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Wirtschaft

Interview mit Grünen-Präsidentin Regula Rytz

Gruene-Praesidentin und Nationalraetin Regula Rytz, BE, aeussert sich zum Abstimmungsresultat der Atomausstiegsinitiative am Sonntag, 27. November 2016 in Bern. (KEYSTONE/Thomas Hodel)
Regula Rytz in der Grossen Schanze in Bern.Bild: KEYSTONE
Interview

Grünen-Präsidentin im Verlierer-Interview: «Wir werden in eine Swissair-Situation kommen»

Die Grünen haben den Abstimmungskampf verloren, die Schweiz sagt Nein zum geordneten Atomausstieg bis 2029. Grünen-Präsidentin Regula Rytz ist trotzdem zum Feiern zumute. Die Kampagne habe viel erreicht. 
27.11.2016, 18:1728.11.2016, 13:46
Daria Wild
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Die Stimmung im Restaurant Grosse Schanze über dem Berner Bahnhof ist ausgelassen, die Grünen stecken hier entspannt ihre Niederlage in der Atomausstiegs-Abstimmung weg. Ein paar wenige sind enttäuscht, die meisten frohen Mutes. Das mag an der tollen Aussicht liegen, oder am eigenen «Ausstiegs-Bier», das zuhauf in die Hände der Politiker und Aktivisten wandert – vor allem aber ist der ungebrochene Optimismus der Grünen daran schuld.

Frau Rytz, warum strahlen Sie denn so, Sie haben doch verloren!
Wenn man eine Initiative macht, will man sie natürlich gewinnen. Aber 46 Prozent ist ein gutes Resultat. Die Unterstützung aus der Romandie, wo es sonnenklar scheint, dass wir aus der Atomenergie aussteigen müssen, ist eindrücklich. Das heisst für uns: weitermachen! Ich sehe die Abstimmung deshalb nicht als Niederlage. Es ist so, wie es ist, und wir werden feiern.

Aber es hat klar nicht gereicht. Wo sehen Sie die Fehler?
Nun, das werden wir noch genau analysieren müssen. Wenn die Initiative allein gekommen wäre, hätte sie wohl mehr Chancen gehabt. Aber es wurde ein Gegenvorschlag präsentiert, mit dem sich offenbar eine Mehrheit wohler fühlt. Viele haben sich in der Schlussphase einfach durch das Argument der Gegner, der Ausstieg würde Blackouts zur Folge haben, verunsichern lassen, und Bedenken auf die Seite geschoben, weil sie möglichst billigen Strom wollen. Aber: Die Energiewende ist in der Bevölkerung beschlossen. Offen ist nur die Frage, wie schnell und zu welchen Bedingungen. Der Plan Ausstiegs-Initiative ist nicht aufgegangen. Jetzt kommt Plan B. 

Was ist Plan B?
Wir haben mit dieser Kampagne der Energiestrategie den Weg geebnet. Viele Parlamentarier haben im Abstimmungskampf gesagt, der Atomausstieg sei zu schnell, die Energiestrategie 2050 sei der richtige Weg. Das ist ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz. Sogar SVP-Präsident Albert Rösti sagte, es könne nicht sein, dass man dreckigen Kohlestrom importiere. Das heisst ja, der ganze Widerstand gegen die Dreckstromabgabe wird sich in Luft auflösen. Wenn diese Leute Wort halten, haben wir eine klare Mehrheit, die die Energiestrategie unterstützt. In diesem Sinne war dieser Abstimmungskampf die Vor-Kampagne.

«Es wäre gefährlich, wenn die AKW wieder ans Netz gingen, von Betreibern, die kein Geld für die Sicherheit haben.»

Was planen Sie konkret?
Es gibt viele Probleme, die wir jetzt anpacken müssen: die Endlagerung, die bei weitem nicht gelöst ist und deren Kostenbericht erst jetzt veröffentlicht wird, und die Sicherheitsfrage, die Stärkung der Atomaufsichtsbehörde ENSI, die zu wenige Instrumente hat, um die AKW im richtigen Moment abzustellen. Wir wollen auch das Langzeitbetriebskonzept wieder in den parlamentarischen Prozess einbringen, das seit dieser Kampagne bei den Mitteparteien wieder auf mehr Unterstützer stösst. Auch eine Folge der Kampagne ist übrigens, dass wir sehr viele Informationen aus den Betrieben und vom ENSI bekommen haben.

Was für Informationen?
Die kann ich hier nicht zitieren. Beim AKW Leibstadt beispielsweise war die Leistungserhöhung der Grund, dass das Kraftwerk in einem so schlechten Zustand ist. Es wäre gefährlich, wenn die AKW wieder ans Netz gingen. Insbesondere AKW von Betreibern, die kein Geld für die Sicherheit haben.

Die Betreiber werden jetzt mit Forderungen nach Subventionen kommen. 
Das werden wir keine Sekunde lang akzeptieren. Ohne Ausstieg, ‹no money›. Wir werden in eine ähnliche Situation kommen wie bei der Swissair, dass die AKW in einer so desolaten Situation sind, dass sie ihre Betriebe verschenken werden. Aber von uns gibts keine Subventionen und keine Finanzhilfen.

Die SVP wird das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 ergreifen. Sehen Sie da eine Gefahr?
Nein. Der Gegenvorschlag zu unserer Initiative wird durchkommen. Würde jemand aus den Mitteparteien umschwenken, wäre das ein enormes Eigengoal. So, und jetzt gehe ich feiern.

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Froggr
27.11.2016 18:49registriert Februar 2016
Was zur Hölle?? Wie kann eine verlorene Abstimmung erfolgreich sein? Mit dieser Einstellung kommt man in der Politik aber auch im Leben nicht sonderlich weit.
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Madison Pierce
27.11.2016 20:30registriert September 2015
Frau Rytz hat recht: Die Ablehnung der Initiative bedeutet nicht, dass das Volk die alten AKW noch ewig am Netz haben will.

Von mir aus kann man zumindest Beznau und Mühleberg sofort abstellen. Aber der Initiativtext war so formuliert, dass sämtliche Kernenergie in der Verfassung verboten worden wäre. Technologieverbote auf Verfassungsebene sind sehr schlecht. Die Technik entwickelt sich weiter und wenn irgendwann inhärent sichere Reaktoren oder gar die Kernfusion kommen, hätten wir ein Verbot, welches man nur umständlich wieder entfernen kann. Mit einem anderen Text wäre ich dafür gewesen.
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wasylon
27.11.2016 23:08registriert August 2015
"Aber 46 Prozent ist ein gutes Resultat. Die Unterstützung aus der Romandie, wo es sonnenklar scheint, dass wir aus der Atomenergie aussteigen müssen, ist eindrücklich. Das heisst für uns: weitermachen! "
Frau Rytz zur Erinnerung die bisherigen Abstimmungsergebnisse von Atomausstieginitiativen:
1984 ja 45% 1990 ja 47,1 2003 ja 34,7%
Das Schweizer Volk steht der Kernkraft also kritisch gegenüber, lehnt sie aber auch nicht durchweg ab.
Ausser einem 10-jährigen Moratorium, gab es bisher keine Beschränkungen auf nationaler Ebene.
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