Nach Maduro-Kritik: Venezuelas Generalstaatsanwältin entlassen

Nach Maduro-Kritik: Venezuelas Generalstaatsanwältin entlassen

05.08.2017, 19:36

In Venezuela ist die regierungskritische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega entlassen worden. Die Entscheidung der umstrittenen Verfassungsgebenden Versammlung fiel am Samstag einstimmig.

Zum Nachfolger wurde der bisherige Menschenrechtsbeauftragte Tarek Saab ernannt. Kritiker werfen ihm vor, er ignoriere Übergriffe der Behörden.

Ortega kommt eigentlich aus dem Lager der Sozialisten um Präsident Nicolas Maduro. Seit Beginn der Massenproteste im April ist sie allerdings seine mächtigste Rivalin und wirft dem Staatschef Menschenrechtsverletzungen vor.

Mit Blick auf die Wahl der mächtigen Verfassungsgebenden Versammlung am vergangenen Wochenende sprach sie von Wahlbetrug. Das regierungsfreundliche Gremium hat das Recht, die Verfassung zu ändern und Behörden umzubauen. Sie kann Maduro auch dazu verhelfen, per Dekret zu regieren.

Vor der Entscheidung hatte die Militärpolizei den Sitz von Ortegas Generalstaatsanwaltschaft, abgeriegelt und ihr den Zugang verwehrt. «Ich lehne diese Belagerung ab», schrieb Ortega Diáz bei Twitter. «Ich klage diese Willkür vor der nationalen und internationalen Gemeinschaft an.»

«Putsch» kritisiert

Ortega wurde seit dem Frühling zur weltweit beachteten Gegenspielerin Maduros. Als erstes kritisierte sie die zeitweise Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments durch den Obersten Gerichtshof.

Auf ihren Druck hin wurde auf Betreiben Maduros das Urteil wieder aufgehoben. In der Folge ging sie immer mehr auf Konfrontation. So kritisierte sie den Plan, eine Verfassungsgebende Versammlung wählen zu lassen als Putsch gegen die von Hugo Chávez entwickelte Verfassung, die eine Gewaltenteilung vorsieht.

Seit 2008 arbeitete die 59-Jährige als Generalstaatsanwältin, ihre Amtszeit lief eigentlich bis 2021. Aber für führende Sozialisten war sie zum Feindbild geworden.

Die 545 Mitglieder der Verfassungsgebenden Versammlung beschlossen in ihrer ersten regulären Sitzung ausserdem, «bis zu zwei Jahre» zu amtieren. Das Gremium soll die unter Maduros Vorgänger Hugo Chávez verabschiedete Verfassung aus dem Jahr 1999 ändern. Als übergeordnetes Staatsorgan steht das Gremium über dem 2015 gewählten Parlament, in dem die Mitte-rechts-Opposition über die Mehrheit verfügt.

Chávez-Bild wieder aufgehängt

Die Verfassungsgebende Versammlung hatte am Freitag im Gebäude des Parlaments ihre Arbeit aufgenommen, damit ist das bisherige Parlament de facto entmachtet. «Mit heroischem Mut, in den Händen des Volkes, wird die Verfassungsgebende Versammlung den Frieden zurückbringen», sagte Maduro in der Hauptstadt Caracas.

Die rund 540 Mitglieder der Versammlung, die die Verfassung reformieren sollen, zogen mit riesigen Porträts von Staatsgründer Simón Bolívar und Hugo Chávez, dem Begründer des Sozialismus-Projekts, in das Parlamentsgebäude ein.

Die Porträts waren Anfang 2016 von der Opposition nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl abgehängt worden. «Nichts und niemand wird die neue Geschichte verhindern. Wir werden siegen», sagte Maduro.

Damit ist der wochenlange Machtkampf vorerst entschieden, allerdings erkennen Dutzende Staaten das Vorgehen nicht an und drohen mit Sanktionen, die USA halten sich einen Öl-Importstopp offen. Venezuela hat mit über 300 Milliarden Barrel die grössten Ölreserven der Welt, aber die Wirtschaft liegt brach, es gibt eine tiefe Versorgungskrise.

Die Mitgliedschaft Venezuelas im südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur wird dauerhaft auf Eis gelegt. Das beschlossen am Samstag die Aussenminister von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay bei einer Sondersitzung in Brasilien.

«Stunde null»

Das Militär und die Polizei hatten das Parlamentsgebäude weiträumig abgeriegelt. Die für ihre kompromisslose Haltung bekannte Ex-Aussenministerin Delcy Rodríguez wurde zur Präsidentin bestimmt. Die Versammlung werde ihn «nicht allein lassen», sagte sie zu Maduro.

Das Gremium hat grosse Vollmachten und könnte die legislativen Aufgaben übernehmen. Die Arbeit könnte mehrere Jahre dauern, was womöglich auch Ende 2018 anstehende Präsidentschaftswahlen nach hinten verschieben könnte.

Von einer «Stunde null» war die Rede. Die Opposition hatte zu grossen Gegendemonstrationen aufgerufen, aber es kamen weit weniger Menschen als erwartet. Für Montag wurde im Gebäude eine Sitzung des bisherigen Parlaments angesetzt. Seit über 120 Tagen wird gegen Maduro demonstriert, rund 120 Menschen starben. (sda/reu/dpa/afp)

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