Wegen der Vorwürfe eines millionenfachen Wahlbetrugs hat die venezolanische Generalstaatsanwältin Ermittlungen gegen die eigene Regierung eingeleitet. Staatschef Nicolas Maduro bestreitet die Vorwürfe nach der Wahl der neuen Verfassungsgebenden Versammlung.
«Ich habe zwei Staatsanwälte beauftragt, gegen die vier Direktoren des Nationalen Wahlrates wegen dieses sehr skandalösen Vorgangs zu ermitteln», sagte Generalstaatsanwältin Luisa Ortega am Mittwoch dem Sender CNN.
Die Chefin der nationalen Wahlbehörde, Tibisay Lucena, nannte die Vorwürfe der für die Wahlcomputer zuständigen Firma Smartmatic «unverantwortlich». Die Firma hatte mitgeteilt, dass eigene Serverdaten zeigten, dass die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung massiv manipuliert worden sei - es hätten bei weitem nicht die offiziell verkündeten 8.1 Millionen Menschen abgestimmt.
Der sozialistische Staatschef Nicolás Maduro versuchte, die Betrugsvorwürfe zu entkräften. Über zwei Millionen hätten nicht wählen können, wegen der Blockaden und Proteste der Opposition, sagte Maduro in Caracas.
Wahlmaschinenhersteller: Kein Zweifel
Der britische Hersteller der Wahlmaschinen, Smartmatic, hatte zuvor mitgeteilt, die Zahlen zur Wahlbeteiligung vom Sonntag seien «ohne jeden Zweifel manipuliert» worden. Die Zahl der abgegebenen Stimmen sei viel niedriger als von der Wahlbehörde angegeben. Angeblich sollen mehrere Mitarbeiter der venezolanischen Firma aus Angst vor Repression das Land vor den in London gemachten Erklärungen verlassen haben.
Rund 8.1 Millionen Menschen beteiligten sich der Wahlbehörde zufolge - andere Schätzungen gehen von maximal knapp vier Millionen Menschen aus, was einer Wahlbeteiligung von gerade einmal rund 20 Prozent entspreche. Die Wahlbeteiligung ist entscheidend, weil sie Auskunft gibt über den Rückhalt für die Pläne des sozialistischen Staatschefs Maduro. Befürchtet wird die Umwandlung in eine Diktatur über den Hebel der Verfassungsreform.
Erste Sitzung verschoben
Die Vorwürfe brachten die Planungen der Sozialisten offenkundig durcheinander. Maduro verschob die ursprünglich für Donnerstag geplante Auftaktsitzung der neuen Verfassunggebenden Versammlung auf Freitag. Die Sitzung solle «in Frieden» verlaufen, begründete Maduro den neuen Termin.
Die Opposition hatte bereits zu Massenprotesten gegen das neue Gremium aufgerufen. Die 545 Mitglieder sollen die aus dem Jahr 1999 stammende Verfassung reformieren und werden in der Nationalversammlung tagen. Dort hat das Parlament aber seinen Sitz, in dem das aus 20 Parteien bestehende Oppositionsbündnis «Mesa de la Unidad Democrática» über eine klare Mehrheit verfügt.
Als Kandidatin für den Vorsitz der neuen Versammlung gilt die Ehefrau des sozialistischen Staatschefs Maduro, Cilia Flores. Die Opposition hatte die Wahl der Mitglieder am Sonntag boykottiert. Es standen praktisch nur Vertreter des Regierungslagers zur Wahl. Unklar ist, was mit den bisherigen Abgeordneten passieren soll. Die Opposition rief zu Massenprotesten und zur friedlichen Verteidigung des Parlaments auf. (sda/dpa/afp)