Eine Flüchtlingstragödie furchtbaren Ausmasses ist am Donnerstag in Österreich entdeckt worden: In einem auf der Ostautobahn A4 im Burgenland abgestellten Lastwagen stiess die Polizei auf zahlreiche Leichen.
Laut Landespolizeichef Hans Peter Doskozil geht man von mindestens 20 oder auch 40 bis 50 Toten aus.
Der rund 7.5 Tonnen schwere Lastwagen, ein Kühlfahrzeug, dürfte bereits seit Mittwoch, in einer Pannenbucht auf der A4 abgestellt gewesen sein. Entdeckt wurde der Lastwagen von einem Mitarbeiter des Strassenbetreibers Asfinag.
Dieser war an der A4 mit Mäharbeiten beschäftigt, als er auf das Fahrzeug aufmerksam wurde. Auf dem Kühlwagen mit ungarischen Kennzeichen befindet sich der Schriftzug einer slowakischen Hühnerfleischfirma.
«Ihm ist aufgefallen, dass es dort raustropft», sagte ein Sprecher der Asfinag der Nachrichtenagentur APA. Die Asfinag sperrte im betroffenen Bereich eine Fahrspur.
Verwesungsflüssigkeit ausgetreten
Beim Eintreffen der Polizei trat bereits Verwesungsflüssigkeit aus der Ladefläche, berichtete Landespolizeidirektor Doskozil. «Wir können zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Angaben machen, wie der Tod eingetreten ist.» Ein Krisenstab wurde eingerichtet.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kündigte verstärkte Kontrollen im grenznahen Raum an. «Diese Tragödie macht uns alle betroffen», erklärte sie. «Schlepper sind Kriminelle. Und wer jetzt noch immer meint, dass es sanftmütige Fluchthelfer sind, dem ist nicht zu helfen.»
Bei einer Medienkonferenz in Eisenstadt sprach Mikl-Leitner von einem «dunklen Tag»: «Unsere Gedanken sind bei den Opfern, bei den Familien der Opfer und auch bei den Freunden.» Schlepper seien nicht interessiert am Wohl der Flüchtlinge, sondern nur am Profit.
Verstärkte Kontrollen angekündigt
Die Ministerin kündigte verstärkte Kontrollen in den internationalen Zügen und im grenznahen Raum an. «Wichtig ist uns auch, dass so rasch als möglich die gesetzlichen Änderungen im Kampf gegen Schlepper vorgenommen werden. Ich hoffe, dass das am 1. Oktober bereits passiert.»
Es sei wichtig, dass nicht nur Österreich mit Härte gegen Schlepper vorgeht, sondern auch die anderen 27 EU-Staaten. Es müssten so rasch wie möglich EU-Aussenstellen geschaffen werden, damit die Flüchtlinge sofort Schutz bekommen. Mikl-Leitner sprach von einem «Signal an die europäische Ebene, so rasch wie möglich tätig zu werden».
«Ich bin erschüttert, tief betroffen und zornig», reagierte der österreichische Justizminister Wolfgang Brandstetter auf das Flüchtlingsdrama. Die Justiz werde gemeinsam mit dem Innenministerium «mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln» gegen diese Form der Kriminalität ankämpfen, kündigte er in einer der APA übermittelten Stellungnahme an.
Schweigeminute an Westbalkan-Konferenz
Teilnehmer der Westbalkan-Konferenz gedachten in Wien bei einer Schweigeminute toten Flüchtlinge. Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer sprach von einem «schockierenden Ereignis». Es zeige einmal mehr die «dringende Notwendigkeit, dass EU-Mitgliedsstaaten solidarisch und in Kooperation mit unseren Partnern am Westbalkan auf diese Krise antworten».
«Wer immer hier von Tragödie spricht, ist ein Heuchler», reagierte der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt. «Das ist ein vorhersehbarer und bei all jenen, die krampfhaft an einem nicht mehr funktionierenden Dublin-System festhalten, auch fahrlässig in Kauf genommener, grauenhafter Kollateralschaden.» (sda/apa)