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«Wir haben mittlerweile 300'000 Versicherungsprodukte, das ist nicht Wettbewerb, das ist Chaos.»

Bundesrat Alain Berset und Christine Bulliard-Marbach (CVP) unterhalten sich über die Volksinitiative für eine Einheitskrankenkasse.
Bundesrat Alain Berset und Christine Bulliard-Marbach (CVP) unterhalten sich über die Volksinitiative für eine Einheitskrankenkasse.Bild: KEYSTONE
Prämienterror der Krankenkassen sorgt für rote Köpfe

«Wir haben mittlerweile 300'000 Versicherungsprodukte, das ist nicht Wettbewerb, das ist Chaos.»

Im Nationalrat lief eine hitzige Debatte: Wollen wir eine Einheitskrankenkasse oder freien Wettbewerb? Beide Seiten befürchten das Schlimmste.
05.03.2014, 17:3423.06.2014, 10:05
Simon Jacoby
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Geht es nach Nationalrätin Jaqueline Fehr (SP), wird es immer schlimmer: «Wir haben mittlerweile 300'000 Versicherungsprodukte, das ist nicht Wettbewerb, das ist Chaos.» Zudem steigen die Prämien ungebremst weiter und belasten das Portemonnaie der Bürger. 

Bürgerlichen Politiker hingegen graut es beim Gedanken an eine staatliche Einheitskasse. Würde die Volksinitiative angenommen, hätten die Versicherten keine Wahlfreiheit mehr.

«Stellen Sie sich vor, es gibt im Laden ein Einheitsjoghurt.»
Hans-Jürg Walter (SVP)

Die Initiative «für eine öffentliche Krankenkasse» will, dass es in Zukunft für alle Versicherten nur noch eine Adresse für die obligatorische Krankenpflegeversicherung gibt. Damit würde es pro Kanton eine einheitliche Prämie geben. Alle Versicherten sollen zum gleichen Preis die gleichen Leistungen erhalten. 

«Es gibt im System enorme Ungerechtigkeiten bei den Leistungen, obwohl gemäss Gesetz in der Grundversicherung alle ein Anrecht auf gleiche Leistungen hätten.»
Jaqueline Fehr (SP)

Wie kriegen wir die Kosten in den Griff?

Bei diesem grundlegenden Richtungswechsel würden die heute 61 Anbieter für die Grundversicherung von einer einzigen Kasse abgelöst. Die Kassen dürften nur noch die Zusatzversicherungen anbieten. 

Kalter Kaffee
Das Verlangen nach einer staatlichen Krankenkasse ist nicht neu: Im Jahr 2007 lehnten Volk und Stände die damalige Forderung nach einer «sozialen Einheitskasse» ab. Im Unterschied zu aktuellen Initiative verlangte jene, dass die Prämien nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten berechnet würden.

Immerhin: Einig sind sich die Nationalräte, dass Handlungsbedarf besteht. Die ständig steigenden Kosten, die Jagd nach guten Risiken und der damit verbundene Telefonterror müssen aufhören.

Während die Befürworter der Initiative überzeugt sind, dass die Einheitskasse die Kosten massiv senken würde, sehen die Gegner den Grund für die stetig steigenden Prämien in der höheren Lebenserwartung, dem medizinischen Fortschritt und den grösseren Ansprüchen der Patienten.

Uneinigkeit besteht in der Frage, ob die Verwaltungskosten bei einer staatlichen Kasse tiefer wären, als dies heute bei den privaten der Fall ist. Um die Kosten in den Griff zu kriegen, machen sich die Bürgerlichen für Innovationen wie neue Versicherungsmodelle stark. Als Beispiel dienen die Tele Medizin oder die Hausarztmodelle. Der Ruf nach mehr Konkurrenz tat die Ratslinke indes als «Pseudowettbewerb» ab.

«Leistungserbringer fühlen sich von den Krankenversicherern schikaniert, wenn Honorarforderungen begründet werden müssen, und wir alle ärgern uns über die Telefonwerbung.»
Ruth Humbel (CVP) 
«Fakt ist, alle müssen eine Krankenversicherung abschliessen. Der einzige Wettbewerb, der stattfindet, ist derjenige der Krankenkassen nach guten Risiken.»
Regula Rytz (Grüne)

SP und Grüne alleine auf weiter Flur

Der Nationalrat empfiehlt die Initiative mit einer Zwei-Drittels-Mehrheit zur Ablehnung. Damit folgt er dem Ständerat, welcher bereits im letzten Dezember über die Vorlage diskutierte. 
Ausser der SP und den Grünen sprach sich niemand für die Einheitskasse aus. Auch die EVP verabschiedete sich heute aus dem Lager der Unterstützer.

Die von links-grünen Kreisen lancierte Initiative – unterstützt von Konsumentenorganisationen – wurde von knapp 116'000 Bürger unterschrieben und könnte noch in diesem Jahr zur Abstimmung kommen.

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