Die türkischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben bei einem Putsch vollständig die Macht in der Türkei übernommen und eine Ausgangssperre im ganzen Land verhängt. Doch die Lage im Land ist noch völlig unübersichtlich.
Das türkische Präsidialamt bestritt die Machtübernahme des Militärs am Freitagabend. In einem live übertragenen Telefonanruf beim Sender CNN Türk rief Erdogan das Volk zu öffentlichen Versammlungen gegen die Putschisten auf.
«Ich rufe unser Volk auf, sich auf den Plätzen und am Flughafen zu versammeln. Sollen sie (die Putschisten) mit ihren Panzern und ihren Kanonen machen, was sie wollen», sagte Erdogan. Aus Präsidialamtskreisen hiess es, Erdogan sei an einem sicheren Ort. Nähere Angaben zum Aufenthaltsort gab es zunächst nicht. Er sei nicht abgesetzt, hiess es weiter. «Der demokratisch gewählte Präsident der Türkei und die Regierung sind an der Macht.»
Ausgangssperre
Das Militär verhängte derweil eine Ausgangssperre im ganzen Land. Die Ausgangssperre diene der Sicherheit der Bürger, hiess es in einer Erklärung, die Putschisten im Staatssender TRT 1 verlesen liessen.
Mit dem Putsch sollten unter anderem die verfassungsmässige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederhergestellt werden, teilte das Militär nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA mit.
Der Zugang zu Internet-Diensten wie Facebook, Twitter und YouTube in der Türkei ist nach Angaben von Internet-Beobachtergruppen eingeschränkt.
Soldaten am Flughafen von Istanbul
Einem Medienbericht zufolge stoppte das Militär den Flugverkehr am Atatürk-Flughafen in Istanbul. Soldaten hätten den Tower am grössten Flughafen des Landes am Freitagabend unter ihre Kontrolle gebracht, meldete DHA. Ministerpräsident Binali Yildirim hatte kurz zuvor gesagt, es sei verfrüht, von einem Putsch zu sprechen. «Dieser Versuch wird nicht erlaubt werden.» Yildirim kündigte an, die Hintermänner «werden den höchsten Preis bezahlen».
Aus dem Präsidialamt Erdogans hiess es: «Das ist ein Angriff gegen die türkische Demokratie. Eine Gruppe innerhalb der Streitkräfte hat ausserhalb der Kommandostruktur einen Versuch unternommen, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Die Mitteilung im Namen der Streitkräfte war vom Militärkommando nicht autorisiert. Wir drängen die Welt, solidarisch zum türkischen Volk zu stehen.»
Kampfjets über Istanbul und Ankara
DHA meldete weiter, in der Hauptstadt Ankara habe die Polizei das gesamte Personal zum Dienst gerufen. Im Umfeld des Armee-Hauptquartiers seien erhöhte Sicherheitsmassnahmen getroffen worden. Zahlreiche Krankenwagen stünden dort bereit. Kampfjets würden im Tiefflug über die Hauptstadt fliegen. AFP-Reporter berichten über eine heftige Explosion in der Stadt.
Augenzeugen in Istanbul berichteten von schwer bewaffneten Sicherheitskräften in den Strassen. Über Istanbul kreisten Hubschrauber. Kampfjets flogen im Tiefflug über der Stadt. DHA meldete, eine der Bosporus-Brücken sei teilweise gesperrt worden.
Im Militär-Hauptquartier in Ankara wurden laut CNN Türk einige Geiseln genommen. Der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge war darunter auch Generalstabschef Hulusi Akarder. In der Nähe des Polizei-Hauptquartiers seien Schüsse zu hören gewesen.
Russland und USA rufen zum Frieden auf
Russland und die USA riefen zum Frieden auf. «Blutige Zusammenstösse müssen vermieden und sämtliche Probleme ausschliesslich verfassungskonform gelöst werden», mahnte der russische Aussenminister Sergej Lawrow bei einem Treffen mit seinem US-Kollegen John Kerry in Moskau. Kerry betonte der Agentur Interfax zufolge, er hoffe auf Stabilität, Frieden und Kontinuität in der Türkei. Beide betonten, dass sie erst kürzlich die Berichte gehört und daher keine tieferen Informationen dazu hätten.
Die staatliche russische Fluggesellschaft Aeroflot rief einen von Moskau nach Istanbul gestarteten Flug zurück, wie die Agentur Tass meldete. Auch bevorstehende Flüge anderer russischer Airlines sollten voraussichtlich ausgesetzt werden. Auch eine Maschine der niederländischen Fluggesellschaft KLM mit 184 Menschen an Bord brach ihren Flug nach Istanbul ab und kehrt zurück nach Amsterdam. Das entschied die Fluggesellschaft nach eigenen Angaben wegen der unsicheren Lage in der Türkei.
Griechische Regierung verfolgt die Ereignisse
Die griechische Regierung verfolgt die Entwicklung in der Türkei Medienberichten zufolge «aufmerksam und gefasst». Bürgerschutzminister Nikos Toskas habe nach dem Bekanntwerden des Militärputsches in der Türkei umgehend eine ausserordentliche Sitzung mit Polizeikräften einberufen, berichtete der Radiosender Athina 984 in der Nacht zum Samstag. Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras sowie Verteidigungsminister Panos Kammenos und Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis informierten sich fortlaufend.
Die Flüge von Griechenland zum türkischen Flughafen Atatürk am Samstag seien gestrichen worden, berichtete der griechische Radiosender Vima FM.
Die Fluglinien Lufthansa, Eurowings und KLM haben Flüge in die Türkei einstweilen eingestellt. (sda/dpa/afp/reu)