Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Früher achtete das Volk sorgenvoll auf die Launen der Kaiser und Könige. Um gegen die Gefahren des Alltages gewappnet zu sein. Und so ist es noch heute im grössten nationalen Hockeykönigreich. In Bern. Beim SC Bern, dem Hockeykonzern mit über 50 Millionen Umsatz. Sage mir, wie König Marc Lüthi gelaunt ist und ich sage dir, wie es um seine Untertanen beim SCB steht.
So wie den alten Bauern die Flughöhe der Schwalben, das Haarkleid des Hofhundes oder die Höhe der Maulwurfshaufen viel mehr über das kommende Wetter sagt als der Wetterbericht, so ist das Wesen und Wirken von Marc Lüthi viel aufschlussreicher als alle offiziellen Erklärungen der verschiedensten SCB-Lohnempfänger.
Auf den ersten Blick gibt es keinen Grund zur Sorge und schon gar keinen zur Polemik. Der SCB steht in der Tabelle auf dem 4. Platz. Acht Punkte zwar hinter Rang 3 und mit nur zwei Verlustpunkten Reserve auf den Strich. Aber das ist in dieser ausgeglichenen Meisterschaft noch lange kein Grund zur Unruhe.
Doch so wie der Mensch nicht vom Brot alleine, so lebt der SCB halt nicht alleine von Siegen und deshalb ist auch nach dem 4:1 gegen Biel noch keine Ruhe eingekehrt. Die Berner sind wirtschaftlich gerade deshalb so erfolgreich (in diesem Jahrhundert immer Gewinn und die höchsten Zuschauerzahlen Europas), weil Marc Lüthi den SCB als Unternehmen der Unterhaltungsindustrie positioniert. Er betrachtet die Zuschauerinnen und Zuschauer als seine Kunden und ihre Zufriedenheit ist ihm sehr wichtig. Er will, dass die Mannschaft etwas bietet. Es muss «räble», rocken und rollen, wenn der SCB auftritt.
Die Ansprüche des Publikums und des Managements sind nirgends so hoch wie in Bern – und daher steht der Trainer auch unter Druck. Wir haben es am vergangenen Wochenende wieder einmal erlebt. Der SCB hat gegen Biel soeben vor 15'903 Zuschauerinnen und Zuschauern 4:1 gewonnen. Eigentlich ein Grund zur Freude. Aber es ist die tiefste Zuschauerzahl in einem Derby gegen Biel seit 2013 und 1234 weniger als beim letzten Heimspiel gegen diesen Gegner. Richtig «gräblet» hat es auch nicht. Das hat einen Grund: am Vorabend haben sich die Berner in Langnau mit einer 2:4-Niederlage blamiert und diese Pleite hat beim SCB Spuren hinterlassen.
Die Episode wird von Gewährsleuten verbürgt und ist mit grossem Vergnügen noch am Abend der 2:4-Niederlage in einem vornehmen Wirtshaus in Langnau erzählt worden: Marc Lüthi hat dem Schauspiel im Ilfis-Tempel auf Einladung des Präsidenten oben auf der Jakob-Galerie beigewohnt. Nach dem Spiel habe er sich mit der Bemerkung verabschiedet: «Jetzt zitierte ich den Boucher ins Büro!» Und zuvor etwas gebrummt wie «das ist den Fans nicht mehr zuzumuten.»
Solche Berichte alarmieren und elektrisieren. Dann ist der Trainer in Gefahr. Tatsächlich bieten die SCB-Spiele unter Trainer Guy Boucher kaum mehr Unterhaltung. Um es in einem Satz zu sagen: Die talentierteste und teuerste SCB-Mannschaft aller Zeiten arbeitet Hockey. Sie spielt nicht mehr. Ist der Unterhaltungswert gering, dann ist in Bern der Trainer schuld.
Am 21. Oktober 2011 hat Marc Lüthi seinen Meistertrainer Larry Huras nach einer Niederlage gegen die ZSC Lions wegen langweiliger Spielweise gleich standesrechtlich entlassen. Die Mannschaft stand damals besser da als heute: Zwar «nur» auf Rang 5, aber bloss zwei Punkte hinter dem Dritten und mit elf Zählern Reserve auf den Strich.
Musste also Guy Boucher am Samstagvormittag nach der schmählichen Niederlage in Langnau und vor der Partie gegen Biel beim Chef antraben? Wenn ja, dann ist er wirklich in Gefahr. Denn Marc Lüthi greift nur ein, wenn es brennt. Ansonsten lässt er die Sportabteilung arbeiten.
Marc Lüthi ist nicht nur der charismatischste Sportmanager des Landes. Er ist auch ein grandioser Kommunikator, der auf der Tastatur der Medien spielt wie auf einem Piano. Also haben mehrere Chronisten, auch einer vom Boulevard, versucht, ihn zu fragen, was mit dem Trainer war. Per SMS und per Hosentelefon. Mehrmals. Am Samstag und am Sonntag.
Aber Marc Lüthi hat, ganz und gar gegen seine Gewohnheit, nicht geantwortet und zum Thema gegenüber jenen nicht-bernischen Medien geschwiegen, die er nicht im Griff hat und die nicht nach seiner Pfeife tanzen. Weder Dementi noch Bestätigung. Das vielsagende Schweigen des Managers. Kein Schelm, wer sagt: wenn Marc Lüthi nach aussen schweigt, ist er nach innen umso lauter.
Marc Lüthi ist ein anständiger, freundlicher Mann. Gerade deshalb ist im Gedächtnis der Chronisten eine Szene nach dem freitäglichen 2:4 in Langnau haften geblieben: Der SCB-General verlässt eilenden Schrittes, mit steinerner Miene und die Hände tief in der schicken schwarzen Lederjacke vergraben, wort- und grusslos den Kabinengang. Kein Schelm, wer sagt: Je früher es Guy Boucher gelingt, die Miene seines Chefs mit Siegen und Spektakel wieder aufzuhellen, desto besser. Das dürfte ja nicht so schwierig sein. Er hat eine Mannschaft zur Verfügung, die bei weitem gut genug ist, um diese Meisterschaft zu gewinnen.