Bundesrat Ueli Maurer und Offiziere haben am Samstag die Gedenkfeier zum Rütli-Rapport von 1940 genutzt, um für ihre Sicherheitspolitik zu werben. Ähnlich wie General Guisan vor 75 Jahren riefen sie auf der Rütliwiese zu mehr Einheit für eine starke Armee auf.
Am Gedenkakt auf dem Rütli nahmen rund 450 Gäste aus Armee und Politik sowie Verwandte von General Henri Guisan teil. Auf der steilen Wiese oberhalb des Urnersees hatte sich Guisan am 25. Juli 1940 an die übrige Armeespitze gewandt und sie angesichts der Umzingelung durch die Achsenmächte zu Einheit und Widerstand aufgerufen.
Neben Verteidigungsminister Ueli Maurer reisten auch Armeechef André Blattmann und Ständeratspräsident Claude Hêche (SP/JU) nach Uri. Zudem waren zahlreiche National- und Ständeräte sowie Vertreter von neun Kantonsregierungen unter den Gästen. Organisiert wurde der Anlass von der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) und dem Kanton Waadt, General Guisans Heimatkanton.
«Wichtigster politischer Akt»
Bundesrat Maurer sagte in seiner Rede, der militärische Rapport von Guisan sei für die Schweiz der wichtigste politische Akt im Zweiten Weltkrieg gewesen. Dem General sei es gelungen, den Glauben an die Armee wiederzuerwecken und das Volk von der Notwendigkeit von Widerstand für ein freies Land zu überzeugen.
Gegenwärtig zweifle er daran, dass die Schweiz bereit sei, Freiheit und Unabhängigkeit «bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen», sagte Maurer. Neben Wille im Volk brauche es dazu auch die für die Armee erforderlichen Mittel. Dafür seien die Politiker verantwortlich. Maurer appellierte im Geiste Guisans für mehr gegenseitige Treue, um Unabhängigkeit und Freiheit auch in Zukunft zu gewährleisten.
«Für Ernstfall nicht gerüstet»
SOG-Präsident Denis Froidevaux kritisierte die gegenwärtige Sicherheitspolitik, die der Armee die nötigen Mittel zur Erfüllung des beschlossenen Auftrags verweigere. Angesichts der bislang im Nationalrat gescheiterten Armeereform forderte er als Mindestausstattung fünf Milliarden Franken und eine 100'000 Mann starke Truppe. Um dieses Ziel zu erreichen, komme für die SOG auch die Lancierung einer Volksinitiative in Frage, sagte der SOG-Präsident vor Journalisten.
Auch wenn die geopolitische Grosswetterlage heute gegenüber 1940 komplett anders sei, stehe die Schweizer Sicherheitspolitik heute vor denselben Problemen wie zu Guisans Zeiten, sagte der SOG-Präsident. Es herrsche Verunsicherung, die Armee verfüge angesichts des Auftrags über zu wenig Geld, und sie sei für einen Ernstfall nicht gerüstet.
Widerstandsgeist geweckt
Mehrere Rednerinnen und Redner würdigten auf der Rütliwiese Henri Guisans Rapport als glaubwürdigen Akt für mehr Widerstandsgeist in schwierigen Zeiten. Unter den Festrednern waren auch Ständeratspräsident Claude Hêche (SP), die Urner Regierungspräsidentin Heidi Z'graggen (CVP), die Waadtländer Regierungsrätin Béatrice Métraux (Grüne), Militärhistoriker Rudolf Jaun sowie drei junge SOG-Offiziere.
Zum Festakt unter dem bewölkten Himmel auf der Rütliwiese zählte neben den Reden auch die Nationalhymne. Eine Woche vor dem 1. August stimmte die Festgemeinde den Schweizer Psalm unter einer von einem Sturm zerluderten Schweizerfahne an.
Vor dem Festakt waren die Gäste mit zwei Schiffen zum Rütli transportiert worden. Eines der Schiffe war der Raddampfer «Stadt Luzern», an Bord dessen damals General Guisan und die Spitze der Armee zum Rütli-Rapport gefahren waren.
Symbolträchtige Ansprache
Der Rütli-Rapport vom 25. Juli 1940 nimmt in der Schweizer Geschichte des Zweiten Weltkrieges eine herausragende Stellung ein. General Henri Guisan war nach seiner Ansprache, die drei Tage später bekannt gemacht wurde, in einer von Unsicherheit geprägten Zeit für viele Schweizer zum Symbol des nationalen Unabhängigkeitswillens geworden.
Guisan rief in seiner frei gehaltenen Rede die auf der Rütliwiese im Halbkreis versammelten, mehreren hundert Offizieren entschlossen zum Zusammenhalt und Widerstand auf. Er bekräftigte die in Militärkreisen umstrittene Idee des Réduitsystems: Die Armee sollte in den schwer zugänglichen Alpenraum zurückgezogen werden, wobei Beherrschung oder Zerstörung der Alpentransversalen als Faustpfand zu dienen hatten. (sda)