2002 startete der damals noch nicht 16-jährige Emmentaler seine Karriere mit einem 26. Rang beim GP von Deutschland. In den folgenden 179 WM-Rennen schauten immerhin 33 Podestplätze, davon sieben Siege heraus. Die Krönung: Der WM-Titel 2005 in der 125er-Kategorie und die anschliessende Wahl zum «Sportler des Jahres» (vor Roger Federer).
Seither rast der heute 27-Jährige dem Erfolg hinterher, obwohl er in jeder Saison immer zum engsten Kreis der Favoriten gehört hatte. Doch es reichte in den letzten acht Jahren kein einziges Mal mehr aufs WM-Podest: Zwei 4. Gesamtränge in der Moto2 (2010 und 2012) waren die zu magere Ausbeute. Er selber und auch sein Entdecker, Förderer, Manager und Freund Daniel M. Epp wissen nur zu genau: Wenn es 2014 mit dem Titel nicht klappt, dann ist das grosse Ziel, der Aufstieg in die Königsklasse MotoGP, in noch weitere Ferne gerückt.
Die Vorbereitungen auf die neue Saison verliefen so problemlos wie fast noch nie. Das war vor einem Jahr ganz anders. Tom Lüthi war am 14. Februar 2013 bei den Testfahrten in Valencia vom Thailänder Ratthapark Wilairot abgeschossen worden und hatte wegen eines zertrümmerten Ellbogens sowie gebrochener Schulter den Saisonstart verpasst. Dass danach trotz Schmerzen und fehlender Kraft noch sechs Podestplätze und WM-Rang 6 herausschauten, spricht für den Kämpfer Lüthi. «Ja, die letzte Saison ist mir noch einiges schuldig. Ich will jetzt das nachholen, was ich letztes Jahr verpasst habe. Die Folgen der Verletzungen spüre ich kaum mehr.»
Die offiziellen Testfahrten im Februar und März in Jerez de la Frontera und in Valencia deuten jedenfalls auf einen heissen Titelkampf hin. Stets klassierte er sich auf seiner Suter in den Top 3. «Ich war selber überrascht, dass ich gleich ein so gutes Gefühl hatte, denn ich trainierte zuvor den ganzen Winter auf keiner Motocross- oder Supermotard-Maschine», sagt er.
Nachdem mit dem Spanier Pol Espargaro und dem Briten Scott Redding der Weltmeister und der WM-Zweite in die Königsklasse aufgestiegen sind, scheint sich der Kreis der Titelanwärter reduziert zu haben. Doch Lüthi warnt: «Es gibt sicher zehn Fahrer, die aufs Podest fahren können.» Er meint damit in erster Linie die Kalex-Piloten, den Spanier Esteve Rabat und den Finnen Mika Kallio (sein härtester Widersacher im Weltmeister-Jahr 2005), sowie den Japaner Takaaki Nakagami. Dieses Trio überzeugte bei Testfahren ebenfalls.
Zum erweiterten Kreis der Podest-Anwärter gehört auch Dominique Aegerter. Der 22-jährige Oberaargauer überzeugte letztes Jahr mit WM-Rang 5. Er ist der konstanteste Fahrer im ganzen Moto2-Feld. Von den letzten 44 Rennen beendete der Suter-Pilot 43 in den Punkterängen, einzig vor zwei Jahren beim Saisonstart in Katar schaute nur Rang 18 heraus. Mit Podestplätzen harzt es allerdings noch. Erst zweimal, in Valencia 2011 und in Assen 2013, wurde er Dritter.
Ob Aegerter Platz 1 in der «Schweizer Hierarchie» behaupten kann, ist für ihn persönlich nicht wichtig: «Ich will einfach meine letzte Saison bestätigen und wenn möglich einige Podestplätze und vielleicht gar meinen ersten Sieg einfahren.» Von der Schulteroperation im letzten November hat sich der Sonnyboy und Frauenliebling noch nicht gänzlich erholt. «Auf den Geraden kann ich mich noch nicht wie gewünscht unter der Verschalung verstecken. Aber das kommt sicher noch.»
Unterschiedlich sieht die Ausgangslage für die beiden anderen Schweizer im Moto2-Feld aus. Randy Krummenacher muss in die Punkteränge fahren, um seine Karriere nicht zu gefährden, für Neuling Robin Mulhauser gilt es in erster Linie Erfahrungen zu sammeln. Der 23-jährige Zürcher Oberländer, letztes Jahr noch Aegerters Teamkollege, wechselte zum italienischen IodaRacing-Team und wurde im Technomag carXpert-Team durch den 22-jährigen Freiburger ersetzt.
Krummenacher steigt in seine achte ganze Saison. Nur 2008 hat er mit 10 WM-Punkten weniger Zähler gewonnen als 2013 (20 Zähler). Seinen einzigen Podestplatz (Dritter 2007 in Barcelona) konnte das «ewige Talent» nie bestätigen. Wie Lüthi und Aegerter kam auch Krummenacher nicht heil durch die letzte Saison (Hirnerschütterung, gebrochene Finger, verschobene Wirbel). Er bereitete sich unter anderem mit einem Trainingscamp bei MotoGP-Fahrer Colin Edwards in den USA auf die Saison vor. «Gut ist, dass ich bei den Wintertests nie gestürzt bin. Das hat es noch nie gegeben. Mein Ziel ist es, in die Top 10 zu fahren.»
Ganz ohne Druck kann Mulhauser seine GP-Karriere lancieren, die eigentlich schon letztes Jahr als Ersatz von Krummenacher beim GP von Aragon (23.) begonnen hatte. Er besitzt einen Zweijahresvertrag und weiss, dass keiner im Team von ihm Wunderdinge oder gar WM-Punkte erwartet. «Ich will einfach nicht Letzter werden und kontinuierlich Fortschritte machen», umschreibt er seine Ziele. Seine Referenzen: Ein 6. Rang im Yamaha R6-Cup in Deutschland 2011 und ein 7. Rang in der Superstock-600-EM 2013. (si/qae)