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Coronavirus

Das sagte Alain Berset zu den Corona-Leaks

EDI Kommunikationschef Peter Lauener, links, und Bundesrat Alain Berset, rechts, schreiten zu den Von-Wattenwyl-Gespraechen, am Freitag, 13. November 2020, in Bern. An den traditionellen Gespraechen,  ...
Bundesrat Alain Berset (r.) und sein früherer Kommunikationschef Peter Lauener, im November 2020 unterwegs in Bern.Bild: keystone

Die Corona-Leaks und ihre Folgen – das sagte Alain Berset

Im Zürcher Polizei- und Justizzentrum musste sich der Gesundheitsminister den Fragen des Sonderermittlers stellen. «Ich bin in einer ungemütlichen Situation», sagte er. Berset kritisierte die Lecks und sieht sich selber als deren Opfer.
14.01.2023, 17:0814.01.2023, 17:38
Francesco Benini und Patrik Müller / ch media
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«Wie kommt es, dass der Beschuldigte Marc Walder immer wieder vertrauliche Informationen per E-Mail zukommen liess, gerade im Bereich Covid-Massnahmen?», fragte der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes, Peter Marti, Bundesrat Alain Berset. «Ich weiss es nicht», antwortete Berset.

Der Gesundheitsminister wurde als Auskunftsperson am 21. Mai 2022 ins neue Polizei- und Justizzentrum in Zürich vorgeladen. Bersets Einvernahme fand vier Tage nach jener Peter Laueners statt, seinem damaligen Kommunikationschef. Dieser war als Beschuldigter vernommen worden. Lauener, für den die Unschuldsvermutung gilt, war selber auch anwesend, als Berset befragt wurde.

Berset entschied nach einer kurzen Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt, zu den E-Mails, die sein Kommunikationschef dem Ringier-Chef Marc Walder zugestellt hatte, keine Stellung zu nehmen (siehe Box). In einzelnen Fällen sagte er dann aber doch etwas.

Marti führte aus, dass der Bundesrat eine Kollegialbehörde sei und die Entscheidfindung im Gremium sowie die Information durch den Bundesrat gesetzlich geregelt seien. «Aus meiner Sicht findet die vorgängige Information eines CEO eines Medienhauses weder in der Verfassung noch im Gesetz eine Grundlage. Was sagen Sie dazu?», fragte Marti. «Ich stimme dem zu», antwortete Berset.

Warum Berset zu den E-Mails wenig sagte
Alain Bersets damaliger Kommunikationschef Peter Lauener und sein Rechtsanwalt Matthias Brunner sind der Ansicht, dass die fraglichen E-Mails nicht verwertet werden dürfen. Sie hätten ihrer Einschätzung nach versiegelt werden müssen – wie das mit Laueners technischen Geräten geschah, die bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt worden waren. Sonderermittler Peter Marti ist anderer Meinung. Er bekam Laueners E-Mails, nachdem er dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation sowie der Swisscom und Bluewin eine sogenannte Editionsverfügung zugestellt hatte.

Ein gutes Verhältnis zu Marc Walder

Berset räumte ein, dass er eine «gute Beziehung zu Herrn Walder» habe, relativierte dies aber gleich: Er habe auch mit anderen Verlegern eine gute Beziehung. Walder und er seien nicht befreundet. «Ich war zum Beispiel nie bei ihm zum Nachtessen eingeladen. Es war alles im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit», betonte der Bundesrat.

Mit Ringier habe er «verschiedene unterschiedliche Kontakte, beispielsweise Digital Switzerland, das hat uns sehr interessiert». Digital Switzerland ist eine Organisation, welche die Schweiz als Standort digitaler Technologien stärken will; Marc Walder ist Initiant und Präsident des Lenkungsausschusses. Berset erwähnte auch, dass es bei der Impfkampagne eine Zusammenarbeit seines Departements mit Medienunternehmen gegeben habe.

Marti sprach Berset auf eine Journalistin des «Sonntags-Blick» an, die er namentlich nannte, und befragte ihn zu Kontakten mit ihr. Als Berset vage blieb, fragte Marti nach, worauf der Gesundheitsminister antwortete: «Ich mache keine Aussage. Ich bin hier in einer ungemütlichen Situation, weil ich nicht weiss, was dieses Thema soll. Ich möchte mich ja auch nicht strafbar machen.»

Berset hielt ausserdem fest, dass der Umgang mit vertraulichen Informationen «genau geregelt» sei. Es sei «einfach nicht erlaubt, vertrauliche Informationen zu verschicken». Marti las ihm einige der E-Mails Laueners an Walder vor; Berset reagierte mehrmals mit der Bemerkung, dass er nicht beurteilen könne, ob die Information tatsächlich vertraulich gewesen sei.

Bundesrat Alain Berset scannt sein Covid-Zertifikat vor einer Medienkonferenz ueber die neusten Entscheide des Bundesrates zur Coronavirus-Pandemie, am Mittwoch, 13. Oktober 2021, im Medienzentrum Bun ...
Berset mit Smartphone und Covid-Zertifikat.archivBild: keystone

Auf die Frage, ob er bestreite, dass der Beschuldigte – also Lauener – Marc Walder vertrauliche Informationen habe zukommen lassen, antwortete Berset: «Ich weiss es nicht. Ich kann es auch nicht wissen.»

Marti wollte herausfinden, ob es eine Gegenleistung von Marc Walder beziehungsweise des Ringier-Verlages für das Zustellen vertraulicher Informationen gegeben habe. Berset meinte: «Das scheint mir unmöglich. Es gab selbstverständlich keine solche Vereinbarung. Nur schon das, was mit der Frage angetönt wird, ist für mich unvorstellbar.»

Angeblich liest er kaum Zeitungen

In der Einvernahme wollte Marti auch wissen, wie nahe sich Berset und Lauener stünden. Der Sonderermittler zitierte aus einer E-Mail, in dem Lauener ihm zum Geburtstag gratulierte und seiner Bewunderung für ihn zum Ausdruck brachte. Berset erwiderte: «Ich arbeite seit 10 Jahren mit Herrn Lauener zusammen, sehr eng. Ich habe aber keinen privaten Kontakt zu ihm.»

Der Gesundheitsminister erklärte ausserdem, dass er «kaum Zeitungen» lese. Er konzentriere sich auf seine Arbeit. «Es ist für mich nicht wichtig, wie ich in den Medien dargestellt werde. Was alles in den Medien steht, interessiert mich nicht.»

Die Aussage ist bemerkenswert für einen Bundesrat, der sich mehrmals über längere Zeit von Fotografen begleiten liess; das Ergebnis wurde in aufwendig produzierten Fotobänden präsentiert. Berset unterstrich in der Einvernahme: Gerade die letzten beiden Jahre hätten gezeigt, dass «die Arbeit des Bundesrates gut und verständlich erklärt werden muss. Das ist eine Arbeit der Kommunikation».

Die Ringier-Medien begleiten Berset nach wie vor freundlich. Nach der überraschenden Wahl der Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider in den Bundesrat am 7. Dezember 2022 fragten sich einige Medien, ob dies den Druck auf Berset erhöhe, bald zurückzutreten; er ist seit elf Jahren im Amt. In der folgenden Woche gab er dem «Blick» ein Interview, in dem keine kritischen Fragen gestellt wurden und das unter der Schlagzeile erschien: «Ich bin noch voller Energie und habe Lust, weiterzumachen!» Am 6. Januar 2023 befragte dann die «Schweizer Illustrierte» Berset: «Was hat Ihnen in dieser Zeit Kraft gegeben?» Gemeint war die Zeit der Coronakrise.

«Brutale Drohungen gegen meine Familie»

Zweimal liess sich Berset in der Einvernahme über «Leaks» aus, also die Weitergabe vertraulicher oder geheimer Informationen. «Leaks sind ein grosses Problem», sagte er. Es habe viele Leaks gegeben, die in der Presse erschienen seien. «Das hat mich genervt, das weiss das Team.» Die Leaks hätten ihn unter Druck gesetzt. «Es führte teils auch zu brutalen Drohungen gegen meine Familie.»

Der Gesundheitsminister fasste zusammen: «Ich konnte während der Pandemiezeit praktisch nie ein Geschäft in den Bundesrat bringen, bei dem nicht schon vor der Bundesratssitzung direkte Informationen geleakt worden waren.» Sonderermittler Marti ist davon überzeugt, dass Bersets Departement dabei selber eine wichtige Rolle spielte.

Kurz vor dem Schluss der Einvernahme sprach Berset wieder über Leaks – und machte dabei gegenüber dem ausserordentlichen Staatsanwalt eine spitze Bemerkung: Er erklärte noch einmal, wie seine Familie unter den Indiskretionen gelitten habe. Dann fügte Berset an: «Ich bin persönlich von solchen Leaks sehr betroffen. Die massivsten Leaks, unter denen ich gelitten habe, stammen von der dritten Staatsgewalt.» Also von der Judikative.

Worauf spielte Berset an? Wahrscheinlich auf den Umstand, dass ein Justizbeamter die «Weltwoche» über den Erpressungsversuch einer früheren Geliebten ins Bild gesetzt haben könnte. In dieser Angelegenheit liess sich Berset vom gleichen Anwalt vertreten, wie auch während der Einvernahme durch Marti.

Die Befragung im Justiz- und Polizeizentrum dauerte lange: Sie begann um 10.45 Uhr und endete um 17.25 Uhr. Als Marti schliesslich fragte: «Wollen Sie zu diesem Thema von sich aus etwas beifügen?», antwortete Berset: «Nein.»

(aargauerzeitung.ch)

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40 Kommentare
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Yolanda Hecht
14.01.2023 20:16registriert Juni 2022
Berset gibt sich sehr unwissend. Es fällt mir sehr schwer das zu glauben.
Herrr Lauener gibt doch nicht eigenmächtig und ohne Wissen seines Chefs vertrauliche Informationen an den CEO von Ringier weiter. Davon hat er nur das Risiko, dass er auffliegt und seine berufliche Karriere ruiniert. Ich denke, Herr Lauener hat mit dem Einverständnis oder im Auftrag von Alain Berset gehandelt.
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Gluehwuermchen
14.01.2023 19:43registriert Dezember 2021
Hinterlässt ein etwas mulmiges Gefühl, wenn man den Artikel so liest - was soll ich da genau glauben?
Wenn es nur mir so geht, dann ist es ja kein Problem. Aber wenn viele ein ähnliches Gefühl kriegen, dann haben wir ein Problem bezüglich Vertrauen zu unserem BR.
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Wurstsalat13
14.01.2023 22:03registriert September 2015
Und dann wird ganz zufällig auch noch eine Blick-Bundeshausjournalistin die Nachfolgerin von Lauener... Zufälle gibt es.
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