Erstmals seit Jahrzehnten schrumpft die chinesische Wirtschaft. Neuste Zahlen zeigen, dass es in Wuhan weit mehr Tote gegeben hat als bisher gemeldet. In den USA kursierte eine neue Version der Verschwörungstheorie, wonach das Coronavirus aus einem chinesischen Biolabor entwichen sei. Und trotzdem fragt der «Economist» in seiner neuen Ausgabe besorgt: «Is China winning?»
Die Frage ist berechtigt: Während bei uns die Ökonomen vor der schwersten Rezession seit der Depression der Dreissigerjahre warnen, werden in China die Fabriken wieder hochgefahren. Während bei uns die Anzahl der Toten und Infizierten zunimmt, gibt es kaum noch neue Ansteckungen in China.
Ja, und vergessen wir nicht: In China hat es weit weniger Opfer gegeben als in Italien, Spanien, den USA, Frankreich. Und das bei rund 1,5 Milliarden Einwohnern. Pro Kopf gerechnet sieht es übrigens auch in der Schweiz alles andere als gut aus.
Würde der viel zitierte Besucher vom Mars zu entscheiden haben, wer von den beiden Supermächten die Pandemie besser bekämpft, dann wäre sein Urteil schnell gefällt: In den USA herrscht ein Flickenteppich von sich teils widersprechenden Massnahmen. Die einzelnen Bundesstaaten kämpfen gegenseitig um dringend benötigte Schutzanzüge und Beatmungsgeräte, während der Präsident an seinen täglichen Pressekonferenzen prahlt, Unsinn erzählt und Gouverneure und Journalisten beschimpft.
In China tritt die Führung geschlossen auf und verfolgt eine klar definierte Strategie zur Bekämpfung der Pandemie. Inzwischen werden chinesische Hilfsgüter rund um den Erdball verschickt, und es ist denkbar, sogar wahrscheinlich, dass auch der erste Impfstoff aus dem Reicht der Mitte stammen wird.
Präsident Trump zofft sich derweil mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und hat mittlerweile jeglichen Anspruch aufgegeben, in der möglicherweise schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg eine Führungsrolle zu übernehmen.
Der amerikanische Präsident beschleunigt so den Niedergang der USA. Dieser hat schon vor seiner Amtszeit begonnen. In seinem Buch «Unsere asiatische Zukunft» stellt der Publizist Parag Khanna fest:
Umgekehrt hat China seine Stellung in der Welt in den letzten Jahren sukzessiv ausgebaut. Zentraler Pfeiler dabei ist die «Belt & Road Initiative» (BRI), ein gewaltiges Infrastrukturprojekt, das Asien, Afrika und Europa umfasst. Es zeigt Wirkung, wie Khanna schreibt:
Doch auch Europa macht bisher in der Pandemie alles andere als eine gute Figur. In der «Financial Times» warnt Emmanuel Macron vor einem Kollaps der EU, sollte es nicht bald zu einer solidarischen Finanzierung der gewaltigen Schäden der Corona-Krise kommen.
Die EU stehe vor der «Stunde der Wahrheit», so Macron. Ohne gemeinsame Verschuldungsstrategie würden die Populisten wie Marine Le Pen und Matteo Salvini zwangsläufig die Oberhand gewinnen und die Union sprengen.
Es sei auch unsinnig, Italien und Spanien bestrafen zu wollen. Der französische Präsident verweist auf den tödlichen Fehler nach dem Ersten Weltkrieg, als den Deutschen viel zu hohe Reparationszahlungen aufgebürdet wurden:
Die USA ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück, Europa droht zu zerbrechen – der «Economist» sorgt sich zu Recht: Die Chancen, dass die Zukunft Asien gehört, ist durch die Pandemie gestiegen. Wir müssen uns jedoch daran gewöhnen, in anderen Kategorien zu denken.
China will nicht die USA als Supermacht ersetzen. Und die Asiaten wollen das auch nicht. Nochmals Khanna: