Lieber Bruno
Für Sie habe ich die letzten 3 Tage meine Arbeit niedergelegt und bin an viel befahrenen Strassen rumgelungert, um zu beobachten. Und ich muss Ihnen sagen, Sie haben recht. Es ist genau so, wie Sie es beschreiben.
Aber das wissen Sie ja schon selber, das hilft Ihnen jetzt auch nicht viel weiter. Ich habe darum eine kleine Umfrage gestartet, um herauszufinden, was die wahren Gründe sind. Diese Umfrage ist zwar höchst repräsentativ, hat aber dennoch einen kleinen Haken; sie bezieht sich nicht zu 100% auf Ihren persönlichen Fall. Dafür hätten Sie die 3 Tage im Auto sitzen und den besagten Fussgängerstreifen überfahren müssen und das wäre dann doch vielleicht etwas gar aufwendig geworden. Es reicht schliesslich, wenn eine Person ihre Arbeit vernachlässigt, da müssen wir jetzt halt mit den gemischten vorliegenden Daten auskommen.
Für meine Analyse habe ich ein Auswertungsblatt erstellt, welche die subjektive Attraktivität des Autofahrers bewertet (gar nicht attraktiv bis saumässig attraktiv) und dann das Verhalten der Frau bewertet, welche die Strasse überkehrt. Das klingt kompliziert und das war es auch! Schliesslich ist der Verkehr in Zürich eh schon recht dicht und dann jeweils die Korrelation von weiblicher Fussgängerin und männlichem Autofahrer und dann noch die Schönheit bewerten und gleichzeitig das Zucken der Mundwinkel der Dame und schauen, dass man dabei nicht selber überfahren wird. Ein Saustress, das dürfen Sie mir glauben. Aber das war es mir wert.
Aber nun hier das Resultat: 39% der Frauen danken, wenn sie den Vortritt gewährt bekommen. 16 % mit einem Handzeichen, 12,3 % mit einem sanften Blick, 6,7 % mit einem Lächeln und sagenhafte 4 % mit allem zusammen.
Die restlichen 61% lächeln tatsächlich nicht. Und danken auch nicht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. 21,7% sind der Meinung, dass man für ein Recht, welches einem zusteht, nicht zu danken oder lächeln hat. 18,6 % sind an diesem Tag extrem schlecht gelaunt und würden sich lieber überfahren lassen, als irgendjemanden anzulächeln. 8,1 % waren brutal im Stress und in Sorge, dass die Krippe bereits zu hat und das Kind zur Adoption freigegeben sein wird, wenn man dann endlich mal vor Ort sind, 6,4 % waren gedanklich dabei, dem Mann zu gestehen, dass man seit 4 Monaten eine Affäre hat, welche seit 3,5 Wochen die Dimension einer ernsthaften Liebschaft annimmt und man darum demnächst auszuziehen gedenkt, 4,3 % waren gedanklich dabei, zu verarbeiten, dass der Mann seit seit 4 Monaten eine Affäre hat, welche seit 3,5 Wochen die Dimension einer ernsthaften Liebschaft annimmt und darum demnächst auszuziehen gedenkt und die restlichen 1,9 % lächeln aus Prinzip keine Männer an.
Sie sehen, der Gründe, nicht zu lächeln, sind vielfältig. Ich war selber höchst überrascht, hatte ich doch den Verdacht, dass es viel mehr Frauen gibt, die aus Prinzip nicht lächeln. Aber es waren dann eigentlich verschwindend wenige und viel mehr, die gedanklich einfach mit anderem beschäftigt waren und darob das Lächeln vermutlich schlichtweg vergassen.
Dennoch möchte ich meine Antwort mit einer Aufforderung schliessen. Diese Welt wäre eine so viel bessere, wenn wir einfach mal aus Prinzip lächeln würden und uns erst dann überlegen, warum eigentlich. Ein Lächeln ist vom kalorienmässigen Aufwand ein sehr überschaubarer Akt und kann dennoch so viel bewirken. Mich hat ein Lächeln zum richtigen Zeitpunkt schon aus so mancher Krise gehievt und es spielte dabei kaum eine Rolle, ob es von einem zahnlosen alten Mann, einem Kind oder jungen Frau kam. Ein Lächeln ist das grösste Geschenk, dass man einem unbekannten Menschen schenken kann. Und das Kostbarste überhaupt. Das wusste schon mein lieber Freund Udo Jürgens selig wenn er sang: «Nur ein Lächeln bringt uns einander nah».
Ganz herzlich, Ihre lächelnde und winkende Kafi.
Ich finde generell, wir SchweizerInnen könnten etwas öfter lächeln:-) Die griesgrämigen (schreibt man so?:) Gesichter im ÖV sind schon etwas deprimierend...