Als Ausweg aus der Staatskrise im sozialistischen Venezuela schlägt Präsident Nicolás Maduro eine Verfassunggebende Versammlung vor. Gemäss Artikel 347 der Verfassung wolle er unter Einbezug des Volkes und der Arbeiterklasse eine solche Versammlung einberufen.
Damit soll die Verfassung reformiert werden, die von 1999 stammt, sagte Maduro auf einer Kundgebung zum Tag der Arbeit in der Hauptstadt Caracas. Der Versammlung solle «eine des Volkes, nicht der Parteien» sein. Ziel sei es, einen «Staatsstreich» der Opposition abzuwenden.
Er werde seine Vollmachten als Präsident einsetzen, um eine 500-köpfige Versammlung einzuberufen, welche die Aufgabe habe, eine neue Verfassung zu erarbeiten. Die Delegierten sollten aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft entstammen, so sollten auch Rentner, Behinderte und Angehörige sexueller Minderheiten vertreten sein. Der Nationale Wahlrat werde am kommenden Dienstag mit der Arbeit beginnen, sagte der Staatschef.
Opposition wittert «Staatsstreich»
In Wahrheit wolle Maduro «die Verfassung töten», erklärte der führende Oppositionspolitiker Henrique Capriles im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Initiative des Präsidenten sei «Betrug». Capriles rief seine Anhänger auf, «diesem Irrsinn nicht zu gehorchen». Parlamentspräsident Julio Borges erklärte: «Was Maduro in seiner Verzweiflung vorschlägt ist, dass Venezuela nie wieder direkte, freie und demokratische Wahlen haben soll.»
Während Maduro seine Ankündigung machte, protestierten in mehreren Viertel der Hauptstadt wieder zahlreiche Regierungsgegner. Sicherheitskräfte sprengten die Demonstranten mit Wasserwerfern und Tränengas auseinander.
Das krisengeschüttelte Venezuela wird seit Wochen von schweren Unruhen und Protesten erschüttert, in deren Verlauf bereits fast 30 Menschen getötet und hunderte verletzt wurden. Papst Franziskus schlug zuletzt eine internationale Vermittlungsoffensive vor. Die Opposition kämpft für vorgezogene Parlamentswahlen und eine Volksabstimmung über die Absetzung des Staatschefs, dessen Mandat regulär im Januar 2019 endet.
Die Regierungsgegner machen den Präsidenten für die schwere Wirtschaftskrise in dem ölreichen südamerikanischen Land verantwortlich. Die ausser Kontrolle geratene Inflation wird nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr auf 720 Prozent steigen. Wegen der dramatischen Versorgungslage kommt es immer wieder zu Plünderungen. (sda/dpa/afp)