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Du willst nur das Beste? Voilà:
Prince ist tot, lang lebe Prince selig.
Es ist eine regelrechte Schande, was dieses Jahr schon alles an Talent von der Erde verschwunden ist.
Berührend waren sie, die Hommagen an den kleinen Musikgiganten. Samstagnacht stellte einer meiner Nachbarn Boxen auf seinen Balkon und liess gegen ein Uhr morgens, wenn’s auf der Langstrasse so richtig losgeht, «Purple Rain» in maximaler Lautstärke laufen. Und die Leute blieben stehen und sangen mit. Es war rührend.
Dasselbe bei Bruce Springsteens Konzert in Brooklyn am Samstag. Auch er spielte «Purple Rain» und die Menge sang im Einklang, dass es einem auch das allerkleinste Härchen aufstellte.
Als ich mir das Video ansah, dachte ich: Wow, das hätte Prince bestimmt wahnsinnig gefreut. Ohne Prince näher zu kennen, natürlich. Aber es hätte ihm sicherlich gut getan, all die Bewunderung und die Liebe, die jetzt für ihn in den Zeitungen steht und aus Lautsprechern dröhnt, noch seiner Lebtage erfahren zu können.
Und so fragte ich mich: Warum machen wir das nicht auch für die Lebenden? Klar, man kann nicht konstante Wellen der Begeisterung über jeden einzelnen Künstler, den es gibt, um die Welt schicken – aber müssen wir erst abkratzen, damit unser Genie, unsere Leistung, unser Werk geschätzt wird? Oder nicht einmal das – geschätzt wird’s ja eigentlich jetzt schon. Vor seinem Tod hatte ich aber über Monate, ja Jahre keine Berichte mehr über Prince und sein musikalisches Genie gelesen – jetzt liest man diese zu tausenden.
Müssen unsere Idole erst tot sein, damit wir unsere Bewunderung auch äussern?
Das Gleiche gilt auch – oder noch viel mehr – für unsere Liebsten. Es lässt sich auf den Alltag und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen herunterbrechen.
Sagen wir oft genug: «Ich liebe dich», «Das hast du gut gemacht», «Ich finde dich grossartig», «Wow, du bist unglaublich gut in dem, was du machst»? Oder sparen wir uns das für die Grabrede auf, die unsere Geliebten dann nicht mehr zu hören bekommen?
Können wir uns den Vorwurf der mangelnden Äusserung von Bewunderung genauso selber machen wie der Presse nach dem Tod eines grossen Musikers?
Im Film «The Fault in our Stars», der sich um die Liebesgeschichte zweier krebskranker Teenager dreht, bekommen beide Protagonisten die Grabrede ihres/r Liebsten noch vor ihrem Tod zu hören.
Es würgt einem fast das Herz ab, dabei
zuzuhören, aber es ist einem auch ein Mahnmal, vielleicht öfter mal einen
Liebesbrief zu schreiben. Oder gar ein Liebesgedicht für den Menschen, den man am allerliebsten hat. Oder eine Lobesmail. Oder ein Tochter-Mutter-SMS oder
eine Freundinnen-iMessage oder ein Kumpel-WhatsApp.
Ihr wisst, was ich meine.
Das Gute im anderen zu sehen, milde zu sein und vergebend. Nicht erst, wenn uns dessen Tod dazu zwingt. Das tut nicht nur unserem Gegenüber gut, sondern auch uns.
Man kann nicht immer an alle und alles denken, das ist mir klar. Wir haben ja Berufe und Hobbys und Stau und Dichtestress und so weiter. Dies soll einfach ein Gedankenanstoss sein: Genauso, wie man Geld nicht mit ins Grab nehmen kann, kann man Liebe und Vertrauen und Bewunderung nicht nachträglich dahin schicken.
Sag morgens mir ein gutes Wort
bevor du gehst vom Hause fort.
Es kann so viel am Tag gescheh'n,
wer weiß, ob wir uns wiedersehn.
Sag lieb ein Wort zur guten Nacht,
wer weiß, ob man noch früh erwacht.
Das Leben ist so schnell vorbei,
und dann ist es nicht einerlei,
was du zuletzt zu mir gesagt,
was du zuletzt mich hast gefragt.
Drum laß ein gutes Wort das letzte sein,
bedenk, das letzte könnt's für immer sein!
Hab ich mir dann auch immer zu Herzen genommen und geh nie im Streit aus dem Haus.