Der vierfache Mörder von Rupperswil wird ordentlich verwahrt. Die Verwahrung schliesst sich an eine lebenslängliche Freiheitsstrafe an, die das Bezirksgericht Lenzburg am Freitag verhängt hat.
Während des Strafvollzugs muss der Verurteilte eine ambulante Therapie absolvieren. Das Gericht sprach den Beschuldigten gemäss Anklage diverser Verbrechen schuldig, die meisten mehrfach verübt: Mord, räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme, sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Pornografie, Brandstiftung, Urkundenfälschung und strafbare Vorbereitungen zu Mord und weiteren Delikten.
Zudem verpflichtete es den 34-jährigen Mann zur Zahlung von mehr als einer Million Franken für Zivilforderungen, Verfahrenskosten, Gebühren und weitere Kosten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Für die von der Anklage geforderte lebenslängliche Verwahrung fehle eine wichtige Voraussetzung, sagte Gerichtspräsident Daniel Aeschbach. Der Beschuldigte sei nicht, wie vom Gesetz verlangt, von zwei unabhängigen Gutachtern als dauerhaft untherapierbar bezeichnet worden.
Keine dauerhafte Untherapierbarkeit
Im Gegenteil hätten beide Experten - anerkannte Grössen auf ihrem Gebiet - in ihrer Befragung am Dienstag «unmissverständlich und klar» eine dauerhafte Untherapierbarkeit verneint.
Für eine ordentliche Verwahrung dagegen seien alle Voraussetzungen erfüllt: Der Beschuldigte habe mehrere Morde und andere schwere Verbrechen begangen, die Gutachter hätten eine hohe Rückfallgefahr erkannt, und er habe lang andauernde psychische Störungen, namentlich seine Kernpädophilie.
Diese bedürften laut den Gutachtern langjähriger Behandlung. Eine stationäre Massnahme hätten die Experten nicht angestrebt - innert fünf Jahren seien beim Beschuldigten keine Erfolge zu erwarten.
Äusserst schweres Verschulden
Angesichts der Vielzahl und der Schwere der Taten sei für das Bezirksgericht Lenzburg «nur eine lebenslängliche Freiheitsstrafe in Betracht gekommen», sagte Aeschbach. Das äusserst schwere Verschulden des 34-Jährigen rechtfertige die höchste Strafe, die das Schweizer Strafrecht kenne.
Das Geständnis des Beschuldigten, seine Kooperation in der Untersuchung und die von der Verteidigung angeprangerte mediale Behandlung fielen insgesamt «nicht relevant» strafmildernd aus. Dass der Mann keine Vorstrafen habe und sich im Strafvollzug tadellos verhalte, «kann erwartet werden» und sei neutral zu werten.
«Highway des Grauens»
Der Beschuldigte habe nach eigenen Angaben ein «Konstrukt» im Kopf entwickelt, sagte Aeschbach. Es umfasste den sexuellen Missbrauch des Buben, die Geldbeschaffung, die Tötungen und die Brandstiftung.
Der Täter «wartete geduldig», bis er das «Konstrukt» in die Tat umsetzte. Dann sei es gewesen, als ob er in einem Fahrzeug ohne Bremsen und mit Autpilot auf der «Highway des Grauens» fahre und Gas gebe.
Heimtückisch habe er das Vertrauen der Hausbewohnerin erschlichen und sich damit Einlass verschafft. Zielstrebig und konsequent habe er die Tötungen verübt - alles ganz nach seinem Konstrukt. Er habe die Tat kaltblütig geplant und mitleid- und empathielos durchgeführt. Und er habe aus krass egoistischen Beweggründen gehandelt.
Dabei hätte er mehrfach Gelegenheit gehabt, seine Pläne zu ändern. Das Konstrukt habe dies aber nicht zugelassen. Auch vor und nach der Tat habe er eine enorme Kälte und Selbstbeherrschung gezeigt. Der Vierfachmörder blieb während der Urteilseröffnung völlig ausdruckslos, zwischendurch schloss er die Augen.
Weiterzug offen
Die amtliche Verteidigerin, Renate Senn, sprach in einer Reaktion von einem «harten Urteil». Besonders die Verwahrung sei für ihren Klienten «schwer nachvollziehbar». Auf der anderen Seite sei er froh, eine ambulante, vollzugsbegleitende Massnahme erhalten zu haben.
Es sei «gutes Urteil», sagte Staatsanwältin Barbara Loppacher. Erklärtes Ziel sei, dass der Täter nie mehr auf freien Fuss komme, hielt die Staatsanwältin fest: «Ich bin davon überzeugt, dass der Mann sehr, sehr gefährlich ist. Ich glaube nicht, dass die ambulante Behandlung daran etwas ändern wird.»
Anklage und Verteidigung wollen über einen allfälligen Weiterzug erst entscheiden, wenn die schriftliche Begründung des Urteils vorliegt.
Vier Menschenleben ausgelöscht
Der Mann hatte sich am 21. Dezember 2015 mit gefälschten Schreiben, die ihn als Schulpsychologen auswiesen, Einlass in ein Haus in der Nachbarschaft in Rupperswil AG verschafft, wo ein 13-jähriger Bub lebte, der im Zentrum seines pädophilen Begehrens stand.
Unter Drohung mit einem Messer brachte er den Buben, dessen 48-jährige Mutter, den noch schlafenden 19-jährigen Sohn und dessen 21-jährige Freundin in seine Gewalt, fesselte sie und verklebte ihnen die Münder. Die Mutter zwang er, Geld von zwei Banken zu holen.
Dann verging er sich aufs Übelste am 13-Jährigen. Anschliessend tötete er alle vier Personen, zündete das Haus an und ging weg. Kurz danach suchte er im Internet erneut Knaben, die ihm gefielen, spähte ihre Familien aus, bereitete seinen Rucksack vor und fuhr an die Wohnorte der Kinder. Bevor er erneut zuschlagen konnte, wurde er am 12. Mai 2016 gefasst.
Entscheidende Spuren bleiben geheim
Auch nach dem Prozess vor dem Bezirksgericht Lenzburg bleibt offen, wie die Polizei letztlich auf die Schliche des Täters gekommen war. «Die Polizei hat gut gearbeitet», hielt Loppacher lediglich fest. «Wir möchten nicht irgendwie Gelegenheit bieten, dass andere Leute ihre Spuren so verwischen können, dass man diesen nicht auf die Schliche kommen kann.» (sda)