GPK kritisiert grosse kantonale Unterschiede bei Ausschaffungshaft

GPK kritisiert grosse kantonale Unterschiede bei Ausschaffungshaft

28.06.2018, 13:08

Abgewiesene Asylsuchende werden in manchen Kantonen mit grosser Wahrscheinlichkeit inhaftiert, in anderen nicht. Auch Kinder werden in der Schweiz inhaftiert. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK) kritisiert diese Zustände.

Im Durchschnitt kommt schweizweit ungefähr jede fünfte Person mit einem negativen Asylentscheid in Administrativhaft. Das zeigt eine Untersuchung der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) im Auftrag der GPK.

Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind aber gross. Für die GPK stellt sich die Frage, ob das rechtmässig ist. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht verweist sie auf das Prinzip der Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit.

Grosse Spannweite

Die Asylsuchenden hätten keinen Einfluss darauf, welchem Kanton sie zugeteilt würden, gibt die GPK zu bedenken. Die Zuteilung habe aber für sie erhebliche Konsequenzen. Im Kanton Genf liegt die Haftquote bei 11 Prozent, im Kanton Obwalden bei 46 Prozent.

Die Unterschiede sind gemäss der PVK nur zu einem kleinen Teil mit Herkunft, Alter oder Geschlecht der Asylsuchenden zu erklären. Die GPK hält dazu fest, sie könne aufgrund der Resultate nicht ausschliessen, dass in gewissen Fällen die Inhaftierung nicht rechtmässig gewesen sei. Sie fordert den Bundesrat auf, auf eine Harmonisierung der kantonalen Praxis hinzuwirken.

Inhaftierung von Kindern

Harsche Kritik übt die GPK an der Inhaftierung von Kindern. Sie fordert den Bundesrat auf, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und dafür zu sorgen, dass Minderjährige unter 15 Jahren nicht inhaftiert werden. Für den Vollzug der Wegweisung von Familien seien alternative Möglichkeiten zu prüfen.

Laut Gesetz ist die Inhaftierung von Kindern unter 15 Jahren verboten. Trotzdem kommt es in einigen Kantonen dazu. Genaue Angaben fehlen allerdings, weil die Kantone diese Fälle nicht oder nicht einheitlich registrieren.

Kanton Bern in der Kritik

Gemäss den registrierten Daten inhaftiert vor allem der Kanton Bern Kinder im Familienverbund, was gemäss der GPK rechtswidrig sein dürfte. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) stellte allerdings systematische Fehlerfassungen durch die Kantone fest. Die Zahlen sind deshalb nicht aussagekräftig.

Die GPK fordert den Bundesrat auf, hier rasch Klarheit zu schaffen. Zudem soll er darauf hinwirken, dass für Minderjährige über 15 Jahren geeignete Haftplätze zur Verfügung stehen.

Untergetauchte erfassen

Weiter wünscht die GPK, dass untergetauchte Personen als solche erfasst werden. Sie erachtet den Begriff der unkontrollierten Abreise als irreführend, weil diese Kategorie auch Personen erfasst, die nicht abgereist sind.

Die PVK hat über 61'000 negative Asylentscheide untersucht. 47 Prozent der Betroffenen reisten kontrolliert aus der Schweiz aus, 25 Prozent unkontrolliert. Bei den restlichen 20 Prozent blieb der Ausreisestatus offen. Faktisch tauchte gemäss der PVK etwa ein Drittel der abgewiesenen Asylsuchenden ab.

Datenverwaltung ineffizient

Die GPK kritisiert ferner die Datenverwaltung beim Wegweisungsvollzug. Diese weise teilweise gravierende Mängel auf. Damit das SEM die Aufsicht über die Administrativhaft gemäss Gesetz wahrnehmen könne, müssten verlässliche Daten zur Verfügung stehen, hält sie fest.

Die Untersuchung der PVK zeigte auch, dass die Schweiz mehr Wegweisungen vollzieht als andere Staaten. Zudem machte sie gemäss der GPK deutlich, dass die verschiedenen Formen der Administrativhaft ein wirksames Instrument darstellen, um Wegweisungsentscheide zu vollziehen.

Zusammenarbeit mit Herkunftsstaaten

Zur Administrativhaft gehören die Vorbereitungs-, die Ausschaffungs- und die Durchsetzungshaft. Inhaftiert werden dürfen abgewiesene Asylsuchende nur dann, wenn die Wegweisung tatsächlich möglich ist und innert absehbarer Frist vollzogen werden kann - wenn die Person also in den zuständigen Dublin-Staat oder ins Herkunftsland zurückgeschickt werden kann.

Aus diesem Grund werden Personen, die in einen Dublin-Staat zurückgeschickt werden können, viel häufiger inhaftiert als jene, die in ihren Herkunftsstaat ausreisen sollen. Bei den Dublin-Fällen ist die Administrativhaft auch sehr wirksam: Die Inhaftierten reisen in 99 Prozent der Fälle aus. Bei jenen, die nicht inhaftiert wurden, reisten nur 28 Prozent aus.

Bei jenen Personen, die in den Herkunftsstaat zurückgeführt werden, liegt die Quote erheblich tiefer. Wichtig sei deshalb die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten, stellte die Verwaltungskontrolle fest. (sda)

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