«Wir schauten aufs Handy und verfielen alle in eine Art Schockstarre.» Melanie Müller, Super-League-Fussballerin bei GC, erzählt von einem Sommertag im Juni 2019. Es war ein Tag, der ihr Leben für immer veränderte. Es war der Tag, an dem sie eine enge Freundin verlor.
Florijana Ismaili war damals 24 Jahre jung. Sie spielte für die Schweizer Nationalmannschaft und für YB, wo sie Captain war und als Mittelfeldspielerin im Schnitt alle zwei Spiele traf. Als offenen, liebevollen Menschen beschreibt sie Müller, die sie mit 17 Jahren im Nachwuchs-Nationalteam kennengelernt hatte. «Ich konnte mit ihr über alles reden und mich immer auf sie verlassen. Sie fehlt mir.»
Ismaili starb bei einem Badeunfall im Comersee. Von einem Boot sprang sie ins Wasser und tauchte nicht wieder auf. Drei Tage später bargen sie Taucher aus einer Tiefe von mehr als 200 Metern.
Geplant gewesen waren andere Ferien, wie Müller in einem SRF-Beitrag erzählte. «Wir wollten zu fünft gehen, aber ‹Flo› musste berufsbedingt absagen. Noch am Morgen ihres Unfalls schrieb sie uns im Gruppenchat. Sie wünschte uns ganz schöne Ferien – ihr habe es leider nur für zwei Tage Como gereicht.»
Es kam der nächste Tag und damit jener, an dem Müller und ihre Mitreisenden fassungslos auf den Handybildschirm blickten. Sie reisten zurück, wurden am Flughafen abgeholt und direkt nach Como gefahren. «Unterwegs bekamen wir den Anruf, dass man sie gefunden habe. Das war noch einmal ein Schock. Man stellt sich Szenarien vor, dass sie noch lebt.» Man klammert sich an jede Hoffnung.
Melanie Müller beschliesst rasch, Florijana Ismaili nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. «Wir sprachen über ‹Flo› und was sie dem Mädchen- und Frauenfussball gegeben hat. Schon da reifte die Idee, dies in ihrem Namen weiterleben zu lassen.» Müller und Kolleginnen gründeten den Förderverein Florijana Ismaili, kurz FI9, angelehnt an die Rückennummer der Bernerin.
«Es war hart, jeden Tag mit der Tragödie konfrontiert zu sein, etwa beim Schreiben von Texten für die Website und bei der Bildauswahl», erinnert sich die 29-jährige Müller. «Aber es half mir und den anderen bei der Verarbeitung. Wir haben aus einer Tragödie eine Lebensaufgabe für uns geschaffen.»
FI9 fördert Mädchen- und Frauenfussball, bietet Trainings an und veranstaltet Trainingscamps. «Wenn ich die Mädchen lachen sehe, zeigt mir das, dass sich all der Aufwand lohnt», stellt Müller zufrieden fest. Die Trainings sind kostenlos, der Sport soll allen zugänglich gemacht werden, die ihn ausüben möchten.
Florijana Ismaili wäre heute 30 Jahre alt und hätte wohl gute Chancen gehabt, an der Heim-EM im Schweizer Kader zu stehen. Ein Unfall riss die 33-fache Nationalspielerin jäh aus dem Leben – doch dank des Engagements ihrer Freundinnen ist sie nach wie vor im Fussball präsent. «Ich denke, ‹Flo› ist sehr stolz und schätzt das, was wir machen», glaubt Melanie Müller.