watson in Sambia

watson in Sambia: Kein Platz, kein Schlaf, kein Essen, keine Stühle, kein Internet – es fehlt an allem, nur an einem nicht

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Und dieser etwas kahle Gang führt zu unserem Büro. Ganz hinten links.
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Hartes Studentenleben

watson in Sambia: Kein Platz, kein Schlaf, kein Essen, keine Stühle, kein Internet – es fehlt an allem, nur an einem nicht

Das Studentenleben in Sambia wartet mit ganz anderen Herausforderungen auf, als dasjenige in der Schweiz. 
05.12.2014, 10:2305.12.2014, 17:34
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Reto Fehr, sambia
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«Wenn du glaubst Bildung sei teuer, dann probier aus, was Unwissenheit kostet.» («If you think education is expensive, try ignorance.») Das Zitat stammt vom ehemaligen Harvard-Präsidenten Derek Bok. Den Studenten an der Universität von Sambia werden die Kosten von Bildung täglich vor Augen geführt. Dabei investieren sie einen Grossteil ihrer Energie dafür, überhaupt am Uni-Betrieb teilzunehmen.

Es fehlt sicher immer irgendetwas. Dies können für uns selbstverständliche Dinge sein wie Stühle. In unserem Department herrscht ein ständiger Mobiliar-Austausch zwischen den Klassenräumen. War zuvor im Raum A eine Vorlesung, schleppen jetzt alle irgendwelche Stühle oder manchmal auch Tischchen in Raum B. Kommt ein Student zu spät, schaut er erst in den anderen Zimmern, ob er noch irgendwo eine tragbare Sitzmöglichkeit findet. Da die Türen wegen der Hitze in den Zimmer meist offen stehen, kommen auch während unseren Stunden immer wieder Studenten aus anderen Klassenräumen rein, die hoffen noch irgendwo einen Stuhl abzügeln zu können.

Ein Tischchen, ein Stuhl für zwei Personen.
Ein Tischchen, ein Stuhl für zwei Personen.Bild:  watson

Chaos ist garantiert

Während Gruppenarbeiten geht es dann um moderneres Material. Längst nicht jeder Student kann sich einen Laptop leisten. Daher sind sie ständig auf der Suche nach funktionierenden Computern oder zumindest nach USB-Sticks, um sich Daten speichern und dann irgendwann, irgendwo, irgendwie weiterarbeiten zu können. USB-Sticks sind allerdings ebenfalls keine Selbstverständlichkeit. Daten werden daher auch mal bei Kollegen zwischengespeichert oder auf irgendeinem Gerät im Computerraum. 

Man kann sich das Chaos vorstellen. Hat man beispielsweise grad mal einen USB-Stick, muss der Computer mit den eigenen Daten drauf auch noch frei sein und das mit der Internetverbindung sollte dann auch noch grad klappen. Ansonsten kommt es zu Verspätungen bei Abgabeterminen von Aufgaben. Wir haben beispielsweise Artikel per Mail bis 18 Uhr eingefordert. Vielleicht die Hälfte der Dokumente erhalten wir pünktlich. Der Rest trifft irgendwann bis nachts um 1.45 Uhr ein. Oder kommt dann am nächsten Morgen per USB-Stick. Oder manchmal auch erst zwei Tage später mit dem Hinweis, dass man erst jetzt Computer, Internet und Zeit gefunden habe. 

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Besuch bei der Freundin eine riesige Organisation

Technische Probleme gibt's natürlich inklusive. Mal gibt ein Laptop den Geist auf, mal bleibt die Speicherkarte im Gerät stecken. Wir erhalten Arbeiten via Facebook oder die Bilder zu Artikeln via WhatApp, weil grad irgendwas mit der Email-Adresse nicht klappt. Teilweise treffen Sammel-Emails mit Arbeiten ein, weil ein Student die USB-Sticks seiner Kollegen gesammelt hat, da er als einziger eine Internetverbindung garantieren kann. Wobei Garantie hier ein sehr mutiger Ausdruck ist.

Wer einen Laptop besitzt, kann sich glücklich schätzen.
Wer einen Laptop besitzt, kann sich glücklich schätzen.Bild: watson

Diese ständige Suche zehrt an den Energiereserven der Studenten. Dazu kommen die Probleme im Alltag. In Besenkammern mit bis zu sieben Mitstudenten zu wohnen ist organisatorisch eine Herkulesaufgabe. Will beispielsweise der Freund/die Freundin zu Besuch kommen, müssen die Mitbewohner ins «Exil» geschickt werden. Denn diese wollen dann ja auch wieder irgendwo ein Plätzchen zum lernen oder kochen oder schlafen oder für Zeit mit ihrem Herzallerliebsten finden. Und wie teilt man sich ein Pult pro Zimmer auf, wenn alle am nächsten Tag irgendwelche Arbeiten abgeben müssen?

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Leiter Unternehmensentwicklung Sven Ruoss und Sportchef Reto Fehr führen in Zusammenarbeit mit der Schweizer Hilfsorganisation B360 Education Partnerships an der Universität von Lusaka (UNZA) in Sambia ein zweiwöchiges Modul über Online-Journalismus durch. Die Studenten erhalten dabei wertvolle Inputs für ihre Newsplattform Lusaka Star. Die Zeitung wurde vor rund zwei Jahren mit Unterstützung der Zürcher Agentur Mediaschneider in ein Online-Portal umgewandelt und wird vom Studiengang Mass Communication betreut.

Frühstück meist die einzige Mahlzeit

Dazu kommt der Schlafmangel. Irgendjemand löscht sicher erst um Mitternacht das Licht und ein anderer muss schon um 5 Uhr aufstehen, denn bei einer Dusche und höchstens zwei Toiletten pro Etage sind lange Wartezeiten vorprogrammiert. Und sowieso: Wie frühstücke ich, wenn das ganze Zimmer mit Matratzen und schlafenden Mitstudenten belegt ist?

Dieses Zimmerchen teilen sich vier Studenten. Privatsphäre ist ein Fremdwort.
Dieses Zimmerchen teilen sich vier Studenten. Privatsphäre ist ein Fremdwort.Bild: watson

Dabei ist das Frühstück aus finanziellen Gründen für viele Studenten die einzig richtige Malzeit. Ständiger Hunger und Durst – die in den seltensten Fällen gestillt werden können – in den stickigen Räumen mit weit über 30 Grad führen zu Unwohlsein, Kopfweh und Energielosigkeit. Wie soll man so noch voll aufnahmefähig sein?

Worin trotz all den Unzulänglichkeiten meist kein Mangel besteht, ist am Willen etwas zu lernen. Auch wenn der Weg über endlose Umwege führt und das Ziel erst zwei Tage nach dem eigentlichen Abgabetermin erreicht wird: Am Ende haben praktisch alle die Aufgaben irgendwie gelöst. Denn sie wissen: So hoch ihre Aufwände an der besten Bildungsstätte des Landes auch sein werden. Es ist immer noch billiger als Unwissenheit. 

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