Die Chefin des neuen UNO-Organs für Beweismittel syrischer Kriegsverbrechen, Catherine Marchi-Uhel, hat sich gegen Vorwürfe der Schweizerin Carla del Ponte verteidigt. Die Französin zeigte aber auch Verständnis für del Pontes «Frustration».
Sehr wichtig seien die Kenntnisse, was eine Anklageschrift enthalten müsse, sagte Marchi-Uhel am Dienstag vor den Medien in Genf. Sie habe sich damit mindestens sechs Jahre ihres Berufslebens beschäftigt, an verschiedenen Stellen des Justizwesens, sagte die frühere Richterin.
Marchi-Uhel war unter anderem auch Vorsteherin der Kammern des internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, an welchem del Ponte Chefanklägerin gewesen war. Die Tessinerin gab vor kurzem ihren Rücktritt aus der unabhängigen Untersuchungskommission für Syrien bekannt.
Sie sei resigniert. Sie sehe keinen politischen Willen zur Unterstützung des Gremiums, hatte sie vor einem Monat erklärt. Die Beweise gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad seien genügend.
Del Ponte bedauerte auch die Ernennung von Marchi-Uhel, da die Französin keine Erfahrung als Staatsanwältin habe. Sie selber habe den Posten abgelehnt um jungen Staatsanwälten eine Chance zu geben, hatte del Ponte gesagt.
Hauptverantwortung bei Syrien
Die neue UNO-Stelle, an deren Spitze sie im Juli ernannt worden war, sei «international, unparteiisch und unabhängig», sagte Marchi-Uhel. Es sei weder eine Staatsanwaltschaft, noch ein Gericht. Sie sehe ihre Rolle als Mischung zwischen Untersuchungsrichter und Staatsanwalt, und sie sei bereit nach Syrien zu reisen. Allerdings müsse sie damit rechnen, dass die syrischen Behörden dagegen sein könnten.
Mit Blick auf die Untersuchungskommission, der auch del Ponte bis zum 18. September noch angehört, rücke die Phase näher, in welcher es zu Strafverfolgung und Prozessen kommen könnte, zeigte sich Marchi-Uhel zuversichtlich. Die Kommissionsliste mutmasslicher Kriegsverbrecher als solche sei kein Beweisstück, aber Teil von Beweismaterial für Gerichtsunterlagen.
Die Französin möchte nicht auf internationale Rechtssprüche warten. Es gebe Länder, die schon Verfahren eingeleitet hätten. Das von ihr präsidierte Organ garantierte, dass den zuständigen Stellen das nötige Beweismaterial geliefert werde und nicht einfach Todesstrafen verhängt würden. Die Hauptverantwortung liege bei Syrien und dessen Gerichten, wenn dann der geeignete Zeitpunkt dafür gekommen sei.
Marchi-Uhel blieb aber «optimistisch», was einen möglichen internationalen Gerichtshof anbelangt. Dieser allein wäre aber mit allen begangenen Verbrechen aus über sechs Jahren Krieg überfordert, sagte sie.
Nun muss Marchi-Uhel aber zunächst einmal einen Mitarbeiterstab zusammenstellen, unter anderem mit Staatsanwälten. Auch brauche es einen guten Schutz der Unterlagen gegen Cyberangriffe, fügte sie an. (sda)