Ein Ressortleiter des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) soll mit Mitarbeitern einer Informatikfirma im grossen Stil korrupte Geschäfte getätigt haben. Dies enthüllte der «Tages-Anzeiger» am Donnerstag. Demnach erhielt die Firma Aufträge zu überhöhten Preisen, wofür sie sich beim Ressortleiter mit «Geschenken» revanchierte. Das Seco stellte den Mitarbeiter frei und reichte Strafanzeige ein.
Die Höhe des Schadens steht noch nicht fest. Er dürfte mehrere Millionen Franken betragen. Der neuste Skandal überrascht wenig. In den letzten Jahren kam es bei IT-Projekten des Bundes immer wieder zu massiven Kostenüberschreitungen und Unregelmässigkeiten. Sie kosteten die Steuerzahler rund eine Milliarde Franken. Als Ursachen gelten fehlendes Fachwissen und mangelnde Kontrolle.
Das Verteidigungsdepartement VBS investierte rund 700 Millionen Franken in das Führungsinformationssystem (FIS) des Heeres. Am Ende stellte sich heraus, dass es in der Praxis mit der Datenflut überfordert ist und deswegen nur sehr eingeschränkt verwendet werden kann.
Ein weit grösseres Armee-Informatikprojekt ist Network Enabled Operations (NEO). Es dient der vernetzten Operationsführung. Bis 2021 sind Investitionen von neun Milliarden Franken vorgesehen. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) warnte in einem letztes Jahr von der «SonntagsZeitung» veröffentlichten Bericht, dass das Projekt bis zum Endausbau 2015 gegen 15 Milliarden kosten könnte. «NEO beinhaltet hohe Risiken», schrieb die EFK.
Das Informatikprojekt der Eidgenössischen Steuerverwaltung wurde im September 2012 nach zahlreichen Pannen und Unregelmässigkeiten von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf gestoppt. Mehr als 100 Millionen Franken wurden in den Sand gesetzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf ungetreue Amtsführung.
Im Bundesamt für Strassen (Astra) sorgte das IT-Projekt zur zentralen Verwaltung aller Strassendaten (Mistra) für rote Köpfe. Die Kosten belaufen sich statt auf die budgetierten 45 Millionen auf mehr als 100 Millionen Franken. Die EFK machte neben einer nicht vorgesehenen Ausweitung des Projekts mangelnde Kontrolle und intransparente Vergabe für das Debakel verantwortlich.
Mit dem neuen Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) ist ein weiteres Astra-Projekt deutlich teurer geworden. Ende 2012 gab das Astra bekannt, dass sich die Kosten nicht wie geplant auf acht Millionen, sondern auf 32,6 Millionen Franken belaufen.
Die Unregelmässigkeiten um die Datenbank des Bundesamts für Umwelt (Bafu) erinnern an den aktuellen Seco-Skandal. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Informatikchef des Bafu. Er soll bei zwei Firmen Programme bestellt haben, für die es keinen Bedarf gab. Das Projekt wurde vor einem Jahr gestoppt, mehr als sechs Millionen Franken müssen abgeschrieben werden.
Die Bundesanwaltschaft kaufte 2010 für 18 Millionen Franken ein Abhörsystem für die Überwachung von Internet und Telekommunikation. Doch der Hersteller brachte das ISS (Interception System Schweiz) nie zum Funktionieren. Im letzten Herbst brach der Bundesrat die Übung ab. Ende 2013 bestellte er bei der Firma Verint eine Neuversion des Vorgängersystems LIS. Das Unternehmen hat laut Medienberichten Kontakt zur NSA und zum israelischen Geheimdienst.
Der Bund hatte grosse Pläne. Auf der Website ch.ch wollte er einen virtuellen Amtsschalter einrichten, unter Beteiligung der Kantone. Der Start war auf Ende 2001 vorgesehen, doch die Integration der verschiedenen Systeme erwies sich als unmöglich. 2005 wurde das Projekt nach Investitionen von 18 Millionen Franken gestoppt. Heute ist ch.ch eine reine Informationsplattform.
Auslandschweizer sollen bei den Eidgenössischen Wahlen 2015 über das Internet abstimmen können. So lautet das Ziel des Bundesrats. Im Sommer 2013 jedoch enthüllte ein Hacker eine Sicherheitslücke im Genfer E-Voting-System. Uri und Obwalden stiegen danach aus dem Projekt aus. Vier junge Nationalräte aus verschiedenen Parteien fordern einen Übungsabbruch, bis sichere Programme existieren.
Die Probleme mit Informatikprojekten betreffen nicht nur den Bund. Vor einem Jahr stoppte der Kanton Zug die Einführung einer neuen Software für die Einwohnerkontrolle. Das Projekt hatte bis zu jenem Zeitpunkt 2,8 Millionen Franken gekostet. Experten bezweifeln zudem, dass es in der Privatwirtschaft zu weniger IT-Debakeln kommt als beim Staat. Doch aus Imagegründen werden diese kaum je kommuniziert.