EU will Brexit in zwei Phasen aushandeln

EU will Brexit in zwei Phasen aushandeln

31.03.2017, 15:04

Die EU will mit London in zwei Schritten verhandeln: Zuerst soll der EU-Austritt geklärt und dann die Grundsätze für eine künftige Partnerschaft festgelegt werden. Die EU ist aber bereit, unter Bedingungen den zweiten Schritt vor dem eigentlichen Brexit zu beginnen.

Dazu muss Grossbritannien aber substantielle Fortschritte in den Austrittsgesprächen unter Beweis stellen. Seien diese in einer ersten Phase erreicht, «können wir über den Rahmen der künftigen Beziehung diskutieren», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag in Malta, wo er die EU-Leitlinien für die Austrittsverhandlungen vorstellte.

Dem Wunsch Grossbritanniens, über den Austritt und die künftige Partnerschaft gleichzeitig zu verhandeln, erteilte Tusk jedoch eine klare Absage: «Einen Start paralleler Gespräche über alle Themen gleichzeitig, wie einige in Grossbritannien das fordern, wird es nicht geben.»

Tusk und der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Maltas Regierungschef Joseph Muscat, betonten in einer Medienkonferenz, dass sich allein die EU-Seite vorbehält, das Startsignal für die zweite Phase der Gespräche zu geben - möglicherweise im Herbst, wie Tusk sagte.

Da es sich dabei aber um einen höchst politischen Entscheid handle, müsste dieser wohl von den 27 EU-Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden, sagte ein ranghoher Diplomat in Brüssel.

Mehrere Top-Themen

Im neunseitigen Leitlinien-Entwurf sind die Verhandlungsprioritäten der EU aufgelistet und machen deutlich, wo die EU Fortschritte bei den Brexit-Gesprächen erwartet. Etwa bei der Rechtssicherheit für ihre Bürger und Unternehmen. Insbesondere geht es um Aufenthalts- und Arbeitsrechte der rund 3.2 Millionen EU-Bürger in Grossbritannien.

Zweites Topthema ist die Schlussrechnung für Grossbritannien. Tusk betonte, London müsse alle seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen, die sich aus der bisherigen EU-Mitgliedschaft ergeben, bevor es die Union verlassen könne. Von Brüsseler Seite werden die finanziellen Verpflichtungen Grossbritanniens an die EU auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt.

Als weitere Priorität nannte Tusk zudem, eine «harte Grenze» zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland zu vermeiden.

Tusk: Brexit selbst ist Strafe

Um Rechtsunsicherheit auszuschliessen, sollen die EU-Gesetze gemäss dem Entwurf auch nach dem Brexit 2019 in Grossbritannien gelten, bis ein neues Abkommen die Beziehung zwischen der EU und Grossbritannien regelt. Dazu zählen auch die finanziellen Verpflichtungen und die Unterwerfung unter die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofes.

Tusk versprach aber, dass es nicht im Sinne der verbleibenden 27 EU-Staaten sei, Grossbritannien zu bestrafen. «Der Brexit selbst ist schon Strafe genug», sagte er weiter. «Nach mehr als 40 Jahren zusammen, schulden wir es einander, alles zu tun, diese Scheidung so glatt wie möglich zu gestalten.»

Muscat seinerseits sagte: «Es werden harte Verhandlungen, aber es wird kein Krieg.» Beide Seiten hätten ein Interesse daran, Freunde zu bleiben.

Sicherheit in Europa

Die britische Premierministerin Theresa May hatte am Mittwoch den EU-Austritt nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft beantragt und damit das auf zwei Jahre angesetzte Brexit-Verfahren gestartet. Im Antrag hatte sie ihrerseits erklärt, sie wolle die Trennung und die künftige Partnerschaft gleichzeitig klären.

Bei dem Streit über die Reihenfolge geht es darum, in den Verhandlungen Druckmittel in der Hand zu behalten. Ausserdem hat London besonderes Interesse an weiter engen Verbindungen zur EU.

Im Austrittsschreiben hatte May zudem eine weitere Sicherheitszusammenarbeit mit der EU nach dem Brexit angeboten. Teilweise wurde der Vorschlag aber so gelesen, dass sie ein günstiges Abkommen über die künftige Partnerschaft im Bereich Sicherheit zur Voraussetzung mache.

Grossbritanniens Aussenminister Boris Johnson widersprach am Freitag dieser Interpretation: «Ich möchte eines betonen», sagte er in Brüssel. «Der Einsatz des Vereinigten Königreichs für die Verteidigung und die Sicherheit dieser Region, Europas, ist bedingungslos und keine Verhandlungsmasse bei irgendwelchen Verhandlungen.»

EU-Sondergipfel im April

Die von Tusk vorgestellten Leitlinien wurden noch am Freitag an die Regierungen der verbleibenden 27 EU-Staaten geschickt. Sie werden in den kommenden Wochen möglicherweise noch verändert.

Am 29. April treffen sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel in Brüssel, um die Leitlinien definitiv abzusegnen.

Anschliessend wird die EU-Kommission auf dieser Grundlage ein detailliertes Verhandlungsmandat für EU-Chefunterhändler Michel Barnier ausarbeiten, das voraussichtlich am 22. Mai von den EU-Staaten abgesegnet wird. Dann können aus Brüsseler Sicht die Verhandlungen beginnen. (sda/reu/dpa/afp)

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