Schweiz
Wirtschaft

Die Schweiz und das russische Geld im Zwielicht des Ukraine-Kriegs

Demonstranten ziehen vor dem Sitz der Nord Stream vorbei, anlaesslich dem sogenannten Putin-Rohstoffrundgang durch die Stadt Zug mit Besuchen bei russischen Rohstofffirmen wie Nord Stream, Metal Trade ...
Am 3. März fand in Zug ein «Stadtrundgang» zu russischen Firmen wie Nord Stream statt.Bild: keystone
Analyse

Die Schweiz und das russische Geld: Eine unheimliche Beziehung

Die Schweiz ist eine beliebte Destination für reiche Russen und ihre Geschäfte. Mit dem Krieg in der Ukraine droht ihr einmal mehr ein massiver Reputationsschaden.
21.03.2022, 16:1222.03.2022, 16:31
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Die Jagd ist eröffnet. Letzte Woche gründeten die USA eine multilaterale Taskforce, um im Ausland versteckte Vermögen russischer Oligarchen sowie aller Personen aufzuspüren, die «Putins unbegründete Invasion der Ukraine ermöglichten». Mit an Bord sind Australien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Kanada, Japan und die EU-Kommission.

Unterstützt wird sie von einer weiteren Taskforce des US-Justizministeriums mit dem vielsagenden Namen KleptoCapture. Nicht eingeladen wurde die Schweiz, obwohl hierzulande sehr viele russische Vermögenswerte vermutet werden. «Wir gehören gar nicht zu den Jägern – sondern zu den Gejagten», befürchten die Tamedia-Zeitungen.

FILE - Attorney General Merrick Garland listens during a meeting of the COVID-19 Fraud Enforcement Task Force at the Justice Department, March 10, 2022 in Washington. Treasury Secretary Janet Yellen a ...
US-Justizminister Merrick Garland sucht mit einer Taskforce nach russischen Kleptokraten.Bild: keystone

Beim Verstecken von Vermögen sei die Schweiz «über Jahrzehnte stramm aufseiten der Russen» gestanden, hiess es in einem Kommentar in der Samstagsausgabe. Marcel Rohner, der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, bezifferte letzte Woche die Höhe der russischen Vermögen in der Schweiz auf 150 bis 200 Milliarden Dollar.

Schweizer «Golden Visa»

Das wären rund 4 bis 5,5 Prozent der gesamten auf Schweizer Banken verwalteten ausländischen Vermögen. Seit Jahren ist die Schweiz nach Angaben der russischen Zentralbank die Destination Nummer eins für private Geldsendungen ins Ausland, vor Ländern wie Grossbritannien und Zypern, die bei reichen Russen ebenfalls sehr beliebt sind.

Das Geld von Oligarchen und Angehörigen der politischen Elite ist nur ein Aspekt, der die Schweiz in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zur Zielscheibe machen könnte. Die Lebensqualität und das milde Steuerklima üben generell auf die russische Oberschicht eine grosse Anziehungskraft aus. Sie kauft sich in mehrfacher Hinsicht bei uns ein.

So haben 85 Russinnen und Russen «die Schweizer Version eines ‹Golden Visa›, einer gekauften Aufenthaltsbewilligung» erhalten, schreibt Tamedia. Sie bilden die grösste Gruppe vor Chinesen (37) und Amerikanern (22). In der Regel erhalten Personen auf diesem Weg einen B-Ausweis, von denen sich die Kantone Steuereinnahmen versprechen.

FILE - In this file photo dated Sunday, May 16, 2021, Chelsea soccer club owner Roman Abramovich attends the UEFA Women's Champions League final soccer match against FC Barcelona in Gothenburg, S ...
Roman Abramowitsch wollte sich in Verbier niederlassen. Der Bund sagte nein.Bild: keystone

Nicht immer geht die Rechnung auf. So wollte sich Roman Abramowitsch 2016 in Verbier niederlassen, mit Hilfe der Walliser Regierung. Der Bund legte sein Veto ein, weil der Oligarch «ein Sicherheits- und Reputationsrisiko für die Schweiz» sei. Für einmal funktionierte das Frühwarnsystem, denn Abramowitsch steht derzeit besonders am Pranger.

«Erste Adresse für korrupte Russen»

Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass reiche Russen über allerlei Besitztümer in der Schweiz verfügen, darunter auch solche, deren Namen sich auf der EU-Sanktionsliste befinden. Der Oppositionspolitiker und Korruptionsjäger Alexej Nawalny bezeichnete die Schweiz 2016 im Interview mit Swissinfo als «erste Adresse für korrupte Russen».

Die russische Vorliebe für die Schweiz und ihre tiefen Steuern beschränkt sich nicht auf Privatpersonen. Rund 80 Prozent des Rohstoffhandels, der wichtigsten Geldquelle des Putin-Regimes, läuft über die Schweiz und Firmen wie Trafigura oder Vitol. Die Geschäfte werden gemäss Tamedia vor allem über Genf, Lugano, Zürich und Zug abgewickelt.

Die Zuger «Putin-Connection»

Im Innerschweizer Steuerparadies hätten sich «die russischen, insbesondere Putin-nahen Gesellschaften» ab Ende 2005 gehäuft, schreibt der frühere Grünen-Nationalrat Jo Lang. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Betreiberfirma der Gaspipeline Nord Stream 2, die nach dem von Deutschland verordneten Zulassungsstopp ihre Belegschaft entliess.

Die Zuger Regierungsraete Andreas Hostettler, Martin Pfister, Silvia Thalmann und Heinz Taennler, von links, anlaesslich einer Medienkonferenz des Kanton Zug zum Ukraine-Krieg und die Auswirkungen auf ...
Vier Mitglieder der Zuger Regierung äusserten sich am 4. März zu den Russland-Sanktionen.Bild: keystone

Die Zuger «Putin-Connection» hatte bereits 2002 zu einer bizarren Episode geführt. Damals erhielt der russische Präsident den «Friedenspreis» eines obskuren Nuclear Disarmament Forums, der danach nie wieder verliehen wurde. Und das trotz des zweiten Tschetschenien-Kriegs. Putin selbst sagte seine Teilnahme an der Preisverleihung kurzfristig ab.

Ein Kanton in Erklärungsnot

Am 3. März fand in Zug ein «Stadtrundgang» zu Rohstofffirmen mit einer gemäss Zentralplus «grossen Nähe zu Russland und damit zu Wladimir Putin» statt. Tags darauf traten vier Mitglieder der siebenköpfigen Zuger Kantonsregierung vor die Medien. Landammann Martin Pfister (Mitte) räumte ein, dass die russische Diaspora in Zug «nicht unbedeutend» sei.

Blick auf die Stadt Zug am Zugersee bei schoenem Fruehlingswetter, in Zug, am Mittwoch, 8 April 2015. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Die Stadt ZugBild: KEYSTONE

Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) verteidigte die Zuger «Willkommenskultur» für alle Unternehmen und Private, «die sich an die hiesigen Gesetze, Standards und ethischen Vorgaben halten». Laut «CH Media» jedoch illustrierte der ungewöhnliche Auftritt, dass der Kanton sich in «Erklärungsnot» befinde. Für Jo Lang sitzt Zug in der «Putin-Falle».

Vermögen werden versteckt

Das defensive Verhalten ist typisch für die Schweizer Politik. So hat der Bundesrat die EU-Sanktionen übernommen. Die Vermögen der betroffenen Personen sollen blockiert werden. Allerdings will der Bund dabei keine aktive Rolle spielen. Er hat eine Meldepflicht verfügt. Deshalb suchen die Kantone nun nach Immobilien reicher Russen.

Video: watson

Auch die Banken sollen Konten sanktionierter Personen melden. Sie dürften sich daran halten, weil sie keine Scherereien mit der US-Justiz und ihrer KleptoCapture-Taskforce riskieren wollen. Allerdings ergibt sich ein weiteres Problem: Oft werden Vermögenswerte von Strohmännern gehalten oder in einem verschachtelten Firmenkonstrukt «versteckt».

Briefkastenfirmen in Genf und Zürich

Eine wichtige Rolle spielen dabei Anwälte, Treuhänder und andere sogenannte Finanzintermediäre. Der Bund wollte sie dem Geldwäschereigesetz unterstellen, doch nach massivem Lobbying der Branche lehnten die Bürgerlichen im Parlament dies vor einem Jahr ab, gegen den Willen übrigens von SVP-Finanzminister Ueli Maurer.

Die Jagd der multilateralen Taskforce nach russischen Vermögen könnte den Druck intensivieren. In vielen Fällen werde sie auf Briefkastenfirmen stossen, die in Genf und Zürich gegründet und betreut wurden, meint Tamedia: «Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»

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95 Kommentare
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mrmikech
21.03.2022 16:44registriert Juni 2016
"Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) verteidigte die Zuger Willkommenskultur"...

Ich dachte SVP ist gegen die Willkommenskultur für Ausländer? Geht bei der Volkspartei wirklich nur ums Geld - kriminelles Geld.
20210
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_andreas
21.03.2022 17:00registriert April 2020
"Der Bund wollte sie dem Geldwäschereigesetz unterstellen, doch nach massivem Lobbying der Branche lehnten die Bürgerlichen im Parlament dies vor einem Jahr ab"


Lobbing muss endlich zu 100% transparent werden! Es muss jeder einzelne Rappen offen gelegt werden. Seien es Parteispenden, Finanzielle oder Materielle geschenke an Politiker! Im heutigen digitalen Zeitalter sollte es kein Problem sein dies ohne grossen Aufwand zu bewerkstelligen! So darf es nicht weiter gehen!
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arpa
21.03.2022 16:54registriert März 2015
Treffender Schluss:
.."meint Tamedia: «Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»"

Die allermeisten können genau nichts dafür, können nicht einmal davon erfahren...
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