Zuwanderung: Bundesrat will Zuwanderung mit Schutzklausel begrenzen

Zuwanderung: Bundesrat will Zuwanderung mit Schutzklausel begrenzen

04.03.2016, 17:24

Der Bundesrat schlägt dem Parlament vor, die Masseneinwanderungsinitiative mit einer einseitigen Schutzklausel umzusetzen. Diese würde die Zuwanderung nicht vor 2019 begrenzen. Eine einvernehmliche Lösung mit Brüssel gibt es vorerst nicht.

Eine solche strebt der Bundesrat aber weiterhin an. Denn eine Schutzklausel, die EU-Bürgern den Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt verwehrt, verletzt das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Im äussersten Fall droht die Kündigung, womit das ganze Paket der Bilateralen I wegfallen würde.

Schon länger war aber klar, dass vor dem «Brexit»-Referendum am 23. Juni nicht mit einem Entgegenkommen Brüssels zu rechnen ist. So lange kann der Bundesrat nicht warten, denn die Masseneinwanderungsinitiative muss bis am 9. Februar 2017 umgesetzt sein. Darum hat er am Freitag beschlossen, auf den Plan B zurückzugreifen: Die einseitige Schutzklausel.

Zwei Jahre gewonnen

Diese sieht vor, dass eine Zuwanderungskommission dem Bundesrat einen Schwellenwert vorschlägt. Wird dieser Schwellenwert im Jahr nach Inkrafttreten des neuen Regimes überschritten, legt der Bundesrat im Jahr darauf Höchstzahlen für die Zuwanderung fest. Diese würden also ab dem dritten Jahr gelten. Das heisst, dass mindestens bis Ende 2018 volle Personenfreizügigkeit mit der EU gilt.

Die Höchstzahlen gelten nach den Plänen des Bundesrats für alle Bewilligungen mit Erwerbstätigkeit ab 4 Monaten Dauer. Mit Grenzgängerbewilligungen soll eine Umgehung vermieden werden.

Den Inländervorrang, der mit der Masseneinwanderungsinitiative ebenfalls in die Verfassung geschrieben wurde, sieht der Bundesrat mit der Festsetzung von Höchstzahlen erfüllt. Eine Einzelfallprüfung wird es nicht geben. Handlungsspielraum für die Einschränkung des Familiennachzugs sieht der Bundesrat kaum, wie er in der Botschaft ans Parlament schreibt.

Kontingente soll es aber für den Familiennachzug von Angehörigen aus Drittsaaten geben. Für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene plant der Bundesrat ein eigenes Kontingent. Dieses soll rasch an die jeweilige Flüchtlingssituation angepasst werden können. Für Asylsuchende sind keine Höchstzahlen vorgesehen.

Kündigung nicht ausgeschlossen

Die Lösung mit der einseitigen Schutzklausel steht unter einem grossen Vorbehalt: In der Botschaft erinnert der Bundesrat an die Praxis des Bundesgerichts, das dem Freizügigkeitsabkommen bisher Vorrang vor Schweizer Gesetzten gegeben hat. Würde das Parlament die Vorlage mit der einseitigen Schutzklausel verabschieden, könnte diese nur angewendet werden, wenn die Schweiz das Abkommen kündigen würde, schreibt der Bundesrat.

Doch nun ist das Parlament am Zug. Dieses greift möglicherweise auf eine verträglichere Lösung zurück, um die Bilateralen nicht zu gefährden. Möglich ist jedoch auch, dass der Bundesrat im zweiten Halbjahr 2016 doch noch zu einer Einigung mit Brüssel kommt. Für diesen Fall will er dem Parlament eine Zusatzbotschaft nachreichen.

Horizon 2020 in Reichweite

Eine Einigung mit Brüssel ist für den Bundesrat auch eine Bedingung für die volle Personenfreizügigkeit mit Kroatien. Das entsprechende Zusatzprotokoll hat er am Freitag unterzeichnet. Nun muss das Parlament die Ratifikation genehmigen. Tatsächlich ratifizieren will der Bundesrat aber nur, wenn sich bei der Personenfreizügigkeit eine Lösung mit der EU abzeichnet.

Die Schweiz ist unter Zeitdruck, denn die Kroatien-Frage ist seit 2014 politisch mit der Forschungszusammenarbeit verknüpft. Nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 teilte die Schweizer Regierung der EU mit, das Kroatien-Protokoll wegen des neuen Verfassungsartikels nicht unterzeichnen zu können.

Als Reaktion darauf schloss die EU die Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon 2020 aus. Später kam eine Übergangslösung zustande, die der Schweiz eine provisorische Teilnahme erlaubt. Darin ist sogar die volle Assoziierung vorgesehen, jedoch nur, wenn das Kroatien-Protokoll bis am 9. Februar 2017 ratifiziert ist. Andernfalls fliegt die Schweiz definitiv aus der europäischen Forschungszusammenarbeit.

Sommaruga: Ein Zwischenschritt

Das Ziel des Bundesrates bleibt es, mit der EU eine einvernehmliche Lösung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zu finden. Das betonte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Freitag vor den Medien.

Nur eine einvernehmliche Lösung schaffe Rechtssicherheit, sagte Sommaruga. Nur eine solche stabilisiere die Beziehungen zu Europa und sichere den bilateralen Weg. Weil diese Lösung aber noch nicht vorliege, lege der Bundesrat dem Parlament die Botschaft für eine einseitige Schutzklausel vor.

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann bezeichnete den Entscheid des Bundesrates vom Freitag als «einen der wichtigsten und schwierigsten Entscheide». Die Hauptherausforderung bleibe es, eine Lösung zu finden mit der EU. Es gleiche nach wie vor der Quadratur des Kreises, wenn gleichzeitig die Bilateralen gerettet und das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative respektiert werden solle. (sda)

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