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Experte zum Verbot von «Combat 18»: «Alle Mitglieder waren gewarnt»

FILE - In this Tuesday, Oct. 28, 2003 file photo models of seized weapons are on display during a press conference by the state police in Kiel, northern Germany. Germany's top security official h ...
Beschlagnahmte Waffen von «Combat 18»-Mitgliedern (Archivbild).Bild: AP

Rechtsextremismus-Experte zum Verbot von «Combat 18»: «Alle Mitglieder waren gewarnt»

23.01.2020, 21:5823.01.2020, 23:16
Lukas Weyell / watson.de
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Am Donnerstag hat der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer die rechtsextreme Organisation «Combat 18» verboten. Die Polizei durchsuchte am Morgen in den deutschen Bundesländern Hessen, Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mehrere Wohnungen mutmasslicher Mitglieder der Gruppe.

«Combat 18» wurde mit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im vergangenen Sommer in Verbindung gebracht. Einer der Hauptverdächtigen, Stephan E., soll Kontakte zur Gruppe gehabt haben.

Was ist die Gruppe «Combat 18»?
«Combat 18» steht für Kampfgruppe Adolf Hitler. Das ist ein Neonazi-Code, die 18 steht für die Initialen von Adolf Hitler, die eins für A, den ersten Buchstaben im Alphabet, und die 8 für H, den achten Buchstaben. Das ist eine Gruppe, die 1992 in Grossbritannien gegründet wurde. Es ist der militante Arm des «Blood and Honour»-Netzwerkes. «Blood and Honour» ist ein Neonazi-Netzwerk, das vor allem rechte Musik verbreitet hat. Die haben in Italien, Russland, Schweden, Deutschland und anderen Ländern Konzerte veranstaltet und wollten über ihre Musik Leute für ihre Ideologie gewinnen.

Haben die Behörden zu lange weggeschaut?

Die deutschen Kollegen von watson.de haben mit dem Rechtsextremismus-Experten Christian Fuchs darüber gesprochen, welche Bedeutung die Gruppe für die rechte Szene hatte und ob Polizei und Verfassungsschutz zu lange zugeschaut hatten, anstatt gegen Rechtsextremismus vorzugehen.

Horst Seehofer hat «Combat 18» in Deutschland verboten. Was sind das für Menschen, die sich in dieser rechtsextremen Gruppierung organisiert haben?
Christian Fuchs: Das sind klassische Neonazis, die das Dritte Reich gut finden und antisemitisch und rassistisch eingestellt sind. In Grossbritannien erlangten sie Ende der 1990er Jahre grosse Bekanntheit durch Angriffe auf Wohnviertel, die von Migranten bewohnt waren, oder auf einen Pub, in den Homosexuelle gerne gegangen sind. Ihre krude Idee war, sie könnten diese Menschen aus Grossbritannien vertreiben, indem sie Angst und Schrecken verbreiten. Diese Idee hat dann auch der NSU in Deutschland übernommen, der nachweisbar Kontakt zu «Blood and Honour» hatte.

Wann ist «Combat 18» in Deutschland aufgetaucht?
Es gab 2001 das erste Fan-Magazin von «Blood and Honour». Das war wohl der Ursprung der Gruppe in Deutschland. Es gab zuvor schon Besuch von Aktivisten aus dem Ausland und einzelne lokale Gruppen. Aber erst später wurden sie dann auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Gruppe war ja bereits europaweit bekannt, das heisst, man wusste, wer das ist. Nachdem der NSU 2011 aufgeflogen war, war das dann auch für den Verfassungsschutz klar, was in der rechtsextremen Szene passierte.

«Gott sei Dank kam es durch ‹Combat 18› nie zu einem grösseren Anschlag, aber geplant war das durchaus.»

Der NSU verübte Attentate und tötete zehn Menschen. Was ist über die Aktivitäten von «Combat 18» bekannt?
Sie hatten Anschläge geplant, beispielsweise in Dortmund, allerdings wurden diese rechtzeitig vereitelt. Es gab aber auch Angriffe auf Polizisten und politische Gegner, die einzelne «Combat 18»-Mitglieder begangen haben. Gott sei Dank kam es da nie zu einem grösseren Anschlag, aber geplant war das durchaus.

Wenn man von diesen geplanten Anschlägen wusste, warum hat es dann so lange gedauert, diese Gruppe zu verbieten?
Wenn man die internen Dokumente anschaut, die wir vom Verfassungsschutz recherchiert haben, dann liest man zwischen den Zeilen, dass es schwierig war, sie als Organisation zu fassen. Es gab keine Mitgliedsausweise oder ein Register wie bei einem Verein. Man konnte also nur schwer nachweisen, dass die Straftaten als Organisation geplant waren und nicht nur die Taten einzelner Mitglieder. Sie können ja schliesslich auch nicht die SPD verbieten, nur weil eines seiner Mitglieder sich strafbar gemacht hat. Das war beim sogenannten «Islamischen Staat» beispielsweise anders, da gibt es stets Bekennerschreiben der Organisation, wenn ein Anhänger einen Anschlag verübt hat.

Wegen Lübckes Ermordung:

«Es sind viele Konservative innerhalb der CDU/CSU aufgewacht und haben gemerkt, dass Rechtsextremismus auch Parteifreunde treffen kann.»

Und diese Bekennerschreiben gab es von «Combat 18» nicht?
«Combat 18» hat sich nie zu Straftaten bekannt. Das machte es strafrechtlich sehr schwierig. Im Gegenteil. Die Gruppe distanzierte sich auch von rechtsextremen Straftaten wie dem Attentat auf Walter Lübcke. Es gab zwischen «Combat 18»-Mitgliedern und dem Hauptverdächtigen im Mordfall Lübcke, Stephan E., Kontakte in Kassel und in Dortmund. «Combat 18» hat sich davon losgesagt, weil die mutmasslichen Attentäter von Walter Lübcke wohl auch tatsächlich seit 2009 keinen Kontakt mehr mit der Szene hatten.

War der Mord an Walter Lübcke ein Grund dafür, dass jetzt vermehrt gegen die rechte Szene vorgegangen wird?
Absolut. Das sieht man auch an den Äusserungen von Horst Seehofer. Es sind viele Konservative innerhalb der CDU/CSU aufgewacht und haben gemerkt, dass Rechtsextremismus nicht nur ein Problem für Linke ist, sondern auch Parteifreunde treffen kann. Sie haben verstanden, dass das ein Angriff auf die Demokratie und die Mitte der Gesellschaft ist. Auch das Verbotsverfahren ist eine Reaktion auf den Mord an Walter Lübcke.

Über den Experten
Christian Fuchs ist Bestseller-Autor zum Thema Rechtsextremismus und Reporter der «ZEIT». Er hat unter anderem die Sachbücher «Die Zelle» und «Das Netzwerk der Neuen Rechten» über Rechtsextremismus geschrieben.
Rechtsextremismus-Experte Christian Fuchs
Rechtsextremismus-Experte Christian Fuchs.Bild: stephan pramme

Ist es nicht tragisch, dass der NSU vorher über zehn Jahre lang morden konnte, aber die Politik erst aufwacht, wenn einer von ihnen auf der Abschussliste steht?
Das finde ich unfair gegenüber den Sicherheitsbehörden und der Politik. Die Aufdeckung des NSU führte zu einem grossen Aufwachen in den Sicherheitsorganen. Die Abstimmung zwischen Geheimdiensten und der Polizei wurde anschliessend verstärkt und es wurde das gemeinsame Terrorabwehrzentrum gegen Rechts in Berlin aufgebaut. Man muss hier auch mal die Erfolge der Polizei sehen, zum Beispiel, dass die Gruppe Revolution Chemnitz, die Bamberger Gruppe oder die Gruppe Freital enttarnt wurden. Das sind alles Terrorzellen in den letzten Jahren gewesen, die nicht zur Tat schreiten konnten, weil sie frühzeitig entdeckt wurden. Das ist auch ein Erfolg dieser neuen Antiterror-Strategie seit 2012. Da wurde schon etwas getan, nur eben nicht gegen «Combat 18».

Aber auf der Ebene von Innenminister Horst Seehofer und auch Hans-Georg Maassen, der bis 2018 Chef des Verfassungsschutzes war, schien man sich teils schwer zu tun, die Gefahr des Rechtsextremismus richtig einzuschätzen.
Das stimmt. Das war sicher auch ein grosses Versagen und eine falsche Gewichtung. Aber man muss auch sehen, dass der islamistische Terror mit seinen medienwirksamen Anschlägen nach dem 11. September 2001 eine grosse Angst in der Bevölkerung verursachte. Das war nicht nur bei den Behörden so, dass der islamistische Terror als die grössere Gefahr wahrgenommen wurde, das kam auch bei den Leuten so an. Da hat man die Gefahr durch Rechtsextremismus eben etwas aus den Augen verloren.

«Alle Mitglieder waren gewarnt und konnten ihre Waffen und Unterlagen leicht verschwinden lassen.»

Wie würden Sie die Massnahmen bewerten, die Horst Seehofer seit dem Anschlag in Halle im vergangenen Herbst angekündigt hat?
Es ist noch zu früh, das zu bewerten. Ich finde merkwürdig, dass man über ein halbes Jahr gebraucht hat, um das Verbotsverfahren gegen «Combat 18» durchzuziehen. Da waren alle Mitglieder gewarnt und konnten ihre Waffen und Unterlagen leicht verschwinden lassen. Wenn man sieht, was in der Bundeswehr und der Polizei an rechten Netzwerken durch Journalisten aufgedeckt wurde, dann fragt man sich teilweise auch, warum das nicht den Sicherheitsorganen aufgefallen ist.

Wie hart ist denn dieses Verbot von «Combat 18» für die rechte Szene?
Das ist eher symbolisch. Die Gruppe ist nur noch eine ganz kleine Gruppe um ungefähr 20 Personen. Die hat keinen so grossen Einfluss mehr und war eher eine überholte Gruppierung. Heute organisieren sich Rechtsextreme auch in ganz anderen Strukturen. Man weiss auch, dass Mitglieder von «Combat 18» bereits andere Gruppen gefunden haben, in denen sie sich heute organisieren.

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34 Kommentare
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FITO
24.01.2020 04:34registriert April 2019
Da wird einem nur noch übel!
Nach dieser "Zersplitterung" organisieren sie sich halt neu in in diversen Zellen und internationalen Sektionen.
Dies hier scheint doch eine umfassender Überblick dieser Szene zu sein:
http://exif-recherche.org/?p=4399
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The fine Laird
24.01.2020 06:54registriert November 2014
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Rechtsextremismus-Experte zum Verbot von «Combat 18»: «Alle Mitglieder waren gewarnt»
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Jawolaufensiedenn
24.01.2020 04:42registriert März 2017
Über kurz oder lang werden sich alle Combat 18 Anhänger, Reichsbürger und das ganze rechtsradikale Gesocks bei der AfD einfinden und lustig im Bundestag mitregieren. Das gab es schon einmal in Deutschland. Damals hiess das noch Reichstag. Wir Deutschen sind so blöd, dass es schon weh tut!!!
Wenn wir Glück haben wird es kein drittes Mal geben, weil der Planet bis dahin verglüht ist
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