Bundesanwaltschaft muss im Phishing-Prozess nachbessern

Bundesanwaltschaft muss im Phishing-Prozess nachbessern

26.10.2016, 17:56

Im Phishing-Prozess vor dem Bundesstrafgericht muss ein ordentliches Vorverfahren abgewickelt werden. Weil das Gericht die Zuständigkeit eines Schweizer Gerichts für im Ausland begangene Taten in Frage stellte, muss nun die Bundesanwaltschaft erneut über die Bücher.

Der Fall werde zur Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens an die Bundesanwaltschaft zurückgewiesen, sagte die Richter zum Beginn der Urteilsverkündung. Zwar seien auch Schweizer durch die Angeklagten geschädigt worden, so die Richterin.

Allerdings handele es sich im Kern um Straftaten die von Ausländern im Ausland grösstenteils zum Schaden von Ausländern begangen wurden. Damit könne auf Grundlage der Anklageschrift kein Urteil gefällt werden. Die Schweiz habe sich mit dem Übereinkommen über die Cyberkriminalität nicht verpflichtet, Fälle im Ausland zu verfolgen.

Demnach müsse die Zuständigkeit nun wieder bei der Bundesanwaltschaft liegen, sagte die Richterin. Damit widerspricht das Gericht der Bundesanwaltschaft, welche sich mit den Parteien auf ein abgekürztes Verfahren geeinigt hatte.

Die Täter mit russischer und marokkanischer Staatsbürgerschaft waren im Vorfeld geständig und hatten eine Haftstrafe von drei Jahren akzeptiert. Sie hatten von Thailand aus Daten von Kreditkartenbesitzern über das Internet gestohlen, wobei den Schweizer Betroffenen ein Schaden von rund 3.5 Millionen Franken entstand.

Pilotverfahren gescheitert

Die BA hatte bereits im Vorfeld von einem Pilotverfahren in diesem Bereich gesprochen. Nun sei die Anklage «gescheitert», sagte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft im Anschluss an die Urteilsverkündung. Er sei nicht « wirklich überrascht» vom Entscheid der Richter. Die BA müsse nun die ausländischen Strafverfolgungsbehörden über den Entscheid vom Mittwoch in Kenntnis setzen und dann die entsprechenden Reaktionen abwarten.

Für die BA war es auch ein Versuch, mit welchen Ressourcen ein entsprechendes Verfahren im Zusammenhang der Cyberkriminalität durchgeführt werden kann - in den vergangenen Jahren wurden laut der BA über 500 Fälle allein für das Phishing von Kreditkarten gemeldet.

Es war überhaupt das erste Mal, dass die Schweizer Justiz einen weltweit durchgeführten Phishing-Betrug vor Gericht brachte - neu war auch, dass Anklage gegen mutmassliche weltweit aktive Täter eingereicht wurde, die sich physisch nicht in der Schweiz aufhielten.

Enormer Aufwand für BA

«Wir führen heute ein Verfahren von morgen mit den Mitteln von gestern», sagte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft am Mittwoch im Gerichtssaal. Nicht nur die Identifizierung von Phishing-Tätern stelle eine Herausforderung dar - Rechtshilfegesuche an multinationale Internetkonzerne in den Vereinigten Staaten würden grosse Zeit in Anspruch nehmen.

Hinzu komme der ermittlungstechnische Aufwand: Allein das Facebook-Profil eines der Angeklagten habe mehr als 29'000 Seiten betragen, so der Staatsanwalt.

Die Anwälte der drei Angeklagten konnten noch keinen konkreten nächsten Schritt in dem Fall benennen. Eine mögliche Haftentlassung ihrer Mandanten könnte unter Umständen auch zu einer Auslieferung an ein anderes Land führen.

Über fremde Kreditkarten Hotels bezahlt

Konkret wurde den Männern vorgeworfen, seit 2008 ihren Lebensunterhalt mit dem Phishing von Kreditkartendaten bestritten zu haben - dabei sollen sie innerhalb von sechs Jahren insgesamt 133'610 Kreditkartendaten missbräuchlich über das Internet beschafft haben.

Davon stammten 3602 Datensätze von Schweizer Kreditkartenbesitzern. Bei wiederum zwei Drittel von ihnen wurden unrechtmässige Transaktionen ausgelöst. Der so entstandene Schaden betrug rund 3.5 Millionen Franken. Die anderen Kreditkartendaten stammten von Personen aus den USA, Grossbritannien, Frankreich und Dänemark.

Die Männer nutzten die Datensätze, um sie an Dritte weiterzuverkaufen oder um Hotelübernachtungen, Flugtickets beziehungsweise Computer zu kaufen. Liessen sie Gelder auszahlen, dann nutzten sie in vielen Fällen Mittelsmänner, um nicht zu oft selbst in Erscheinung zu treten.

Die Männer sollen nur ein Teil einer grösseren Gruppierung von Kreditkartenbetrügern sein, die laut Anklageschrift immer noch aktiv ist. Es handle sich um einen «Kollegenkreis», der sich bereits seit Kindesbeinen an aus der marokkanischen Stadt Rabat kennt. (sda)

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