Im Reagenzglas gezeugte Embryos dürfen künftig vor der Einpflanzung in den Mutterleib untersucht werden. Ein Stimmenanteil von gut 60 Prozent für eine Gesetzesänderung zeichnet sich ab. Die Befürworter der Vorlage sind erleichtert, die Gegner über die Debatte erfreut.
Die Referendumsabstimmung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) dürfte damit ebenso deutlich ausgefallen sein wie der Urnengang über die Verfassungsänderung vor einem Jahr. Dieser Änderung hatten ebenfalls fast 62 Prozent zugestimmt. Damals ging es um die Grundlagen in der Verfassung, damit Tests an Embryos überhaupt medizinisch sinnvoll durchgeführt werden können. Nun hat auch die Gesetzesänderung die Hürde der Volksabstimmung genommen.
Klare Regeln
Mit dieser Änderung wird das bisher geltende PID-Verbot aufgehoben. Paare, die Träger schwerer Erbkrankheiten sind, können die Eizellen im Reagenzglas befruchten lassen. Präimplantationsdiagnostik erlaubt es dem Arzt, für die Einpflanzung ein Embryo auszuwählen, das nicht Träger der Krankheit ist.
Auch jene Paare profitieren, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können und deshalb auf künstliche Befruchtung zurückgreifen. Sie dürfen in vitro gezeugte Embryos mittels Aneuploidie-Screening auf numerische Chromosomenstörungen wie Trisomie 21 untersuchen lassen. Das macht eine erfolgreiche Schwangerschaft wahrscheinlicher, weil sich gesunde Embryos besser entwickeln.
Die Bestimmung anderer Eigenschaften, etwa des Geschlechts oder der Augenfarbe, ist auch in Zukunft verboten. Ebenfalls unzulässig ist die Auswahl eines Embryos, das einem kranken Geschwister als Stammzellenspender dienen könnte. Es dürfen höchstens 12 Embryos in vitro gezeugt werden. Jene, die nicht in den Mutterleib eingepflanzt werden, können für eine spätere Behandlung tiefgekühlt aufbewahrt werden.
Toller Vertrauensbeweis
«Grossartig», sagte Nationalrätin Regine Sauter (FDP/ZH) vom Ja-Komitee zum deutlichen Ja zum Fortpflanzungsmedizingesetz. Es sei ein toller Vertrauensbeweis aus der Bevölkerung und zeige, dass das Stimmvolk die verantwortungsvolle Arbeit des Parlaments honoriere.
Zum Bedenken der Gegner, bei der Präimplantationsdiagnostik könne in der Praxis ein Missbrauch nicht ausgeschlossen werden, sagt sie: «Es ist ganz klar, was erlaubt und was verboten ist.» Wer etwas Verbotenes mache, handle illegal. Zudem existierten durchaus Kontrollen, die medizinischen Prozesse würden dokumentiert und erfolgten nur mit Einwilligung der betroffenen Paare.
Froh um breite Diskussion
«Das war zu befürchten», sagte ihrerseits Christa Schönbächler von der Behindertenorganisation Insieme Schweiz. «Wir sind nicht zufrieden mit dem Resultat, aber froh um die breite Debatte, welche im Vorfeld der Abstimmung stattfand.»
Diese habe in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Problematik geschärft und eine Diskussion über die ethische Fragen der Präimplantationsdiagnostik angestossen. Es sei im Vorfeld der Abstimmung allerdings auch schwierig gewesen, einer breiten Bevölkerung zu zeigen, worin genau der Unterschied zwischen dem Verfassungsartikel und dem ausformulierten Gesetz bestanden habe. «Die Leute konnten den Unterschied nicht gut erkennen» (sda)