Die Jagd ist eröffnet. Letzte Woche gründeten die USA eine multilaterale Taskforce, um im Ausland versteckte Vermögen russischer Oligarchen sowie aller Personen aufzuspüren, die «Putins unbegründete Invasion der Ukraine ermöglichten». Mit an Bord sind Australien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Kanada, Japan und die EU-Kommission.
Unterstützt wird sie von einer weiteren Taskforce des US-Justizministeriums mit dem vielsagenden Namen KleptoCapture. Nicht eingeladen wurde die Schweiz, obwohl hierzulande sehr viele russische Vermögenswerte vermutet werden. «Wir gehören gar nicht zu den Jägern – sondern zu den Gejagten», befürchten die Tamedia-Zeitungen.
Beim Verstecken von Vermögen sei die Schweiz «über Jahrzehnte stramm aufseiten der Russen» gestanden, hiess es in einem Kommentar in der Samstagsausgabe. Marcel Rohner, der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, bezifferte letzte Woche die Höhe der russischen Vermögen in der Schweiz auf 150 bis 200 Milliarden Dollar.
Das wären rund 4 bis 5,5 Prozent der gesamten auf Schweizer Banken verwalteten ausländischen Vermögen. Seit Jahren ist die Schweiz nach Angaben der russischen Zentralbank die Destination Nummer eins für private Geldsendungen ins Ausland, vor Ländern wie Grossbritannien und Zypern, die bei reichen Russen ebenfalls sehr beliebt sind.
Das Geld von Oligarchen und Angehörigen der politischen Elite ist nur ein Aspekt, der die Schweiz in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zur Zielscheibe machen könnte. Die Lebensqualität und das milde Steuerklima üben generell auf die russische Oberschicht eine grosse Anziehungskraft aus. Sie kauft sich in mehrfacher Hinsicht bei uns ein.
So haben 85 Russinnen und Russen «die Schweizer Version eines ‹Golden Visa›, einer gekauften Aufenthaltsbewilligung» erhalten, schreibt Tamedia. Sie bilden die grösste Gruppe vor Chinesen (37) und Amerikanern (22). In der Regel erhalten Personen auf diesem Weg einen B-Ausweis, von denen sich die Kantone Steuereinnahmen versprechen.
Nicht immer geht die Rechnung auf. So wollte sich Roman Abramowitsch 2016 in Verbier niederlassen, mit Hilfe der Walliser Regierung. Der Bund legte sein Veto ein, weil der Oligarch «ein Sicherheits- und Reputationsrisiko für die Schweiz» sei. Für einmal funktionierte das Frühwarnsystem, denn Abramowitsch steht derzeit besonders am Pranger.
Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass reiche Russen über allerlei Besitztümer in der Schweiz verfügen, darunter auch solche, deren Namen sich auf der EU-Sanktionsliste befinden. Der Oppositionspolitiker und Korruptionsjäger Alexej Nawalny bezeichnete die Schweiz 2016 im Interview mit Swissinfo als «erste Adresse für korrupte Russen».
Die russische Vorliebe für die Schweiz und ihre tiefen Steuern beschränkt sich nicht auf Privatpersonen. Rund 80 Prozent des Rohstoffhandels, der wichtigsten Geldquelle des Putin-Regimes, läuft über die Schweiz und Firmen wie Trafigura oder Vitol. Die Geschäfte werden gemäss Tamedia vor allem über Genf, Lugano, Zürich und Zug abgewickelt.
Im Innerschweizer Steuerparadies hätten sich «die russischen, insbesondere Putin-nahen Gesellschaften» ab Ende 2005 gehäuft, schreibt der frühere Grünen-Nationalrat Jo Lang. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Betreiberfirma der Gaspipeline Nord Stream 2, die nach dem von Deutschland verordneten Zulassungsstopp ihre Belegschaft entliess.
Die Zuger «Putin-Connection» hatte bereits 2002 zu einer bizarren Episode geführt. Damals erhielt der russische Präsident den «Friedenspreis» eines obskuren Nuclear Disarmament Forums, der danach nie wieder verliehen wurde. Und das trotz des zweiten Tschetschenien-Kriegs. Putin selbst sagte seine Teilnahme an der Preisverleihung kurzfristig ab.
Am 3. März fand in Zug ein «Stadtrundgang» zu Rohstofffirmen mit einer gemäss Zentralplus «grossen Nähe zu Russland und damit zu Wladimir Putin» statt. Tags darauf traten vier Mitglieder der siebenköpfigen Zuger Kantonsregierung vor die Medien. Landammann Martin Pfister (Mitte) räumte ein, dass die russische Diaspora in Zug «nicht unbedeutend» sei.
Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) verteidigte die Zuger «Willkommenskultur» für alle Unternehmen und Private, «die sich an die hiesigen Gesetze, Standards und ethischen Vorgaben halten». Laut «CH Media» jedoch illustrierte der ungewöhnliche Auftritt, dass der Kanton sich in «Erklärungsnot» befinde. Für Jo Lang sitzt Zug in der «Putin-Falle».
Das defensive Verhalten ist typisch für die Schweizer Politik. So hat der Bundesrat die EU-Sanktionen übernommen. Die Vermögen der betroffenen Personen sollen blockiert werden. Allerdings will der Bund dabei keine aktive Rolle spielen. Er hat eine Meldepflicht verfügt. Deshalb suchen die Kantone nun nach Immobilien reicher Russen.
Auch die Banken sollen Konten sanktionierter Personen melden. Sie dürften sich daran halten, weil sie keine Scherereien mit der US-Justiz und ihrer KleptoCapture-Taskforce riskieren wollen. Allerdings ergibt sich ein weiteres Problem: Oft werden Vermögenswerte von Strohmännern gehalten oder in einem verschachtelten Firmenkonstrukt «versteckt».
Eine wichtige Rolle spielen dabei Anwälte, Treuhänder und andere sogenannte Finanzintermediäre. Der Bund wollte sie dem Geldwäschereigesetz unterstellen, doch nach massivem Lobbying der Branche lehnten die Bürgerlichen im Parlament dies vor einem Jahr ab, gegen den Willen übrigens von SVP-Finanzminister Ueli Maurer.
Die Jagd der multilateralen Taskforce nach russischen Vermögen könnte den Druck intensivieren. In vielen Fällen werde sie auf Briefkastenfirmen stossen, die in Genf und Zürich gegründet und betreut wurden, meint Tamedia: «Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»
Ich dachte SVP ist gegen die Willkommenskultur für Ausländer? Geht bei der Volkspartei wirklich nur ums Geld - kriminelles Geld.
Lobbing muss endlich zu 100% transparent werden! Es muss jeder einzelne Rappen offen gelegt werden. Seien es Parteispenden, Finanzielle oder Materielle geschenke an Politiker! Im heutigen digitalen Zeitalter sollte es kein Problem sein dies ohne grossen Aufwand zu bewerkstelligen! So darf es nicht weiter gehen!
.."meint Tamedia: «Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»"
Die allermeisten können genau nichts dafür, können nicht einmal davon erfahren...