Die Stimmung im Restaurant Grosse Schanze über dem Berner Bahnhof ist ausgelassen, die Grünen stecken hier entspannt ihre Niederlage in der Atomausstiegs-Abstimmung weg. Ein paar wenige sind enttäuscht, die meisten frohen Mutes. Das mag an der tollen Aussicht liegen, oder am eigenen «Ausstiegs-Bier», das zuhauf in die Hände der Politiker und Aktivisten wandert – vor allem aber ist der ungebrochene Optimismus der Grünen daran schuld.
Frau Rytz, warum strahlen Sie denn so, Sie haben doch verloren!
Wenn man eine Initiative macht, will man sie natürlich gewinnen. Aber 46 Prozent ist ein gutes Resultat. Die Unterstützung aus der Romandie, wo es sonnenklar scheint, dass wir aus der Atomenergie aussteigen müssen, ist eindrücklich. Das heisst für uns: weitermachen! Ich sehe die Abstimmung deshalb nicht als Niederlage. Es ist so, wie es ist, und wir werden feiern.
Feiern trotz Niederlage: Es sei eine gute Kampagne gewesen, sagen die Grünen. Logo, sie haben Ausstiegsbier! #abst16 pic.twitter.com/cwFGxO2hvs
— Daria Wild (@dabladaria) 27. November 2016
Aber es hat klar nicht gereicht. Wo sehen Sie die Fehler?
Nun, das werden wir noch genau analysieren müssen. Wenn die Initiative allein gekommen wäre, hätte sie wohl mehr Chancen gehabt. Aber es wurde ein Gegenvorschlag präsentiert, mit dem sich offenbar eine Mehrheit wohler fühlt. Viele haben sich in der Schlussphase einfach durch das Argument der Gegner, der Ausstieg würde Blackouts zur Folge haben, verunsichern lassen, und Bedenken auf die Seite geschoben, weil sie möglichst billigen Strom wollen. Aber: Die Energiewende ist in der Bevölkerung beschlossen. Offen ist nur die Frage, wie schnell und zu welchen Bedingungen. Der Plan Ausstiegs-Initiative ist nicht aufgegangen. Jetzt kommt Plan B.
Was ist Plan B?
Wir haben mit dieser Kampagne der Energiestrategie den Weg geebnet. Viele Parlamentarier haben im Abstimmungskampf gesagt, der Atomausstieg sei zu schnell, die Energiestrategie 2050 sei der richtige Weg. Das ist ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz. Sogar SVP-Präsident Albert Rösti sagte, es könne nicht sein, dass man dreckigen Kohlestrom importiere. Das heisst ja, der ganze Widerstand gegen die Dreckstromabgabe wird sich in Luft auflösen. Wenn diese Leute Wort halten, haben wir eine klare Mehrheit, die die Energiestrategie unterstützt. In diesem Sinne war dieser Abstimmungskampf die Vor-Kampagne.
Was planen Sie konkret?
Es gibt viele Probleme, die wir jetzt anpacken müssen: die Endlagerung, die bei weitem nicht gelöst ist und deren Kostenbericht erst jetzt veröffentlicht wird, und die Sicherheitsfrage, die Stärkung der Atomaufsichtsbehörde ENSI, die zu wenige Instrumente hat, um die AKW im richtigen Moment abzustellen. Wir wollen auch das Langzeitbetriebskonzept wieder in den parlamentarischen Prozess einbringen, das seit dieser Kampagne bei den Mitteparteien wieder auf mehr Unterstützer stösst. Auch eine Folge der Kampagne ist übrigens, dass wir sehr viele Informationen aus den Betrieben und vom ENSI bekommen haben.
Was für Informationen?
Die kann ich hier nicht zitieren. Beim AKW Leibstadt beispielsweise war die Leistungserhöhung der Grund, dass das Kraftwerk in einem so schlechten Zustand ist. Es wäre gefährlich, wenn die AKW wieder ans Netz gingen. Insbesondere AKW von Betreibern, die kein Geld für die Sicherheit haben.
Die Betreiber werden jetzt mit Forderungen nach Subventionen kommen.
Das werden wir keine Sekunde lang akzeptieren. Ohne Ausstieg, ‹no money›. Wir werden in eine ähnliche Situation kommen wie bei der Swissair, dass die AKW in einer so desolaten Situation sind, dass sie ihre Betriebe verschenken werden. Aber von uns gibts keine Subventionen und keine Finanzhilfen.
Die SVP wird das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 ergreifen. Sehen Sie da eine Gefahr?
Nein. Der Gegenvorschlag zu unserer Initiative wird durchkommen. Würde jemand aus den Mitteparteien umschwenken, wäre das ein enormes Eigengoal. So, und jetzt gehe ich feiern.