Keine Sorge! Die jungen Leute beugen sich nicht vornüber, weil ihnen schlecht ist. Sie küssen einen Neuwagen.
Ja, richtig gelesen. Es geht um einen Marathon-Kuss-Wettbewerb, den ein US-Radiosender auf seiner Facebook-Seite live überträgt. Wer am längsten durchhält, gewinnt ein Auto.
Falls sich nach 50 Stunden immer noch mehrere Lippenpaare auf das Blech pressen, wird gelost. Eine brutale Entscheidung.
Aber das ist nicht der springende Punkt. Denn:
Sicher ist: Mit den Live-Übertragungen auf Smartphones und Computer haben wir eine neue Stufe erreicht.
Jeder und jede kann zum «Sender» werden – und findet beim weltgrössten «sozialen» Netzwerk ein Publikum.
Das dachte sich wohl auch der psychopathische Mörder, der seine blutigen Taten bei Facebook ankündigte und übertrug.
Ein hochgeladenes Video zeigte, wie ein 74-jähriger Mann aus nächster Nähe erschossen wird – der mutmassliche Täter wählte sein Opfer offensichtlich rein zufällig aus.
Erst zwei Stunden später löschte Facebook das Video und sperrte das Facebook-Profil des mutmasslichen Täters, der sich nach längerer Flucht vor der Polizei selbst richtete.
Mit Facebook Live wurden bereits Gruppen-Vergewaltigungen übertragen, und nun gab's das erste «Werk» eines Amokläufers. Stellt sich die Frage, wann Terroristen auf die Idee kommen, ihre Gräueltaten live in die Welt zu streamen...
Abschalten kommt offenbar für den US-Konzern nicht infrage. Darauf zu verzichten würde letztlich viel Geld kosten. Stattdessen setzt man auf Ankündigungen.
Den Facebook-Nutzern müsse es in Zukunft möglich sein, «so einfach und schnell wie möglich» Beiträge zu melden, versprach ein Manager des Social-Media-Konzerns.
Der oberste Chef Mark Zuckerberg äusserte sich zunächst nicht, dann kündigte er in salbungsvollen Worten an, dass noch viel Arbeit zu erledigen sei und: «Wir tun bei Facebook alles, was wir können, um Tragödien wie diese zu verhindern.»
Facebook stellt zwar schlaue Algorithmen in Aussicht. Doch es wird noch Jahre dauern, bis die auf den Firmen-Servern laufende automatische Filter-Software wirkungsvoll verhindert, dass abscheuliche Inhalte veröffentlicht und verbreitet werden.
Das sind ernüchternde Aussichten und die vom US-Konzern finanzierten Teams, die beanstandete Inhalte begutachten und löschen, werden weiterhin überfordert sein.
Sprich: Wer anstössige oder gar illegale Inhalte meldet, darf nicht damit rechnen, dass sie bald verschwinden. Vielmehr sind sie kurz darauf auch beim anderen grossen Sorgenkind zu finden, bei der Google-Tochter YouTube.
Damit sind wir wieder bei der Verbreitung von Fake-News, die eine Plage sind und von demokratischen Staaten nicht hingenommen werden sollten: Vielmehr müssten Facebook und Google mit ihren Plattformen endlich wie andere Medienunternehmen behandelt werden und für Inhalte haften. Damit Geld verdienen dürfen die Unternehmen ja auch.