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Kampf gegen Fruchtfliegenplage: Winzer nehmen Bienensterben in Kauf

Die Drosophila suzukii befällt alle Obstarten mit weichem Fruchtfleisch – insbesondere Trauben. 
Die Drosophila suzukii befällt alle Obstarten mit weichem Fruchtfleisch – insbesondere Trauben. Bild: EPA/DPA
Bund erlaubt zusätzliche Sprühmittel

Kampf gegen Fruchtfliegenplage: Winzer nehmen Bienensterben in Kauf

In den Schweizer Reben herrscht Notstand: Der Schädling Drosophila suzukii befällt die Weintrauben und gefährdet die Ernte. Jetzt erlaubt der Bund Sprühmittel, die laut dem Hersteller als gefährlich für Bestäuber gelten. Sehr zum Missfallen der Bienenschützer.
25.09.2014, 08:1925.09.2014, 09:01
Daria Wild
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Drosophila suzukii hat nichts mit Motorrädern zu tun. Doch die Kirschessigfliege überrollt zurzeit die Schweizer Reben im Schnelltempo. 2011 wurde der Schädling zum ersten Mal entdeckt, in diesem Herbst befällt das Insekt wegen des milden Winters und feuchten Sommers in überraschend hoher Zahl die Rebstöcke. Mit verheerenden Folgen für die Weinbauern: Die befallenen Früchte sind für die Ernte unbrauchbar, weil sie den frisch gekelterten Wein im Nu in Essig verwandeln.

Ein Lama Helikopter der Air Glacier besprüht Reben gegen Ungeziefer und Pilzbefall bei Flanthey oberhalb Sierre Siders VS.
Ein Lama Helikopter der Air Glacier besprüht Reben gegen Ungeziefer und Pilzbefall bei Flanthey oberhalb Sierre Siders VS.Bild: KEYSTONE

Nun hat Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, in einem «Vorschlag für eine Pflanzenschutzstrategie im Weinbau» Sprühmittel empfohlen, die bislang «nicht auf der von Agroscope veröffentlichten Liste der empfohlenen Pflanzenschutzmittel für den Rebbau» stehen: Spinosad und die Pyrethrine Parexan und Pyrethrum. Die Mittel haben sich im Kampf gegen die Kirschessigfliege bereits bewährt – dürften aber auch einem anderen Tier schaden: Spinosad und die Pyrethrine gelten laut dem Agroscope-Dokument als bienentoxisch.

Weil die Insektizide teilweise bereits ausverkauft sind, erlaubt das Bundesamt für Landwirtschaft seit letzter Woche mit einer Sonderbewilligung zudem zwei zusätzliche Pflanzenschutzmittel: Das physikalisch wirkende Surround und das chemische Insektizid Gazelle SG. Letzteres darf nur einmal und mit einer Wartefrist von sieben Tagen eingesetzt werden. Auch dieses Sprühmittel mit dem Wirkstoff Acetamiprid aus der Gruppe der Neonikotinoide ist laut dem Hersteller Stähler gefährlich für Bestäuber und darf deshalb nur ausserhalb des Bienenflugs (abends) verwendet werden.

Verwirrung um die Toxizität der Insektizide

Wie gefährlich sind solche Insektizide? Auf Anfrage heisst es bei Agroscope, die Mittel seien nicht bienentoxisch, die Deklarationen in der aktuellen Pflanzenschutzstrategie, der Liste der in Beerenkulturen bewilligten Insektizide und der Erklärung des Herstellers Stähler, sei fehlerhaft. Dass der Produzent empfehle, das Mittel nur ausserhalb des Bienenflugs anzuwenden, sei eine zusätzliche Sicherheitsmassnahme.

Auch dann wären die Insektizide aber nicht unbedenklich, sagt Marianne Künzle von Bienenschutz Greenpeace. Zwar seien die erlaubten Sprühmittel nicht so toxisch, dass die Bestäuber gleich tot umfallen könnten. «Doch der Wirkstoff Acetamiprid gehört zur Gruppe der hochtoxischen Neonikotinoide, die schlecht abbaubar sind, so Künzle. «Bienen und andere Lebewesen können damit über längere Zeit in Kontakt kommen und gefährliche Schädigungen davontragen», sagt Künzle mit Verweis auf eine kürzlich publizierte internationale Studie.

«Vor allem die subletalen Schäden werden bei der Zulassung von Insektiziden viel zu wenig berücksichtigt.»
Richard Wyss, Präsident des Deutschschweizer Imkerverbandes

Auch Richard Wyss, oberster Imker des Landes, kritisiert die Zulassungspraxis des Bundes scharf: «Es gibt verschiedene zugelassene Mittel, welche für die Bienen problematisch sind.» Vor allem die subletalen Schäden würden bei der Zulassung viel zu wenig berücksichtigt. «Wenn die Insektizide der Gesundheit der Bienen schaden, dürften sie schlicht und einfach nicht verwendet werden», sagt der Präsident des Deutschschweizer Imkerverbandes.  

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