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Für manche Heiler, Quacksalber und Vertreter der Alternativmedizin sind konventionelle Krebstherapien des Teufels. Sie sehen in Ärzten Mörder, vor allem in Onkologen. Diese würden Krebspatienten mit Chemotherapie oder Bestrahlung umbringen, behaupten sie.
Folglich sind Spitäler für sie Handlanger der Pharmaindustrie, die aus Profitgier Kranke bewusst sterben lassen. Diese Heiler glauben allen Ernstes, dass Tausende Spitäler bewusst tödliche Therapien anwenden. Dass Zehntausende von Ärzten ihren Patienten skrupellos tödlich Mittel spritzen. Und dass Millionen von Patienten sich diesen «Mördern» freiwillig ausliefern.
Kurz: Esoterische oder alternativmedizinische Verblendung frisst Vernunft und Verstand. Denn die Statistiken zeigen klar, dass die Sterberaten dank verbesserter Behandlungsmethoden in den letzten Jahren gesunken sind.
Dass viele Patienten dieser verblendeten Heiler auf erbärmliche Art sterben, kümmert die Scharlatane wenig. Sie klammern sich an ihre Verschwörungstheorien und an die Krebspatienten, die angeblich dank ihrer sanften Methoden gesund geworden sind.
Einer der grössten Scharlatane ist der 81-jährige deutsche Arzt Ryke Geerd Hamer. Als Mediziner wird er von seinen Anhängern als besonders glaubwürdiger Kritiker der Schulmedizin verehrt, weil er angeblich beide Seiten kennt.
Dass seine Patienten oft unter unerträglichen Qualen sterben, verdrängen Hamers Anhänger erfolgreich. Sie schieben die Schuld kurzerhand den Patienten zu, die die Hamer-Therapie vermeintlich nicht richtig angewendet haben.
Hamer nennt seine angeblich bahnbrechende Methode Germanische neue Medizin (GNM). Der sonderbare Name erinnert nicht zufällig an das Dritte Reich, denn der Arzt behauptet, die schulmedizinische Krebstherapie sei Massenmord und habe mehr Menschenleben gekostet als der Zweite Weltkrieg.
Der Chemo-Holocaust sei von jüdischer Seite ausgeheckt und auch vom Papst instrumentalisiert worden, ergänzen Hamers Anhänger. Auch in der Schweiz hat die Germanische neue Medizin Ableger, auch bei uns sind Hamer-Therapeuten aktiv.
Einen aktuellen dramatischen Fall schildert die deutsche Sektenberatungsstelle von Nordrhein-Westfalen «sektenInfo». Sie hat die Informationen von der Tochter des Krebspatienten Hans-Ullrich Leupold bekommen.
Leupold entdeckte 2008 einen winzigen Knoten am Hals. Dieser wurde operativ entfernt, die Bestrahlung vorbereitet. In dieser Zeit traf Leupold einen Bekannten, mit dem er im Militär das Zimmer geteilt hatte. Dieser gab ihm seine Visitenkarte.
Auf der Rückseite las Leupold: «Danke dir, Geerd Hamer». Leupold stutzte und fragte nach. Seine Frau sei unheilbar an Krebs erkrankt, erzählte ihm sein Militärkamerad. Er habe von Hamer erfahren, worauf sich seine Frau von einem seiner Dozenten habe behandeln lassen. Der Erfolg sei durchschlagend gewesen, seine Frau genesen.
Hamer behauptet mit seiner abenteuerlichen Theorie der NGM, es gebe keine Krebszellen. Die Krankheit habe immer psychische Ursachen. Unbewältigte Konflikte lösten Krebs aus, erklärt Hamer.
Die Irritation war bei Leupold rasch gefunden: Er hatte nach der Trennung von seiner Frau, die ihren Teil des gemeinsamen Hauses forderte, finanzielle Probleme. Wenn er diese gelöst habe, verschwinde der Krebs, sagte der Hamer-Therapeut.
Leupold glaubte seinem Kollegen und brach die Krebstherapie ab. Er besuchte 2009 Hamer, der nach seiner Verurteilung in Deutschland die Zulassung als Arzt verloren hatte und nach Norwegen geflohen war.
Hamer verordnete seine Konflikttherapie, Leupold kehrte beruhigt nach Hause. Vier Jahre lang ging alles gut. Der Patient war überzeugt, dass Hamer mit seiner Diagnose und Therapie ins Schwarze getroffen hatte und glaubte, geheilt zu sein.
Dann bildete sich bei Leuthold am Hals eine 15 cm lange Beule. Das beunruhigte weder den Patienten noch seinen Hamer-Berater. Solche Auffälligkeiten interpretieren die GNM-Therapeuten meist als Ausdruck der Genesung.
Das Geschwulst entstellte den Hals, teilweise auch die linke Gesichtshälfte. 2014 bekam der Patient Schmerzen am Knie, dieses schwoll an. Ein neuer Konflikt, diagnostizierte der Hamer-Anhänger. Als Leupold den Kiefer nicht mehr bewegen konnte, lieferte ihn der Notarzt ins Spital ein.
Sein Hamer-Betreuer besuchte ihn fast täglich und forderte ihn auf, standhaft zu bleiben und medizinische Therapien zu verweigern. Vor allem durfte Leuthold keine Schmerzmittel zu sich nehmen, weil diese den Heilungsprozess beeinträchtigen würden.
Leupold musste künstlich ernährt werden und verlor rasch 20 Kilogramm, wie seine Tochter erzählte. Er litt unter unerträglichen Schmerzen.
Die Ärzte konnten nichts mehr tun und entliessen Leupold nach Hause. Dieser lag von Dezember 2014 bis März 2015 auf dem Sofa und konnte weder sprechen noch essen. Er glaubte weiterhin seinem GNM-Therapeut, der ihm unbeirrt die Genesung versprach.
«Am 12.03 bekam mein Vater zu Hause krampfartige Zuckungen, der ganze Körper war wie bei einem Krampfanfall», berichtet seine Tochter. Daraufhin wurde er ins St.Carolus-Krankenhaus auf die Palliativstation verlegt.
«Mein Vater siechte die letzten Tage seines Lebens qualvoll dahin. Am 20.03.2015 kurz nach 16 Uhr ist er schliesslich im Alter von 66 Jahren eingeschlafen. Er hat unter starken Schmerzen gelitten und sich sehr gequält. Er war bis aufs Skelett abgemagert und sah aus wie ein Mann im Alter von 90 Jahren», schilderte seine Tochter.
Die Hinterbliebenen reichten eine Strafanzeige ein. Die Ermittlungen laufen noch. «Wir hoffen, auf diesem Weg dem verbrecherischen Treiben des GNM-Heilers ein Ende zu setzen», erzählt die Tochter.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde und wegen Verstosses gegen das Heilmittelwerbegesetz. Hamer ist mehrfach zu unbedingten Gefängnisstrafen verurteilt worden.
Hamer ist nicht nur ein Scharlatan, sondern auch ein Antisemit. Der Arzt ohne Zulassung behauptet, Juden würden die Chemotherapie benutzen, um die Menschheit zu dezimieren.
Als angeblichen Beweis führt er in lupenreiner Verschwörungstheorie an, in Israel erhielten Krebspatienten keine Chemotherapie. Die Folge: In der westlichen Welt würden 98 Prozent der Krebspatienten sterben, in Israel nur 2 Prozent.
Hamer wörtlich: «Die Israeli möchten nicht, dass der Rest der Welt überlebt. In den letzten 29 Jahren sind 2 Milliarden Menschen durch Chemotherapie umgebracht worden.»
Die Täter sind nach seiner Leseart jüdische Onkologen. Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelte gegen Hamer wegen Volksverhetzung.
Die Todesliste der Krebspatienten, die sich Hamer und seiner GNM anvertrauten, wird immer länger. Unter ihnen finden sich auch Schweizer.
Die bekannteste Hamer-Patientin ist das österreichische Mädchen Olivia, das vor über 20 Jahren wegen eines riesigen Nierentumors zwangsbehandelt worden war. Obwohl sie von der Schulmedizin gerettet wurde, missionieren ihre Eltern weiterhin für die Germanische Neue Medizin, auch in der Schweiz.