Im Januar 2024 bei der Lauberhornabfahrt passierte es: Der Schweizer Skifahrer Marco Kohler geriet beim Sprung in den Hanneggschuss in Rücklage und zu Fall. Die Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbandes, des inneren Meniskus, sowie eine Zerrung des Innenbandes im rechten Knie. Am selben Wochenende stürzten auch Aleksander Kilde und Alexis Pinturault auf der Lauberhorn-Piste schwer.
«Es geht mir sehr gut. Die Reha ist gut gelaufen und ich fühle mich fit», sagt der Berner Oberländer nun gegenüber BärnToday. Es brauche noch einige Tage, um diverse Anpassungen auf den Ski zu machen. Das auch abhängig von Schneeverhältnissen und Sicht. «Dem Knie geht es grundsätzlich gut und ich kann das Programm mitmachen», sagt der 27-Jährige. Schmerzen verspüre er schon seit längerem nicht mehr. «Wenn es unruhig wird und es Schläge gibt, dann reagiert das Knie teils noch und schwillt an», erklärt der Speed-Spezialist.
Mit einer Verletzung im Januar, mitten in einer Saison, komme der ganze Jahresrhythmus aus dem Takt. «Es war ein sehr langer und intensiver Sommer für mich», blickt Kohler zurück. Er habe mehr Stunden im Kraftraum und mit Physio verbracht als in den vorherigen Jahren.
Via Instagram zeigte sich der 27-Jährige am 9. Juli wieder auf Schnee. «Grosses Lachen bei meinem ersten Tag zurück auf den Ski», schrieb Kohler unter das Bild. Seit August ist er wieder mit dem Team von Swiss-Ski unterwegs und seit September im normalen Rhythmus drin.
Bereits im Jahr 2020 war Marco Kohler – damals noch als Vorfahrer – am Lauberhorn im Ziel-S gestürzt. Dabei riss er sich im linken Knie das Kreuz- und Innenband, die Patellasehne sowie den Meniskus. Es war der Auftakt zu einer langen Leidenszeit. Immer wieder gab es Rückschläge.
In der Saison 2022/23 gewann Kohler die Abfahrtswertung im Europacup und sicherte sich damit einen fixen Startplatz im Weltcup für die darauffolgende Saison. Der Berner Oberländer etablierte sich im letzten Jahr im Weltcup. Bei den Abfahrten im italienischen Gröden und Bormio im Dezember 2023 fuhr Kohler auf den achten und den zehnten Rang. Dann folgte der Abflug in Wengen.
Im August hat Marco Kohler fürs Erste mit dem Lauberhorn Frieden geschlossen. Er kehrte zurück an die Unfallstelle beim Hanneggschuss. Für ihn gehörte das zum Prozess der Rehabilitation. «Ich wollte schauen, was mit mir emotional passiert, wenn ich an die Stelle zurückkehre. Es war wichtig, zu sehen, ob es einen gewissen Einfluss hat. Damit wollte ich verhindern, wenn ich im Winter nach Wengen zurückkehre, eine Überraschung zu erleben», sagt Kohler. «Einige Emotionen kamen hoch. Diese konnte ich aber besser verarbeiten».
Für die Speedspezialisten startet die Saison mit den Rennen im US-amerikanischen Beaver Creek vom 6. bis 8. Dezember. Wenn es so weitergeht, wie es die letzten paar Wochen vorwärtsging, ist das Comeback auf der «Birds of Prey» ein realistisches Ziel. Kohler trainiert noch ein bis zwei Wochen in der Schweiz. Dann geht es Mitte November nach Übersee für die letzten Vorbereitungen vor Ort. «Wenn ich das Programm bis dort hin voll mitmachen kann, steht einem Start nichts mehr im Weg», sagt Kohler.
Kohler hat keinen fixen Startplatz im Weltcup mehr. Es wird Ausscheidungen oder Qualifikationen geben, welche entscheiden, ob der 27-Jährige an den Start gehen kann. Er gehe damit offen um – auch mit den Trainern. Die nächsten zwei Monate sowie insbesondere die Trainings vor Amerika und in Beaver Creek selbst werden wegweisend sein. «Ich konzentriere mich auf meinen Job, dass ich wieder fit werde und zu meiner Stärke zurückfinde. Alles andere kann ich nicht gross beeinflussen», sagt Kohler.
Das erste Ziel sei es, schmerzfrei zu fahren und diese Saison verletzungsfrei zu bleiben. Im Verlauf der Saison setzt sich Kohler das Ziel, an die Leistungen aus dem vergangenen Jahr anzuknüpfen.
Marco Kohler freut sich sehr auf den Saisonstart. Es ist nun einige Monate her, seit er das letzte Rennen gefahren ist. «Ich habe es vermisst, das Kribbeln in mir zu spüren, wenn ich am Start stehe», erklärt er. Es gebe viele schöne Rennen im Kalender.
Stand heute würde sich Marco Kohler zutrauen, auch in Wengen an den Start zu gehen. «Mental bin ich bereit. Ich habe auch auf dem Ski das Vertrauen wieder sehr schnell gefunden», sagt der Berner Oberländer. Bis zum Start in die neue Weltcup-Saison brauche er noch einige Kilometer, um in den Rennrhythmus zu kommen.
Marco Kohler und der gleichaltrige Marco Odermatt sind gute Freunde und ehemalige Zimmergenossen an der Sportmittelschule. Die beiden sind regelmässig in Kontakt. «Wir wissen beide, dass wir viel um die Ohren haben», sagt Kohler. Wenn die Zeit es zulässt, treffen sich die beiden Marcos hin und wieder. Die alten Freunde haben aber weniger Zeit als noch vor einigen Jahren. Das Skifahren ist bei ihnen das Haupt-Thema. Es gibt aber auch viel anderen Gesprächsstoff.
Auch die anderen Athleten von Swiss-Ski unterstützten Kohler während der schwierigen Phase nach dem Sturz. «Es kamen auch während die Saison 2023/24 noch lief, regelmässig Nachrichten oder Anrufe von den Teamkameraden», sagt Kohler. Er verspürte jederzeit grosse Unterstützung vom Team sowie von den Trainern. «Wenn man Erfolg hat, schreiben immer alle. Es ist schön zu sehen, dass sich die Menschen auch melden, wenn es einem nicht gut geht. Das hat mir Kraft und mehr Motivation für die ganze Reha gegeben».