Das System der Ergänzungsleistungen (EL) ist reformbedürftig. Es gilt, das Kostenwachstum zu bremsen und die Mittel gezielt für die tatsächlich bedürftigen Rentnerinnen und Rentner einzusetzen. Der Handlungsbedarf ist im Nationalrat unbestritten.
Der Rat hat am Mittwochmorgen die Debatte zur EL-Reform aufgenommen. Die Details wurden noch nicht beraten. Die Fraktionen haben sich erst grundsätzlich zur Vorlage geäussert. Die unterschiedlichen Stossrichtungen wurden aber bereits sichtbar.
Die SVP begrüsste die zusätzlichen Massnahmen, die die Sozialkommission des Nationalrats vorschlägt. Dazu gehört eine Vermögensschwelle von 100'000 Franken. Wer mehr besitzt, soll keinen Anspruch auf EL haben. Anders als der Ständerat will die Kommission zudem eine Karenzfrist von 10 Jahren einführen. Diese trifft Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.
Finanzieller Bumerang
SVP-Sprecher Thomas de Courten (BL) ortet Fehlanreize im geltenden Recht. Professionelle Steuer- und Vermögensberater führten ihre Klientel gezielt zu Ergänzungsleistungen hin, was die Kosten in die Höhe treibe. «Die Sicherheit des sozialen Auffangnetzes wird zum Bumerang in finanzieller Hinsicht», sagte der SVP-Sprecher. Störend sei auch, wenn jene gegenüber EL-Bezügern benachteiligt würden, die sich rechtzeitig um ihre Altersvorsorge gekümmert hätten.
Auch die BDP will Fehlanreize abbauen und Schwelleneffekte vermeiden. Es dürfe sich nicht lohnen, wegen EL-Beiträgen auf Arbeit zu verzichten, sagte Lorenz Hess (BE). Er mahnte jedoch vor zu weit gehenden Massnahmen: «An dieser Vorlage zeigt sich, wie wir mit den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft umzugehen gedenken», sagte er.
Unter dem Strich Abbau
Auch die Grünen sehen diese Gefahr. Ihrer Ansicht nach bringt die Reform zwar Verbesserungen, etwa bei den Mietzinsen und beim betreuten Wohnen. Unter dem Stricht droht laut Christine Häsler (BE) jedoch ein Abbau. Die Vorlage müsse entschärft werden. «Wir sprechen von Menschen, die mit ihrer IV oder ihrer AHV ihren Lebensbedarf nicht decken können.»
Es gehe um Existenzsicherung, sagte auch SP-Sprecherin Silvia Schenker (BS). Mit Ergänzungsleistungen lebten die Bezügerinnen und Bezüger immer noch mit dem Existenzminimum. Für die SP ist es daher besonders stossend, dass die Kommission die EL um 10 Prozent kürzen will, wenn jemand sein Vermögen aufgebraucht hat.
Obwohl dieser und andere Vorschläge der Linken zu weit gehen, hat diese die Reform bisher nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Mit der Erhöhung der maximal anrechenbaren Mietzinse oder der geplanten Unterstützung des betreuten Wohnens steht für sie zu viel auf dem Spiel. Es brauche Korrekturen, sagte Schenker. Die SP will erst im Licht der Beschlüsse des Nationalrats entscheiden, wie sie sich in der Schlussabstimmung verhält.
Zusätzliches Sparpotenzial
Die FDP dagegen sieht noch zusätzliches Sparpotenzial, wie Regine Sauter (ZH) sagte. Den Kapitalbezug will die FDP jedoch nicht einschränken. Der Ständerat will mit einer Einschränkung immerhin 100 Millionen Franken sparen. «Wir wehren uns gegen eine solche Bevormundung», sagte Sauter.
Für CVP-Sprecher Christian Lohr (TG) gehört gerade die Einschränkung des Kapitalbezugs zu den vernünftigen Massnahmen. Eigenverantwortung stehe an erster Stelle, sagte er. Menschen, die das nicht leisten könnten, brauchten aber Unterstützung.
Am Nachmittag steigt der Nationalrat in die Detailberatung ein. Die Anträge seiner Kommission würden zu Einsparungen bei der EL von 550 Millionen Franken führen. Hinzu kommen geplante Anpassungen bei den Krankenkassenprämien. Die Erhöhung der Mietzins-Maxima und die Unterstützung des betreuten Wohnens führt auf der anderen Seite zu Mehrkosten von knapp 300 Millionen Franken. (sda)