Von Folterstaat oder einem der brutalsten Militärregimes ist die Sprache, wenn es um die Beschreibung von Eritrea geht, einem Land mit sechs Millionen Einwohnern an der afrikanischen Ostküste. Doch stimmt das wirklich? Differenzierter ist die Sichtweise von denjenigen, die das Land regelmässig besuchen. Wie beispielsweise die des Jurastudenten Metkel Yosief oder des ehemaligen IKRK-Mitarbeiter Pablo J. Loosli.
Die offizielle Schweiz ist in Eritrea nicht vertreten. Bis 2005 kamen pro Jahr nie mehr als 260 Flüchtlinge aus Eritrea hierher. Seither ist die Schweiz aber eines der beliebtesten Ziele vieler Eritreer. Die Zahl der Asylgesuche hat rasant zugenommen. Hauptgrund dafür ist ein Entscheid der Asylrekurskommission vor neun Jahren: Dienstverweigerer und Deserteure sind als Flüchtlinge anzuerkennen.
Der Rekordstand an Gesuchen wurde dieses Jahr erreicht. 5721 Begehren gab es von Juli bis September. Zwar hat das Stimmvolk 2013 beschlossen, Wehrdienstverweigerern den Flüchtlingsstatus abzusprechen, aber ohne erkennbare Folgen. Entscheidend war ein Bundesgerichtsurteil vom Mai, wonach alle Eritreer, die ihr Land illegal verlassen, als Flüchtlinge anerkannt werden.
15'501 Eritreer leben heute als Flüchtlinge oder vorläufig aufgenommene Personen in der Schweiz. Weitere 9515 befinden sich im Asylprozess. Die Chance, dass sie hier bleiben können, ist gross. Gemäss Bundesamt für Migration (BFM) erhalten 90 Prozent der Eritreer Asyl oder werden vorläufig aufgenommen, weil eine Wegweisung ins Land als unzulässig, unzumutbar oder unmöglich erachtet wird.
Die FDP will nun aber in der Wintersession einen Vorstoss einreichen, damit der Bund prüft, ob Rückreisen nach Eritrea nicht doch möglich wären. Dies bestätigt FDP-Präsident Philipp Müller gegenüber der «Schweiz am Sonntag». «Der Bundesgerichtsentscheid hatte eine enorme Sogwirkung auf die Einreise von Eritreern», sagt er. Die Asylsuchenden wüssten, dass sie in der Regel nicht mehr heimmüssen. «Das setzt ein falsches Signal», sagt Müller.
Er will deshalb zusätzlich auch ein neues Bundesgerichtsurteil provozieren. «Mir geht es darum, dass die Situation in Eritrea neu eingeschätzt wird.» Unterstützung erhält er vom Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister. Er sagt: «Die Lage in Eritrea einzuschätzen ist nicht einfach. Eine genauere Überprüfung unterstütze ich daher.»
Die Forderung der FDP ist nicht unumstritten. So sind laut Amnesty International Tausende Eritreer als politische Häftlinge inhaftiert. Ebenfalls kritisiert die Organisation den Militärdienst auf unbestimmte Zeit stark. Die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker warnt denn auch davor, Asylsuchende zu früh nach Eritrea zurückzuschaffen. «Ich gehe davon aus, dass das BFM die Lage in Eritrea sorgfältig prüft. Daher sehe ich keinen Handlungsbedarf und auch keinen Grund diesbezüglich Druck zu machen», sagt Schenk.
Wie häufig das BFM die Lage vor Ort überprüft, war vom Amt nicht zu erfahren – ebenfalls nicht, wann zuletzt ein Bund-Mitarbeiter in Eritrea war.
Europa tut den Ländern in Not nichts Gutes, wenn man ihnen die Aufbaufähigen wegnimmt. Man kann Gutes beabsichtigen und trotzdem schlecht handeln. Man muss den Regionen in Not helfen, indem vor Ort die Dinge besser werden, nicht indem man die Massen dort weggehen lässt und hier aufnimmt. Damit verschlimmert es sich dort nur.