Peter Hug, langjähriger Militärexperte der SP, hatte recht. Er wies seit Jahren trotz teils hämischer Kritik aus Politik und Verwaltung unbeirrt auf die US-Gesetzgebung hin: Den von Bundesrat und Armee behaupteten Festpreis zu den F-35 gebe es gar nicht. Das sei eine Erfindung der F-35-Befürworter. Im 2022 erschienenen Buch zum US-Jet von Nationalrat Pierre-Alain Fridez, das Hug mitschrieb, steht: «Die amerikanische Gesetzgebung ist unerbittlich: Für Dritte gibt es keine Festpreise».
Seit letzter Woche ist es amtlich, verkündet durch den neuen Verteidigungsminister Martin Pfister: Für die Amerikaner gibt es keine Festpreise, die ein Kostendach von 6 Milliarden für den F-35 garantieren. Jetzt machen die Amerikaner Mehrkosten von bis zu 1,3 Milliarden geltend.
Nur: Verteidigungsminister Pfister sitzt, wie Experte Hug gegenüber CH Media erläutert, noch auf einer ganzen Reihe anderer explosiver Erbstücke:
Die Schweiz kauft F-35 mit dem Softwarepaket Block 4. Dieses läuft aber nur auf der neuen, viel leistungsfähigeren Plattform TR3, welche viel mehr Strom und Kühlenergie braucht. Die USA rüsten deshalb so schnell wie möglich das Triebwerk des F-35 (das F135 von Hersteller Pratt & Whitney) durch ein Upgrade auf. Die Entwicklung ist im Gang.
Laut Fachmedien versucht Triebwerkbauer General Electric, die US Air Force sogar davon zu überzeugen, dem F-35 mit einem neuen, stärkeren Triebwerk zu versehen.
Denn es gibt ein Problem: Der aktuelle Motor ist zu schwach. Weil Block 4 viel mehr Energie für Strom und Kühlung braucht, sinkt die Gesamtleistung des Jets. Laut Hug kommt dazu: «Zusätzlich nutzt der F-35 das Kerosin zur Kühlung. Deshalb muss der Jet mit rund einer Tonne Kerosin mehr starten, damit dieser Kühlungskreislauf funktioniert.»
All das habe negative Auswirkungen auf Einsatzdauer, Nutzlast, Steigleistung. «Der F-35 ist als Tarnkappenjet ohnehin schwerfällig. Als einmotoriger Jet wird er jetzt noch lahmer und lauter», sagt Hug. Was fatal sei, weil die Schweiz den Jet tagtäglich für Luftpolizeieinsätze brauche, wo schnelles Eingreifen gefragt ist.
Der Bundesrat hat das Problem letztes Jahr auf Anfrage von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor bestätigt. «Gemäss derzeitiger Planung» werde der Jet das Triebwerk F135 erhalten. Die USA hätten aber entschieden, «Teile des Triebwerks und des dazugehörigen Kühlluftsystems weiterzuentwickeln». Die Schweiz werde dieses «Upgrade» Stand jetzt in den 2030er-Jahren mitmachen. Laut Hug heisst das faktisch, dass die Schweiz einen Jet mit einer geringeren Leistung als versprochen erhält. Und das neue Triebwerk dann extra bezahlen muss.
Der Bundesrat wollte die Mehrkosten nicht beziffern, das sei noch nicht möglich. Hug schätzt sie aufgrund von Angaben in Fachmedien auf einige hundert Millionen.
Aber ein anderes Upgrade sei möglicherweise noch einschneidender, sagt Hug: Der geplante neue Radar APG-85, der in den F-35 eingebaut werden soll, habe zur Folge, dass der Rumpf des Jets grösser werde. Für Hug ist klar: «Damit ändert sich die ganze Aerodynamik. Der Jet muss wieder in den Windkanal.»
Skyview soll die Bilder der Luftlage liefern, es ersetzt das alte Florako. Eigentlich per 2027, neuerdings frühestens etwa 2030.
Wenn überhaupt. Experte Hug ist alarmiert: Im Verteidigungsdepartement werde darüber gesprochen, das Projekt abzubrechen, weil es nicht mehr zu retten sei. «Aber wenn Skyview nicht kommt, wird die Luftwaffe blind», sagt Hug.
2020 genehmigte das Bundesparlament 155 Millionen für Skyview, das neue System zur Überwachung des Luftraums. Der Auftrag ging an die französische Firma Thales. 2022 hatten sich die Projektkosten bereits auf 314 Millionen mehr als verdoppelt. Was aber die Probleme nicht löste, sodass die Armee das Projekt 2024 auf Eis legte. Die bereits für Millionen ausgebauten Leistungen der Rechenzentren der Armee reichen noch immer nicht, um die Daten zur Luftlage abzubilden.
Letzte Woche räumte Verteidigungsminister Pfister auch diese Probleme ein. Man habe die Komplexität «deutlich unterschätzt», insbesondere die Integration in die neue Digitalisierungsplattform der Armee. Die Verträge müssten angepasst werden, aber es gebe «Differenzen über die Vertragssumme».
Die Situation bei Skyview ist umso alarmierender, weil auch die neuen Kampfjets F-35 und die neue Patriot-Luftabwehr über dieses System laufen sollen. Auch Patriot wird teurer: Die USA bauen unter anderem einen neuen Radar ein.
So läuft derzeit ziemlich alles aus dem Ruder, finanziell wie zeitlich. Und für den SP-Experten Hug zeigen Ukraine-Krieg und das Zeitalter der Drohnen- und Raketenangriffe, dass die Schweiz mit dem Schwergewicht auf dem bombenfähigen Tarnkappenjet F-35 falsch aufgestellt sei. Es biete sich eine Chance, das aus dem Jahre 2017 stammende, veraltete Konzept zum Schutz unseres Luftraums neu aufzusetzen.
Hugs Vorschlag:
Österreich macht es vor: Es will 12 M-346 FA des italienischen Herstellers Leonardo kaufen und mit den sehr leistungsfähigen Iris-T-Luft-Luft-Raketen bewaffnen. Die Leonardo-Jets sollen Österreichs 15 Eurofighter ergänzen. Zudem: Ein Jet wie der M-346 könnte auch die Rettung für die Patrouille Suisse sein: Die italienische Kunstflugstaffel Frecce Tricolori setzt in Zukunft auf dieses Flugzeug.
Hug schlägt weiter vor, die «immer noch sehr leistungsfähigen FA-18 Hornet zu schonen und so über 2032 hinaus in der Luft zu behalten», also die zertifizierten 6000 Flugstunden langsamer abfliegen. «So kann man in Ruhe mit den Europäern eine Nachfolgelösung für den FA-18 prüfen.»
Mit diesem Konzept schaufle man rund drei Milliarden frei. Dieses Geld könne man für Anpassungen an «die militärisch-technologische Revolution auf dem Gefechtsfeld» einsetzen, sagt Hug: Für die Lösung des Skyview-Problems, für den Erwerb der Technologie zur Früherkennung von Raketen und Drohnen, für bodengestützte Systeme für die Luftraumsicherheit.
Über die Bücher müsste die Armee gemäss Peter Hug im gleichen Aufwisch auch beim Patriot-System. Es sei zu einem Zeitpunkt definiert worden, als man nicht mit einer Bedrohung durch ballistische Raketen rechnete, sondern durch Flugzeuge. «Das muss alles ganz neu aufgegleist werden», ist Hug überzeugt.
Gut habe ich keine Ahnung davon. Diejenigen die entschieden haben, aber offenbar auch nicht. Und das ist wohl weniger gut.
Wieso bitteschön ist das so verdammt schwierig, drei Dutzend Fliegerlis von der Stange zu einem einigermassen verlässlichen Preis zu beschaffen und in einem vernünftigen Zeitfenster?
Ja, aufgrund der Berge und kleinen Landesfläche gibt es gewisse Einschränkungen. Aber die Berge sind nicht erst seit gestern hier und wir sind auch nicht das einzige Land mit Bergen. Die relevanten Anforderungen sollten bei der Ausschreibung ja bekannt gewesen sein.