Was ist nur aus dem Grande Inter passiert? 2010 standen die «Nerazzurri» an der Spitze Europas. Sie gewannen unter José Mourinho das «Triple»: Champions League, Cup und Meisterschaft. Es war der fünfte «Scudetto» in Folge. Doch seither ging es nur noch bergab: Jahrelange Misswirtschaft, fragwürdige Kaderplanung und ständige Trainerwechsel – neun seit dem Champions-League-Titel – haben den Verein sportlich wie finanziell ruiniert.
Und ein Ende scheint nicht in Sicht. Der neuste Negativ-Höhepunkt: Das vorzeitige Aus in der Europa League, bereits am vorletzten Spieltag, mit einem 2:3 gegen den israelischen Meister Hapoel Be'er Scheva, trotz 2:0-Führung. Dabei waren die Gegner von bescheidenem Format: Sparta Prag, Southampton und eben Be'er Scheva – nicht die grössten Namen im europäischen Fussball.
Dabei hatten die Inter-Fans vor der Saison endlich Hoffnung, dass es nach teils blamablen Jahren wieder aufwärts gehen könnte. Im Juni 2016 kaufte der chinesische Haushaltsgeräthersteller Suning den italienischen Traditionsverein – mit dem Versprechen, Inter wieder zu alter Grösse zurückzuführen.
Arriva il momento dello scambio di maglie tra #Inter e #Suning con i due vice presidenti @javierzanetti e Gong Lei pic.twitter.com/u0LoKpHdic
— F.C. Internazionale (@Inter) 6. Juni 2016
Und tatsächlich: 153 Millionen machte Suning-Boss Zhang Jindong im Sommer für neue Spieler locker, mit dem portugiesischen 40-Millionen-Europameister Joao Mario als designierten Königstransfer. Ausserdem wurden der italienische Nationalspieler Antonio Candreva und die brasilianische Nachwuchshoffnung Gabriel Barbosa verpflichtet. Die Erwartungen waren riesig.
Doch schon bald tauchten wieder dunkle Wolken am ohnehin schon schwarz-blauen Inter-Himmel auf. Nach wochenlangem Hin und Her trennten sich Inter und Trainer Roberto Mancini kurz vor Saisonstart. Der Meistermacher aus Premier League (Manchester City) und Serie A (Inter) war den neuen Besitzern aber zu einflussreich bei strategischen Entscheiden.
Unter dem Indonesier Erick Thohir durfte Mancini in der englischen Manager-Rolle sämtliche Transfers im Alleingang tätigen. Jingdong hatte aber eine andere Idee: Der iranisch-englische Geschäftsmann Kia Joorabchian, der sich einst mit dem Doppeltransfer von Carlos Tevez und Javier Mascherano zu West Ham einen Namen machte, flüsterte ihm ins Ohr, man solle doch auf junge Spieler mit Entwicklungspotenzial setzen und diese dann teuer verkaufen. Mancini hätte gerne ein paar Routinier wie beispielsweise seinen ManCity-Spielmacher Yaya Touré verpflichtet.
Die Suche nach dem Nachfolger widerspiegelt gut, was bei Inter derzeit falsch läuft. Die Chinesen pochten auf einen grossen internationalen Namen wie Laurent Blanc, Ex-Patron Massimo Moratti wollte den Brasilianer Leonardo zurückholen, der Favorit von Präsident Thohir war der Holländer Frank de Boer, der schliesslich das Rennen machte.
Nach dem Motto «Zu viele Köche verderben den Brei» lief es auch bei den Transfers ab. Man holte innerhalb von kurzer Zeit Spieler wie Xherdan Shaqiri, Lukas Podolski, Davide Santon, Stevan Jovetic oder João Mario – Hauptsache bekannt und teuer, könnte man fast meinen. Passend zur fehlenden Strategie wurden Shaqiri und Podolski nach einem halben Jahr bereits wieder verkauft.
Doch unter De Boer wurde es nicht besser. Er liess die wild zusammengewürfelte Inter-Truppe im «Oranje-4-3-3» auflaufen. Ein Fehler: Nach nur 84 Tagen und einer Siegquote von unter 50 Prozent wurde der 46-Jährige Anfang November bereits wieder entlassen. Dass das Management dem Coach nicht den Rücken stärkte, sondern ihn als Sündenbock entliess, traf selbst bei den hartgesottenen Inter-Tifosi auf Unverständnis.
Nun darf sich der Italiener Stefano Pioli versuchen, der zuletzt bei Lazio gute Arbeit verrichtete. Auch er ist aber wohl nur ein Trainer auf Zeit. Denn in Mailand weiss man längst, wer Inter wieder an die nationale und internationale Spitze führen soll: Diego Simeone. Der heutige Trainer von Atlético Madrid wurde mit den «Nerazzurri» 2000 Meister und hat noch immer eine enge Verbindung zum Verein. Kein Wunder: Kumpel Javier Zanetti ist bei Inter eine Legende und mittlerweile zum Vizepräsidenten aufgestiegen.
Simeone, der seinen Vertrag bei Atlético Madrid im September um zwei Jahre auf 2018 verkürzt hat (!), macht keinen Hehl daraus, dass er ein Angebot nicht ablehnen würde.
Dass Zanettis Einfluss trotz der undurchsichtigen Führungsstrukturen bereits viel Gewicht hat, zeigte sich bei der Pioli-Verpflichtung. Die Chinesen wollten mit Guus Hiddink wieder eine internationale Grösse verpflichten, während Joorabchian Ex-Villarreal-Trainer Marcelino installieren wollte. Doch Zanetti setzte sich durch und hat nun einen Masterplan für sein Inter. Wenn alle – Juning-Boss Jingdong, Präsident Thorir, Einflüsterer Joorabchian und Ex-Patron Moratti – auf ihn hören, könnte es gut kommen. Könnte ...
Es fehlt an einer schillernden Figur die motiviert, ordnet und wieder Lebensfreude bringt.
Das heutige Kader müsste in Italien für Platz 2 oder 3 genügen und die EL-Gruppenspiele sollte auch kein Problem darstellen, aber die Mannschaft hat kein Herz, keine Seele und es gilt dieses Herz wieder zu finden.