Zugreisende in Frankreich bekommen weiter die Folgen eines Eisenbahnerstreiks zu spüren. Nur 60 Prozent der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge fuhren am Donnerstag. Andere Wirtschaftsbereiche waren erneut von Protesten gegen die geplante Arbeitsmarktreform betroffen.
Französische Medien sprachen von einem «Nervenkrieg» gut eine Woche vor Beginn der Fussball-EM. Auch am Freitag wird mit zahlreichen Zugausfällen gerechnet.
Die für dieses Wochenende geplanten Streiks bei der Flugaufsicht bleiben Reisenden dagegen erspart. Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies gab bekannt, dass alle Gewerkschaften ihre Pläne nach einer Einigung zurückgezogen hätten.
Gegen die Pläne von Staatschef François Hollande für eine Lockerung des französischen Arbeitsrechts machen die Gewerkschaften schon seit rund drei Monaten mobil. Die Fronten sind verhärtet, weil die sozialistische Regierung an der Reform festhält und auch die weit links stehende Gewerkschaft CGT nicht nachgeben will.
Aus Protest gegen die Reformpläne von Hollande gab es erneut Demonstrationen. Dabei lieferten sich in der westfranzösischen Stadt Nantes jugendliche Demonstranten heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei, warfen Flaschen und Steine.
In Paris besetzten Demonstranten vorübergehend ein Stellwerk des Bahnhofs Gare de Lyon, eine Stunde lang konnte kein Zug abfahren.
Pilotenstreik zum EM-Auftakt
Dafür kündigt sich schon der nächste Arbeitskampf an: Pilotengewerkschaften wollen zum Auftakt der Europameisterschaft an vier Tagen die Fluggesellschaft Air France bestreiken. Sie planen Arbeitsniederlegungen für den 11. bis 14. Juni - am 10. Juni wird im Stade de France bei Paris das Eröffnungsspiel angepfiffen. Die Piloten wehren sich gegen Sparmassnahmen des Managements.
Beim Bahnkonzern SNCF legten am Donnerstag gut 15 Prozent der Mitarbeiter ihre Arbeit nieder. Bei den internationalen Thalys-Zügen wurden sieben Verbindungen zwischen Paris und Brüssel gestrichen. Obwohl eine von drei streikenden Gewerkschaften ihren Aufruf für Freitag auf Eis legte, rechnet die SNCF weiterhin damit, dass 40 Prozent der TGV und jeder zweite Regionalzug ausfallen. Der Protest richtet sich gegen neue Arbeitszeitregelungen.
In mehreren Städten an der Atlantikküste fiel am Donnerstag zeitweise der Strom aus, nachdem Gegner der Arbeitsrechtsreform einen Transformator besetzt hatten. Etwa 125'000 Haushalte in der Region Saint-Nazaire seien betroffen gewesen, berichtete die Regionalzeitung «Ouest-France» unter Berufung auf den Netzbetreiber. Der Arbeitgeberverband Medef warf der Gewerkschaft CGT «Unverantwortlichkeit» vor.
Die Lage an Frankreichs Tankstellen entspannte sich unterdessen weiter, bei Total gab es noch an 153 von 2200 Tankstellen Versorgungsengpässe. Zeitweise Blockaden von Treibstoffdepots hatten vergangene Woche zu Sprit-Problemen geführt. Allerdings sind sechs von acht Raffinerien des Landes weiterhin von Streiks betroffen.
Streiks auch in Belgien
Auch in Belgien wurde im Bahnverkehr weiter gestreikt, seit Beginn vor gut einer Woche fielen nach Angaben des Netzbetreibers Infrabel rund 12'000 Züge aus, wie die Nachrichtenagentur Belga meldete. Die Aktionen der Beschäftigen richten sich gegen Reformmassnahmen des staatlichen Bahnunternehmens SNCB. (sda/dpa/afp)