Vom 13. bis zum 24. August regiert im Kanton Zürich die Kunst: Die Winterthurer Musikfestwochen sind eines der ältesten Schweizer Festivals. Grund genug mit einem Mann der ersten Stunde zu sprechen: Markus Hodel war erst 22 Jahre alt, als der damalige Rockmusiker und Jurastudent zusammen mit Daniel Schlatter anno 1976 die Veranstaltung ins Leben gerufen hat.
Herr Hodel, haben Sie damit gerechnet, dass die 1. Winterthurer Musikfestwochen gleich ausverkauft sein würden?
Markus Hodel: Wir haben uns das schon gedacht: Das war im Club Africana, der immer gut besucht war. Das Aussergewöhnliche war, dass dort Leute aus dem Jazz, Blues und Rock zusammengekommen sind. Meistens hat aber nur jeder in seiner eigenen Musikszene funktioniert und sich nicht so gut über die anderen geäussert. Deshalb hatten wir auch die Idee, etwas Verbindendes zu erschaffen.
Es ist dem Festival sehr schnell gelungen, die unterschiedlichen Stile unter einen Hut zu bringen ...
Wir hatten zuerst noch viel idealistischere, utopischere Vorstellungen. Wir wollten am besten alle Musikrichtungen darstellen. Das hat dann nicht mehr gut geklappt, denn dass jemand aus der Volksmusikecke ein Hardrock-Konzert besucht, ist dann doch zu ehrgeizig. Wir haben dann auch entsprechend Defizit gemacht und daraufhin gesagt, wir müssten das Konzept ändern.
In welche Richtung?
Wir haben uns nach diversen Diskussionen entschieden, weiterhin Kultur und Musik da anzubieten, wo die Leute sind: auf der Strasse. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit, aber dazumal war Strassenmusik noch verboten und Bewilligungen für so etwas wurden in der Regel nur unter grössten Schwierigkeiten erteilt.
Und wie sah das praktisch aus?
Wir haben versucht, die Grosskonzerte zu etablieren – und mit diesem Konzept ist es dann ja auch gut gelaufen.
Sie spielen auf das Konzert der Boomtown Rats 1978 an: Wie haben Sie Bob Geldof und Co eigentlich bekommen?
Die Boomtown Rats waren nicht der Top-Top-Act. Es war eine gute Gruppe, aber nicht The Clash. Trotzdem: Irgendjemand hatte einen guten Draht zum Plattenlabel und wir konnten dann ihre englische Agentur überzeugen, sie rüberzubringen. Heute läuft alles über die Agenturen und Managements, aber früher hatten die Plattenlabels noch mehr Einfluss und haben sowas dann unterstützt. Sie haben etwa den Flug übernommen, um der Band mehr Präsenz auf dem Schweizer Markt zu verschaffen. Aber diese glorreichen Jahre der fetten Plattenfirmen sind vorbei.
Was hat noch geholfen bei Anfragen?
Es gab Bands aus den Bereichen über Folk-Rock bis Reggea, die noch nie in der Schweiz gespielt hatten oder nicht so bald bei uns auftreten sollten. Die bekommt man dann einfacher. Oder man schaut voraus: Salsa-Musiker Ruben Blades war bei uns, als noch keiner über Salsa gesprochen hat.
Und wie haben die Behörden bei den ersten Veranstaltungen reagiert?
Erstaunlicherweise sehr gut, was aber auch mit den handelnden Personen zusammenhängt. Stadtpräsident Urs Widmer hatte in den USA gelebt und war von daher sehr offen für die Kultur. Er konnte dann den Polizeichef, eine Parteifreund, überzeugen, dass das keine völlig verrückte Sache wird. Dabei war es 1978 ein Novum, so ein Strassenkonzert zu veranstalten. Es gab kaum Vergleichbares.
Wie haben die Leute auf die ersten grösseren Veranstaltungen reagiert?
Es war unterschiedlich. Erstaunlicherweise gab es etwa bei der Geschäftsvereinigung bei den einen sehr viel guten Willen. Dann habe ich wieder die bösesten Telefonanrufe bekommen, weil sich andere über Lärm beschwert hatten. Es gab ja selbst bei den Jugendlichen unterschiedliche Reaktionen.
Sie meinen 1980, als Ihnen Kommerz vorgeworfen wurde. Hat Sie das getroffen?
Wir hatten jetzt nicht gerade ein Sendungsbewusstsein, aber wir waren überzeugt, dass wir eine gute Geschichte machen und den Leuten viel Kultur zu günstigen Konditionen bieten. Das ist ja heute noch so: Die Musikfestwochen könnten ihre Preise locker um 50 Prozent erhöhen und wären immer noch weniger teuer als vergleichbare Festivals. Es waren immer faire Preise und viel wurde und wird gratis angeboten, deswegen war es für uns richtig so wie es war.
Und nun, weil Sie es wissen müssen, die Frage: Wie geht man am besten mit Stars um?
Die allermeisten sind ganz normale, nette Leute. Die Frage ist eher: Wie geht man mit dem Management um? Es gilt natürlich natürlich nicht für alle, aber einige dieser Figuren haben den Star abgeschottet und selbst so getan, als wären sie einer. Das sind die schwierigsten Menschen und direkt mit Künstlern kann man im immer weniger reden. Zu meiner Zeit hat man nach dem Soundcheck noch zusammengesessen. Ich erinnere mich, wie ich mit Herbert Grönemeyer noch beim Cappuccino eine Stunde geredet habe. Das ist leider etwas verloren gegangen.
Seit 1994 wird auch Elektro gespielt und der Hop-Hop hat sich in Winterthur auch etabliert. Sind Sie zufrieden mit der heutigen Bandbreite?
Ich finde grundsätzlich, dass die Leitung das hervorragend macht und es ist ja auch Geschmackssache. Aber ich würde das Feld noch ein bisschen weiter fassen, denn für so Grauhaarige wie mich, die sich immer noch für Musik interessieren, könnte es mehr geben.
Zum Beispiel?
Ich sage mal, klassische Musik mit Jazz oder Blues kombinieren bei anderen Festivals wie in Schaffhausen kommen die Altherren ja auch zu Zehntausenden. Ich persönlich würde zwei Wochenenden machen und ein, zwei Ü-40-Veranstaltungen einplanen. Das sind ja auch noch Menschen!