Aufgeheizte Stimmung in Katalonien nach Festnahmen von Politikern

Aufgeheizte Stimmung in Katalonien nach Festnahmen von Politikern

24.03.2018, 06:04

Nach der Festnahme von fünf führenden Unabhängigkeitsbefürwortern hat sich die Stimmung in Katalonien aufgeheizt: Tausende Menschen gingen am Freitagabend in der Region auf die Strasse und demonstrierten gegen die Zentralregierung in Madrid.

Bei Zusammenstössen mit Polizisten wurden nach Angaben von Rettungskräften mindestens 24 Demonstranten leicht verletzt. Wie ein AFP-Journalist berichtete, gingen Polizisten in Barcelona mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vor, die sich dem Gebäude der Regionalregierung näherten.

Zu den Kundgebungen hatten die «Verteidigungskomitees» der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung bereits am Donnerstag aufgerufen. Am Freitag wuchs der Ärger über Madrid, nachdem die spanische Justiz Haftbefehle gegen den Kandidaten für das Amt des Regionalpräsidenten, Jordi Turull, und vier weitere Unabhängigkeitsbefürworter erliess. Die fünf Politiker wurden wegen ihrer Rolle bei der versuchten Abspaltung der Region festgenommen.

Einige Demonstranten in Barcelona verbrannten Bilder von König Felipe VI., was in Spanien eine Straftat ist, sowie Fotos des Richters Pablo Llarena, der die Festnahmen angeordnet hatte. Die Protestteilnehmer schwenkten katalanische Flaggen und riefen «Freiheit für die politischen Gefangenen».

Proteste in mehreren Städten

Auf dem Katalonien-Platz im Zentrum von Barcelona gab es eine ruhigere Demonstration. «Katalonien hat sich noch nie wie ein Teil von Spanien angefühlt», sagte der 22-jährige Teilnehmer Alba Mateu. Seine 58-jährige Mutter Carme Sala sagte: «Zwei Millionen Menschen wollen Spanien verlassen - sie können uns nicht alle ins Gefängnis stecken.» Das katalanische Fernsehen zeigte Bilder von Protesten in anderen Städten der Region, darunter Vic und Tarragona.

Turull hatte sich am Donnerstagabend im Parlament in Barcelona der Wahl zum Regionalpräsidenten gestellt, war aber im ersten Durchgang an der erforderlichen absoluten Mehrheit gescheitert. Die Wahl war kurzfristig anberaumt worden, nachdem bekannt geworden war, dass der Politiker am Freitag erneut vor Gericht erscheinen musste. Am Samstag sollte der zweite Durchgang stattfinden, dafür hätte eine einfache Mehrheit genügt.

Bei den anderen Festgenommenen handelt es sich um die ehemalige Parlamentspräsidentin Carme Forcadell und drei frühere Regionalminister. Darüberhinaus reaktivierte Richter Llarena seit Anfang Dezember ausgesetzte europäische Haftbefehle gegen den früheren Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und vier seiner ebenfalls nach Belgien ins Exil gegangene Ex-Minister.

Exil in der Schweiz?

Für die katalanische Abgeordnete Marta Rovira erliess Llarena einen internationalen Haftbefehl: Die 41-jährige Vertreterin der Republikanischen Linkspartei ERC hatte die Vorladung vor dem Obersten Gericht in Madrid ignoriert und war ins Ausland geflohen. Spanischen Medienberichten zufolge ging sie ins Exil in die Schweiz.

Der Oberste Gerichtshof hatte zuvor mitgeteilt, dass Turull und zwölf weiteren Katalanen wegen des Vorwurfs der «Rebellion» der Prozess gemacht werden soll. Darauf stehen bis zu 30 Jahre Haft. Insgesamt sind 25 Menschen wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen angeklagt.

Richter Llarena warf den Beschuldigten einen «Angriff auf den Staat» vor, der in seiner Schwere «mit keiner der benachbarten Demokratie vergleichbar ist». Er erwähnte zudem die 60 spanischen Polizisten, die beim Versuch, das Unabhängigkeits-Referendum am 1. Oktober zu verhindern, verletzt wurden.

Streit um Nachfolge

Die Zentralregierung in Madrid hatte am 27. Oktober die direkte Kontrolle über Katalonien übernommen und die Regionalregierung abgesetzt, nachdem das Parlament in Barcelona nach dem von der spanischen Justiz verbotenen Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hatte.

Bei der von Madrid angeordneten vorgezogenen Neuwahl des katalanischen Regionalparlaments am 21. Dezember verteidigten die Unabhängigkeitsbefürworter ihre absolute Mehrheit. Bis heute konnte sich das Parlament aber noch nicht auf einen Nachfolger von Puigdemont an der Spitze der Regionalregierung einigen. (sda/afp)

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