-Gottéron hat wieder einmal fast alles, um die Meisterschaft zu gewinnen. Aber Trainer Hans Kossmann hat das gleiche Problem wie einst Paul-André Cadieux. Einen Lotter-Goalie.
30.03.2014, 13:3230.03.2014, 14:46
Folge mir
Mehr «Sport»

Die Geschichte ist so ziemlich die meisterzählte im Schweizer Hockey. Sie wird meistens in Zeiten der Playoffs wieder hervorgekramt. Weil sie offensichtlich doch wahr ist. Weil sie uns das Schicksal des HC Fribourg-Gottéron so anschaulich schildert. Und immer aktuell ist. Sie liefert uns eine Erklärung für die zweite Halbfinal-Niederlage gegen Kloten. Gottérons neuste Pleite. 

Wer die Geschichte schon kennt, überspringt diesen Abschnitt. Im Tal der Galtern (französisch: Gottéron) hinter der Stadt Fribourg hauste einst vor der Zeit ein Drache. Er raubte Vieh und Kinder. Den tapferen Bewohnern gelang es, das Untier zu bannen. Ein ewiger Fluch wurde jenen angedroht, die das Biest wieder befreien sollten. Der HC Fribourg-Gottéron trägt den Drachen auf seinem Dress. Es ist die Befreiung des Drachen. Und nun trifft der Fluch die Torhüter. Immer und immer wieder. Ende der Geschichte. Mit Lesen weiterfahren.

Dino Stecher war in den 90er-Jahren äusserst talentiert, konnte seine Leistungen in den wichtigen Momenten aber nicht abrufen.
Dino Stecher war in den 90er-Jahren äusserst talentiert, konnte seine Leistungen in den wichtigen Momenten aber nicht abrufen.Bild: Keystone

Dreimal hat Gottéron im Laufe der russischen Flugjahre mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow den Playoff-Final erreicht. Dreimal ging der Titel wegen des Torhüters verloren: Dino Stecher (heute Cheftrainer in Basel) war einer der talentiertesten Goalies seiner Generation. Aber bei Gottéron versagte er im Final. Es gibt zwar auch eine andere Wahrheit. Dino Stecher pflegt mit einem für Torhüter eher ungewohnten Hang zur Selbstironie zu sagen: «Vielleicht kamen wir ja dreimal in den Final, weil ich so gut war …»

Nun trifft der Fluch des Drachen Benjamin Conz. Vor zwei Jahren ist der Vertrag mit Cristobal Huet nicht verlängert worden. Der eingebürgerte Franzose ging nach Lausanne und hat seither sein neues Team erst in die NLA und nun in die Playoffs gehext. Kein Schelm, wer jetzt sagt: Mit Cristobal Huet könnte Gottéron jetzt Schweizer Meister werden.

Der alternde Christobal Huet ist von Fribourg nach Lausanne weitergezogen.Bild: Keystone

Aber Gottéron vertraut auf den zwölf Jahre jüngeren Benjamin Conz. Dafür gibt es sehr gute Gründe: Cristobal Huet hat eine Gegenwart, aber die Zukunft hinter sich. Benjamin Conz hat eine Gegenwart und die Zukunft noch vor sich. Er ist erst 22, war vor drei Jahren der beste Torhüter der U20-WM und hexte Langnau 2011 in die Playoffs. Er ist der talentierteste Schweizer Goalie seiner Generation. Wer Langnau in die Playoffs bringt, müsste doch auch Gottéron zum Meister machen können. Aber eben: Der Fluch des Drachen.

Schon vor einem Jahr raubte der Drachen Gottéron den Titel. Im Final gegen den SC Bern hatte Benjamin Conz bei den vier Niederlagen folgende Fangquoten: 84,21 Prozent, 85,71 Prozent, 80,95 Prozent, 84,21 Prozent. In den Playoffs braucht es in der Regel eine Quote von über 92 Prozent zum Sieg.

Und nun wieder zur Gegenwart: Beim 2:4 im ersten Halbfinal gegen die Flyers am Donnerstag in Fribourg waren zwei Treffer haltbar. 83,33 Prozent Abwehrquote für Benjamin Conz. Aber 95,12 Prozent für Klotens Martin Gerber. Diskussion überflüssig. Diese Zahlen und Fakten sagen uns: Benjamin Conz ist ein Lottergoalie. Benjamin Conz zu loben, wäre reziproke Polemik.

Benjamin Conz steht in der Kritik.
Benjamin Conz steht in der Kritik.Bild: Daniela Frutiger

Beim 2:3 n.V. im zweiten Spiel in Kloten sind die Zahlen und Fakten nicht so eindeutig. 92,63 Prozent Abwehrquote für Benjamin Conz. 94,87 Prozent für Klotens Martin Gerber. Wir müssen ein wenig polemisieren.

Das Problem. Goaliefehler wiegen gegen dieses Kloten im Quadrat schwerer als gegen gewöhnliche Gegner. Aus taktischen Gründen: Wer gegen Kloten in Rückstand gerät, ist schon fast verloren. Dann verwalten die Zürcher den Vorsprung nämlich mit dem langweiligsten Defensivhockey aller Zeiten, Länder und Ligen überaus erfolgreich. So wie der SCB im letzten Frühjahr. Eine Chance hat gegen dieses Kloten nur, wer in Führung geht und die Klotener dazu zwingt, das Spiel zu öffnen.

Genau das schien Gottéron am Samstag zu gelingen. Marcel Jenni verliert in der eigenen Zone die Scheibe und ermöglichte Tristan Vauclair das 1:0. Kloten bewahrt zwar Ruhe. Aber die Zeit arbeitet jetzt für Gottéron. Irgendwann wird Kloten das Spiel öffnen müssen. Da ereilt Benjamin Conz der Fluch des Drachen. Er lässt einen Schuss von Tommi Santala zum 1:1 zwischen den Beinen durch ins Netz rutschten. 

Eines der haltbarsten Tore aller Länder, Playoffs und Zeiten. Wie ein Torhüter mit dem Talent von Benjamin Conz einen solchen Treffer in einem so entscheidenden Moment kassieren kann, ist hockeytechnisch und psychologisch nicht zu ergründen. Erst die alten Sagen und Mythen aus dem Tal der Gottéron liefern uns die Erklärung: Der Fluch des Drachen. 

Die Gottéron-Fans wollen endlich den ersten Meistertitel bejubelnBild: Keystone

Gottéron gerät in Rückstand (1:2). Später gelingt der Ausgleich. Aber nie mehr die Führung. Kloten muss seine bewährte Defensiv-Taktik nicht ändern. In der Verlängerung verliert Sebastien Schilt an der offensiven blauen Linie die Scheibe und Victor Stancescu schliesst den blitzschnellen Kontern zum 3:2 ab (66.).

Ein grosser Goalie hätte dies vielleicht verhindert. Aber Gottéron hat keinen grossen Goalie. Im Wortsinne: Mit seiner Postur (179 cm) deckt Benjamin Conz einfach zu wenig Fläche ab und tendiert dazu, sich in solchen Situationen zu ducken statt sich breit zu machen. Die Klotener haben das in Zeiten des Videostudiums längst erkannt. Sie schiessen die Pucks hoch ins Netz.

Dave King, der charismatische kanadische Hockeylehrer und Coach pflegt seine Taktik-Seminare mit dem Satz zu beenden: «Aber wenn sie keinen guten Torhüter haben, dann vergessen sie alles wieder was sie soeben gehört haben …»

Dave King ist sich sicher: Ohne guten Goalie hast du keine Chance.
Dave King ist sich sicher: Ohne guten Goalie hast du keine Chance.Bild: Keystone

Gut möglich, dass das alles für die Katz ist, was Hans Kossmann in dieser Saison getan hat, seine Trainings, seine klugen Transfers. Weil er keinen guten Goalie hat.

Paul-André Cadieux war der Coach in den 1990er Jahren, der wegen Dino Stecher nicht Meister wurde. Der temperamentvolle eingebürgerte Kanadier wehrt sich vehement gegen diese Sicht der Dinge. «Es ist unfair, immer dem Torhüter die Schuld zuzuschieben», sagt er. Und setzt zu einem Plädoyer für Benjamin Conz an und rügt Sébastien Schilt für den Scheibenverlust, der direkt zum 3:2 für Kloten geführt hat. «Und was ist mit Gottérons Offensive? Kein Tor der Bykow-Linie in den ersten zwei Partien.» Tatsächlich hat Gottérons legendäre erste Formation (Plüss, Bykow, Sprunger) im Halbfinal noch nicht getroffen. Paul-André Cadieux weiss warum: «Es fehlt die Entschlossenheit.» Er meint damit den «heiligen Zorn», die Leidenschaft, die doch sonst Gottéron antreibt. Auch das stimmt.

Paul-Andé Cadieux ist nicht einverstanden mit der Kritik an Conz.
Paul-Andé Cadieux ist nicht einverstanden mit der Kritik an Conz.Bild: Keystone

Aber wenn Benjamin Conz das 1:1 nicht zugelassen, wenn er mit einem «Big Save» das 2:3 verhindert hätte, dann würde kein Mensch mehr über Sébastien Schilts Fehler und die Torproduktion des Sprunger-Sturmes reden. So wie jetzt kein Mensch über Marcel Jennis Scheibenverlust spricht, der Gottéron die 1:0-Führung ermöglichte und keiner über Martin Gerbers Fehler, der zum 2:2 führte. 

Am Ende des Tages entscheidet immer der Torhüter. Deshalb ist er im Sieg ein Held und in der Niederlage der Depp. Erst recht bei Gottéron in Zeiten der Playoffs. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
4 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
4
Aktionäre des FC Basel haben eine verdeckte Firma – ihr unvollständiges Geständnis
Die FCB-Aktionäre haben eine «geheime» Firma, die Horizon2026. Eine Finanzierungsgesellschaft für Transfergeschäfte schwebte Präsident Degen schon vor, als er noch Minderheitsaktionär des Klubs war.

Der Druck wurde zu hoch. In einer konzertierten Aktion hat der Verwaltungsrat des FC Basel um dem Präsidenten David Degen gegenüber dem Vereinsvorstand sowie gegenüber einzelnen Medien eingestanden: Mit der Horizon2026 AG führen sie eine bisher geheim gehaltene Firma, mit der sie als Aktionäre seit 2021 zusätzliches Geld in den Klub pumpen.

Zur Story