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Buddha mag ein beeindruckender, weiser Mann gewesen sein. Aber muss er deshalb wirklich in jedem Tempel gefühlte tausend Mal abgebildet sein? Gross und klein, gemalt und gehauen, aus Holz, aus Gold – immer und immer und immer wieder?
Ich gebe es zu: Nach vier Monaten Südostasien leide ich an einer Überdosis buddhistischer Tempel. «Aha, jetzt ist er reisemüde, Zeit heimzukehren!», werden einige sagen. Ich sehe das anders: Nur weil es mittlerweile mehr braucht, bis mich ein buddhistischer Tempel aus den Socken haut, heisst das nicht, dass ich meine Begeisterungsfähigkeit verloren habe.
Das Spannendste am Reisen waren für mich nie Objekte, sondern Menschen und Begegnungen. Und davon habe ich noch lange nicht genug, denn sie sind im Gegensatz zu Tempeln immer einzigartig!
Diese Woche hat mich für einmal nicht ein Einheimischer am meisten beeindruckt, sondern der Franzose Joshua. Über das ganze Gesicht strahlend fährt er mit seinem Fahrrad auf mich zu, als ich im Norden Thailands am Strassenrand stehe. «Kann ich mich dir anschliessen?», will er wissen, noch bevor er richtig angehalten hat. Er fragt das mit einer so natürlichen Gelassenheit, dass es nicht aufdringlich wirkt.
Sein Fahrrad hindert Joshua nicht daran, zu stöppeln. Im Gegenteil, er benutzt es, um einen geeigneten Autostopp-Platz zu finden. «Dann lade ich es aufs Auto. Hier in Thailand mit den vielen Pick-ups ist das kein Problem.» Tatsächlich: Es dauert keine zwei Minuten, und wir sitzen auf einer Ladefläche.
Schliesslich bin ich es, der sich ihm anschliesst. Denn Joshua ist auf der Suche nach einem Vulkan, den er auf seiner Karte eingezeichnet hat – und auch sonst versprüht er Abenteuerlust.
Der 27-Jährige ist seit 16 Monaten unterwegs. Das sieht man ihm an: Seine Haare wuchern genauso wild wie sein Bart, sein T-Shirt hat schon ein paar Waschgänge zu viel hinter sich, die Schuhe fallen nur dank zwei Sicherheitsnadeln nicht auseinander. Das Fahrrad hat er erst vor ein paar Wochen gekauft. Ganz offensichtlich eine spontane Aktion. Sein Rucksack liegt einfach quer auf dem Gepäckträger, für die Aerodynamik alles andere als optimal.
Auch die Plüschtiere, die er auf der Strasse gefunden und als Glücksbringer ans Lenkrad gebunden hat, bieten dem Wind zusätzliche Angriffsfläche. Doch Joshua geht es nicht darum, möglichst schnell vorwärts zu kommen. Er lässt sich treiben wie kaum ein anderer Reisender, dem ich bisher begegnet bin.
Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal hilft er spontan beim Wiederaufbau. In Korea – oder war es Japan? – lebt er über einen Monat in einem buddhistischen Kloster. In der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi kauft er ein altes Motorrad – und stösst es dann in Laos wieder ab.
Joshua nimmt, was ihm das Leben in den Schoss wirft. Vor ein paar Tagen hat er eine Schlange ausgenommen und gebraten, die einem Auto zum Opfer gefallen war. In der Regel begnügt er sich mit einer Schüssel Reis, die er über dem selbstgemachten Feuer zubereitet. Geschlafen wird meist in der Hängematte, mal an einem Fluss, mal auf dem Gelände eines Klosters. «Oft bieten mir die Mönche auch Essen und ein Bett an», schwärmt er.
In den 16 Monaten auf Reisen hat er bisher 8000 bis 9000 Franken ausgegeben, also weniger als 20 Franken pro Tag. Viel Geld hat er vor seiner Reise nicht sparen können. Er arbeitete in der französischen Lebensmittelindustrie und kam nicht über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn hinaus. Ausbezahlt waren das rund 1200 Euro.
Ohne seinen bescheidenen Lebensstil wäre er wohl schon lange wieder zu Hause. Doch er empfindet das einfache Dasein nicht als Einschränkung sondern als Privileg und Türöffner.
Am Fusse des Vulkans, der schon lange keiner mehr zu sein scheint, hat es ebenfalls ein Kloster. Eingeladen werden wir zwar nicht, aber wir dürfen die Dusche benutzen und kriegen zahlreiche Nescafé-Dosen geschenkt. Wir schlafen unter einer Überdachung auf dem Hügel. Joshua in seiner Hängematte, ich auf dem Boden.
Am Lagerfeuer erinnert mich Joshua daran, dass ich noch in sein «Dream Book» schreiben müsse. Er bittet Menschen, die er auf seiner Reise trifft, ihm anzuvertrauen, welche Träume sie im Leben haben. Das sagt viel über ihn aus. Er ist an anderen interessiert und nicht nur darauf aus, von seinen Abenteuern zu erzählen.
Joshua ist also keiner dieser «Hey-schau-mal-wie-toll-ich-bin-Typen», denen ich auf meiner Reise auch schon oft begegnet bin. Trotzdem fühle ich mich neben ihm wie ein Pauschaltourist – weil ich in Restaurants esse, meist in normalen Betten schlafe und gerne bereit bin, für ein Zimmer mit Klimaanlage ein paar Franken mehr zu bezahlen.
Doch in erster Linie ist Joshua eine Inspiration für mich. Er hat mich daran erinnert, dass ich ja ein Zelt dabei habe. Und ich habe mir fest vorgenommen, in den nächsten Tagen auch mal an eine Klostertür zu klopfen, wenn ich alleine unterwegs bin. Nicht um die Buddha-Statuen im Tempel zu besichtigen, sondern um die Mönche kennenzulernen. Das sollen ja oft auch ganz spannende Typen sein.