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Die Frau, die die Männer auf den Mond schoss (und sicher zurückbrachte)

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Menschen auf dem Mond – die Geschichte des Apollo-Programms
Im Zuge ihres legendären Apollo-Programms hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa zwischen Juli 1969 und Dezember 1972 zwölf Menschen auf den Mond und wieder zurück zur Erde gebracht. So fing alles an ...
quelle: epa / nasa / ho
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Die Frau, die Männer auf den Mond schoss und Informatik-Geschichte schrieb

Die Mondlandung vor 50 Jahren ist untrennbar mit der Informatikerin Margaret Hamilton verbunden. Sie war für die Software zu Apollo 11 verantwortlich.
20.07.2019, 09:5820.07.2019, 22:23
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Das Wichtigste in Kürze

Die Mondlandung am 21. Juli 1969 wurde durch Pionierarbeit bei Computern möglich gemacht – die bis heute nachwirkt. So wurden erstmals Vorgänger heutiger Chips eingesetzt und die Regeln guten Software-Designs geprägt. Zu einer stillen Heldin wurde die Informatikerin Margaret Hamilton.

This July 1969 photo provided by NASA shows launch controllers in the firing room at the Kennedy Space Center in Florida during the Apollo 11 mission to the moon. In the third row from foreground at c ...
Bild: AP

Gab's damals überhaupt schon Computer?

Ja, aber keine mit der nötigen Leistung.

Schon als die US-Mission zum Mond beschlossen wurde, war klar, dass die Astronauten beim Anflug Hilfe von einem Computer brauchen würden. Einer Maschine, die verlässlich ist, möglichst wenig Strom verbraucht, nicht viel Platz einnimmt und einfach zu bedienen ist.

Doch als US-Präsident John F. Kennedy im Mai 1961 das Ziel verkündete, bis Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf die Mond-Oberfläche zu bringen, existierte ein solcher Computer nicht einmal annähernd. Die Rechner waren eher genau das Gegenteil: Sie stürzten häufig ab, waren mindestens so gross wie mehrere Kühlschränke und mussten oft noch über Lochstreifen mit Informationen gefüttert werden.

Was für ein Computer war an Bord von Apollo 11?

Die in jahrelanger Entwicklungsarbeit entwickelte Lösung hiess AGC – Apollo Guidance Computer – und die Maschine bedeutete in vieler Hinsicht Neuland, um den Anforderungen gerecht zu werden. Manche Neuerungen setzten sich dauerhaft durch: So wurden im AGC zum ersten Mal integrierte Schaltkreise eingesetzt – sozusagen die Vorfahren heutiger Mikrochips.

Ganz nebenbei schaffte es die US-Raumfahrtagentur Nasa auch noch, durch ihre Grossbestellungen den Preis der Chips drastisch zu senken, schrieb der Raumfahrt-Historiker Charles Fishman, der die technische Geschichte der Mond-Mission im Buch «One Giant Leap» aufarbeitete. Von 1000 Dollar pro Schaltkreis bei der ersten Order 1962 purzelte der Preis schon binnen eines Jahres auf 15 Dollar und schmolz bis 1969 auf nur noch 1.58 Dollar zusammen.

Aus heutiger Sicht kann es schwer fallen, nachzuvollziehen, wie bahnbrechend die Apollo-Computer für ihre Zeit waren. Sie kamen auf 85'000 Rechenoperationen pro Sekunde – Apples A12-Chip im aktuellen iPhone XS schafft 5 Billionen.

Für die 1960er Jahre war es aber ein Leistungssprung, der unter anderem möglich wurde, weil die integrierten Schaltkreise mehr Leistung bei gleichem Volumen erlaubten. Der Apollo-Computer empfing Daten vom Radar und anderen Sensoren sowie von der Bodenstation und steuerte das Raumschiff. Die Mondfähre und das eigentliche «Apollo-11»-Raumschiff hatten jeweils einen AGC.

Genähter Speicher – was war das?

Die Innovation, den Speicher für den Computer buchstäblich zu nähen, war allerdings zu speziell, um ausserhalb der Mondmissionen Anwendung zu finden. Für den Hauptspeicher, in dem die Software des Apollo-Computers steckte, wurde die sogenannte Core Rope Memory erfunden – auf Deutsch auch «Fädelspeicher» genannt.

Die Entwickler suchten nach einem Medium, das – statt etwa Magnetspeichern – extrem widerstandsfähig gegen alle Arten von Strahlung sein sollte. Der in binäre Zahlenkombinationen aus Nullen und Einsen umgewandelte Softwarecode wurde tatsächlich fest vernäht: Ging der Draht durch einen Ferritkern, wurde eine Eins ausgelesen, führte er am Kern vorbei, war das eine Null.

Dutzende Frauen fädelten die Drähte monatelang mit Spezialmaschinen durch und durften sich keinen einzigen Fehler erlauben. Der Speicher hatte ein Fassungsvermögen von 73 Kilobyte – viele E-Mails, die man heute bekommt, sind grösser.

Wie steuerten die Astronauten den Computer?

Zur Kommunikation der Astronauten mit den Computern dachten sich die Entwickler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei Boston ein System aus, das die schnelle Eingabe von Befehlen erlaubte. Es wurde eine Liste von «Verben» und «Substantiven» («Verb» und «Noun» auf Englisch) festgelegt, die für einzelne Aktionen und Begriffe standen.

Zur Eingabe gab es ein Zahlenfeld mit extra grossen Tasten, damit die Astronauten sie auch mit den Handschuhen ihrer Raumanzüge sicher treffen konnten, sowie Vorwahl-Tasten für «Verb» und «Substantiv». Gab ein Raumfahrer zum Beispiel «Verb 34» ein, bedeutete das «beenden», «Noun 46» stand für «Konfiguration des Autopiloten». Die Programmierer bauten in den Software-Code als Scherz ein Shakespeare-Zitat, in dem die Worte «Verb» und «Noun» vorkamen.

Wie wurde die Software programmiert?

Geschrieben war die Software des Apollo-Computers in Maschinensprache (Assembler). Die Direktorin der Software-Entwicklung, Margaret Hamilton, posierte damals für ein Foto neben einem Stapel des ausgedruckten Programmcodes – die Bände erreichten praktisch ihre Grösse.

Margaret Hamilton mit dem Quellcode für die Apollo-11-Mission.
Margaret Hamilton mit dem Quellcode für die Apollo-11-Mission.bild: via twitter

Die Seiten wurden später eingescannt und der Code ist heute unter anderem auf der Entwicklerplattform Github verfügbar. Einige Enthusiasten bauten auf dieser Basis Emulatoren auf, mit denen man einen virtuellen Apollo-Computer bedienen kann.

Hamilton und ihr Team versuchten, den Computer so robust wie möglich arbeiten zu lassen und zementierten dabei einige Grundsätze auch heutiger Software-Entwicklung. So legten sie fest, dass Aufgaben priorisiert wurden – und bei Bedarf weniger wichtige Aktionen einfach abgebrochen wurden, um Kapazität freizumachen. Das könnte einen Abbruch der «Apollo 11»-Mission kurz vor dem Ziel verhindert haben.

Was ging beinahe schief?

Drei Minuten vor der Landung auf dem Mond am 20. Juli 1969, als der Computer den Anflug berechnen sollte, meldete er plötzlich Fehler – aus Überlastung, wie man später herausfand. Der Grund war ein nicht behobener Konstruktionsmangel, wie der Autor David Mindell im Buch «Digital Apollo» beschrieb.

Bei der NASA war Margaret Hamilton dafür verantwortlich, die On-Board-Flugsoftware zu entwickeln, die notwendig war, um zum Mond und zurück zu navigieren sowie auf dem Mond zu landen.
Bei der Nasa war Hamilton dafür verantwortlich, die On-Board-Flugsoftware zu entwickeln, die es brauchte, um zum Mond und zurück zu navigieren.bild: wikimedia CC BY-SA 3.0

Die Astronauten liessen neben dem Radar für die Landung auch den sogenannten Rendezvous-Radar laufen, der für die spätere Annäherung an das Raumschiff gebraucht wurde. Das war eine Vorsichtsmassnahme für den Fall, dass die Mondfähre schnell zum Hauptschiff zurückkehren musste.

Anders als bei Tests am Boden wurden die beiden Radare aus zwei verschiedenen Wechselstromquellen gespeist, die in verschiedenen Phasen liefen. Dadurch nahm der Rendezvous-Radar Interferenzen wahr und lastete den Bordcomputer mit der sinnlosen Aufgabe aus, sie zu interpretieren. Das von Hamilton entworfene System konnte zum Glück «Priorisieren», brach darum den Prozess als nebensächlich ab und machte die nötige Rechenleistung für die Landung frei.

Es ist bereits eine Lego-Figur nach der Informatik-Heldin benannt worden.
Es ist bereits eine Lego-Figur nach der Informatik-Heldin benannt worden.bild: via twitter

(dsc/sda/dpa)

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32 Kommentare
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Alnothur
20.07.2019 10:46registriert April 2014
Sie hat weder den ganzen Code selbst geschrieben - was mit dem Stapel-Foto, und auch diesem Titel, wieder und wieder impliziert oder gar illustriert wird - noch ist sie in irgend einer Form eine "Heldin". Sie war eine Informatik-Wissenschaftlerin und hat einige wichtige, grundlegende Konzepte entwickelt und mitentwickelt. Sie eine Pionierin zu nennen, wäre die passendere Bezeichnung.
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Turrdy
20.07.2019 16:17registriert März 2018
In dieser Zeit wurden Leute, die Software schrieben, noch nicht als Ingenieure wahrgenommen. Erst durch Hamilton und ihr Team wurde Software-Engineering auch unter den Hardware-Gurus als eigenständige Ingenieursdisziplin ernstgenommen!
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Lowend
20.07.2019 18:32registriert Februar 2014
Einfach zur Orientierung, aber wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit die Schweizerinnen noch kein Stimmrecht hatten und nur arbeiten durften, wenn sie die Erlaubnis ihres Ehemannes hatten, kann man solche Frauen schon als Heldinnen oder Pionierinnen sehen.

Ich spüre einfach bei vielen Kommentaren, dass es einigen Jungs gar nicht bewusst zu sein scheint, dass Frauen damals noch nicht die gleichen Rechte wie Männer genossen und solche Karrieren, wie die von Margaret Hamilton, für die damalige Zeit aussergewöhnlich waren!
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