«In einer Hinsicht ist Putin noch gefährlicher als Hitler: Er hat seinen Finger am Abzug von Atombomben»
In den 90er Jahren war Bill Browder mit seinem Investmentfonds Hermitage Capital Management der grösste ausländische Anleger in Russland. Er verdiente dabei ein Milliarden-Vermögen. Dann begann er, sich zuerst mit den korrupten Oligarchen, dann mit Wladimir Putin persönlich anzulegen.
2005 wurde ihm deswegen die Einreise nach Russland verweigert. 2008 deckte Browders Freund und Anwalt Sergei Magnitsky einen Betrug auf, bei dem sich russische Regierungsbeamte um 230 Millionen Dollar zulasten der Steuerzahler bereicherten. Magnitsky wurde verhaftet und im Gefängnis grausam zu Tode gefoltert.
Dieser Vorfall machte aus dem Investmentbanker Bill Browder den Menschenrechtsaktivisten. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um Gerechtigkeit für Magnitsky zu erlangen. Das gelang ihm schliesslich auch: 2012 wurde vom US-Kongress und von Präsident Barack Obama der «Sergei Magnitsky Act» in Kraft gesetzt, der es möglich machte, dass allen in den Fall verwickelten russischen Beamten die Einreise in die USA verwehrt wurde.
Der «Magnitsky Act» bildet heute auch die Grundlage der Sanktionen gegen Russland. Bill Browder bezeichnet sich heute als «Putins Staatsfeind Nr. 1». Wie er das wurde, schildert er in seinem Buch «Red Notice».
Russische Geschichten hätten nie ein Happy End, schreiben Sie in Ihrem Buch. Das sind 
düstere Aussichten für die Krise in der Ukraine.
Bill Browder: Ich bin extrem pessimistisch darüber, wie sich diese Krise weiter entwickeln 
wird. Der Westen versteht nicht, was da vor sich geht und wie Putin sich verhalten wird. 
Was heisst das? Ist selbst Krieg eine Option geworden? 
Der Krieg ist keine Option mehr, in der Ukraine herrscht bereits Krieg. Es geht einzig 
noch darum, wer darin verwickelt ist und wer nicht. Und wichtig dabei ist: Dieser Krieg 
wurde weder vom Westen noch von der Ukraine angezettelt. Es war einzig und allein 
Wladimir Putin. 
Er sei vom Westen provoziert worden, behauptet Putin.
Unsinn. Er hat diesen Krieg angezettelt, weil er Angst vor seinem eigenen Volk 
bekommen hat. Er will damit vor seinem Versagen ablenken – und das grösste Versagen 
ist die gigantische Korruption in Russland, für die Putin persönlich verantwortlich ist. 
Warum ist Putin dann in den Umfragen so beliebt?
Schauen wir uns diese angeblich hohen Zustimmungsraten zu seiner Politik genauer an: 
In Russland wird niemand belohnt, wenn er den Präsidenten kritisiert. Dafür gibt es 
höchstens Bestrafung. Und Russland ist auch ein Land, in dem die Geheimpolizei sich 
sehr genau darüber informiert, wer loyal zum Regime ist und wer nicht. Was sagt daher 
der Durchschnittsbürger, wenn er von einem Fremden am Telefon nach seiner Meinung 
zu Putin gefragt wird? Richtig, er findet ihn gut. 
Diese Meinungsumfragen sollten daher mehr als kritisch betrachtet werden?
Ja, und vergessen Sie nicht: Russland ist ein brutales Land und die wirtschaftlichen 
Zustände sind derzeit düster.  Der Rubel hat rund die Hälfte seines Wertes verloren, die 
Importe haben sich daher massiv verteuert, und die Russen sind sehr stark auf Importe 
angewiesen. Dem durchschnittlichen Russen geht es heute daher schlecht. 
Woher wissen Sie das?
Die Russen stehen nächtelang vor Bankfilialen an, um ihre Rubel in Dollars zu wechseln. 
Das ist viel aussagekräftiger als die offiziellen Meinungsumfragen. 
Sitzt Putin also gar nicht so fest im Sattel? 
Doch, doch, aber nicht, weil Meinungsumfragen seine Popularität beweisen, sondern weil 
er es versteht, seine Macht mit allen Mitteln zu verteidigen. Die normalen Russen 
müssen sehr vorsichtig abwägen, ob sie wütend auf ihren Präsidenten sein wollen oder 
ihn fürchten müssen. 
Im Westen wird Putin neuerdings regelmässig mit Hitler verglichen. Ist das übertrieben 
oder nicht?
Putin hat bisher keine Menschen in Konzentrationslager gesteckt. Das müssen wir ihm 
zugute halten.  Im Vergleich zu Hitler hat er bisher auch verhältnismässig wenig 
Menschen umgebracht. Aber in einer Hinsicht ist Putin vielleicht noch gefährlicher als 
Hitler: Er hat seinen Finger am Abzug von Atombomben. Und er ist offenbar bereit, von 
dieser Option Gebrauch zu machen. 
Ein bekannter russischer TV-Moderator prahlt gar damit: Wir werden den Westen 
nuklear zerstören.
Sollte Putin in Bedrängnis geraten oder gar in Gefahr, seine Macht zu verlieren, dann 
traue ich ihm zu, dass er auf den ominösen roten Knopf drücken wird. Er ist der Typ 
dazu. Menschen und Gesetze sind ihm völlig gleichgültig. Er will ganz einfach in jeder 
Situation das Maximum für sich herausholen. 
Worauf stützen Sie diese Aussagen?
Putin hat keinerlei Skrupel. 
Zusammen mit dem Geheimdienst hat er in Moskau mehrere 
Wohnhäuser in die Luft gesprengt, die Schuld den Tschetschenen in die Schuhe 
geschoben um damit einen äusserst grausamen Krieg gegen dieses Volk zu rechtfertigen. 
Er hat also den Tod und hunderten von unschuldigen Zivilisten in Kauf genommen, um 
seine Ziele zu verfolgen. Wer so handelt, der ist auch in der Lage, nicht nur hunderte, 
sondern hunderttausende von Menschen kaltblütig zu opfern. 
Ist Putin also gefährlicher als die ehemaligen Kommunisten der Sowjetunion?
In gewisser Hinsicht schon. Er hat die Macht vollständig in seinen Händen konzentriert. 
Und: So schrecklich das Regime der UdSSR auch war, es hat zumindest teilweise im 
nationalen Interesse gehandelt. Putin handelt einzig aus Egoismus und Machtgier. 
Ist er so reich, wie gelegentlich kolportiert wird? Angeblich soll sein Vermögen rund 45 
Milliarden Dollar betragen. 
Er ist viel reicher. Ich würde sein Vermögen auf rund 200 Milliarden Dollar schätzen. 
Putin ist der reichste Mann der Welt.
Eine Zeit lang waren Sie eine Art unfreiwilliger Partner von Putin. Wie kam es dazu? 
Das war am Ende des Jelzin-Regimes, als allgemeines Chaos herrschte. Putin versprach 
damals den Russen, dem Oligarchen-Kapitalismus ein Ende zu bereiten. Alle haben ihm 
das abgenommen, ich auch. Das war die schlimmste Fehleinschätzung meines Lebens. 
Warum hat er Sie zunächst in Ruhe gelassen? Sie haben ebenfalls in kurzer Zeit 
Milliarden verdient? 
Die Oligarchen haben Geld aus den Unternehmen gestohlen, in die ich investiert hatte. 
Ich habe mich dagegen gewehrt und die kriminellen Praktiken der Oligarchen 
aufgedeckt. Putin hatte damals seine eigenen Probleme mit den Oligarchen. So nach der 
Logik: «Der Feind deines Feindes ist mein Freund» wurden wir für kurze Zeit Partner. 
Haben Sie Putin jemals persönlich getroffen? 
Nein, nie. 
Wie wurden Sie zu seinem grössten Feind, wie Sie in Ihrem Buch schreiben? 
Mit der Verhaftung von Michail Chodorkowski versetzte Putin die alten Oligarchen in Panik. 
Sie eilten zu ihm und versprachen, sich ihm zu unterwerfen. Putin sagte okay, aber ich 
will die Hälfte von Euren Vermögen. 
So einfach ging das? 
Vergessen Sie nicht: Die Oligarchen haben keine Machtbasis. Sie kamen aus dem Nichts. 
Sie haben auch heute keine Macht. Putin kann sie jederzeit ins Gefängnis werfen lassen 
und ihre Vermögen beschlagnahmen.
 
Putin ist gefährlich. Was soll der Westen also tun? 
Putin ist kein Staatsmann, er ist ein Mafia-Gangster, der aber im Besitz von allen 
staatlichen Machtmitteln ist, inklusive Atomwaffen. Präsident Barack Obama, Kanzlerin 
Angela Merkel und alle anderen westlichen Staatsmänner glauben immer noch, man 
könne mit ihm diplomatisch verhandeln. Der Einzige, dem Diplomatie völlig egal ist, ist 
Putin.  Solange der Westen an die Illusion der Diplomatie glaubt, unternimmt er stets zu 
wenig zu spät. 
Was wäre die Alternative? 
Es geht darum, die Lage so zu gestalten, dass es für Putin zu teuer wird. Man muss ihn 
mit allen denkbaren Mitteln auf allen möglichen Ebenen bekämpfen. 
Er hat sich ja auch verzockt. Der Abschuss des Verkehrsflugzeuges war ein Fehler, die 
Annexion der Krim kommt ihn sehr teuer zu stehen – und jetzt ist der Ölpreis 
eingebrochen. 
Das reicht noch nicht. Man sollte Russland auch vom internationalen Banken-Clearingsystem Swift ausschliessen – und man sollte der ukrainischen Armee moderne 
Waffen liefern. 
Diese Waffenlieferungen sind äusserst umstritten. Man würde damit nur Öl ins Feuer 
giessen, warnen die Kritiker. 
Was soll man sonst tun? Soll die Schweizer Armee die Grenzen verteidigen? Es gibt nur 
zwei Möglichkeiten: Entweder lässt man die ukrainische Armee mit modernen Waffen 
kämpfen oder man wird es bald selbst tun müssen. 
Reicht es nicht, wenn man Russland mit Sanktionen und einem tiefen Ölpreis 
wirtschaftlich in die Knie zwingt? 
Und wenn Putin weitermacht, beispielsweise Kasachstan ebenfalls wieder annektiert? 
Hoffen und warten ist keine Lösung, wenn es um einen Mann vom Schlage Putins geht. 
Wir haben das Problem, dass wir auf westlicher Seite alles anständige 
Staatsoberhäupter haben, die nicht wissen, wie man  mit einem Strassengang-Leader 
wie Putin zurecht kommt. 
Der Westen setzt auf die Politik der Eingrenzung, wie einst gegen die UdSSR. 
Das wird bisher zu wenig konsequent getan. Wenn wir Glück haben, landen wir in der 
gleichen Situation wie im Kalten Krieg.  Die Alternative ist ein heisser Krieg, in den sehr 
viel mehr Länder verwickelt sein werden. 
In Russland schrumpft die Bevölkerung, ausser ein paar Elitetruppen ist die Ausrüstung 
der Armee veraltet. Wie kann Putin da den Westen herausfordern? 
Er will einfach so viel erobern, wie man ihn lässt. 
Hat er dabei einen Plan? Es gibt auch Stimmen, die sagen, er handle total aus der 
jeweiligen Situation heraus. 
Putin ist kein Stratege. Er hat nur einen banalen Plan: An der Macht zu bleiben. Weil die 
wirtschaftliche Situation erbärmlich ist, braucht er deshalb jetzt Krieg.
Ist er ein Schach- oder ein Pokerspieler? 
Ein Pokerspieler, der mit einem lausigen Blatt alle anderen kaltblütig an die Wand blufft. 
Dabei unterlaufen ihm immer wieder auch Fehler. 
Das Putin-Regime ist bösartig, aber es kann seine Ziele nur schlecht umsetzen. Die Leute 
um Putin herum sind teilweise richtig dumm, und sie kennen nur ein Ziel: Geld. 
Russland hat Sie ausgewiesen, Ihr Freund und Anwalt wurde zu Tode gefoltert. 
Führen Sie nicht einen persönlichen Rachefeldzug? 
Ich würde es nicht Rache sondern Gerechtigkeit nennen. 
Sie haben lange in Moskau gewohnt, sie sind mit einer Russin verheiratet. Sie 
kennen also die Mentalität. Wie lange werden die Russen sich noch mit Putin 
abfinden? 
Putin weiss nicht, ich weiss es nicht. Niemand weiss es. Sicher ist jedoch, dass er sich 
heute in einer viel schwierigeren Lage befindet als vor zwei Jahren. 
Ihr Grossvater war ein führender Kommunist in den USA. Sie wurden zu einem 
führenden Kapitalisten. 
Es war eine Art Teenager-Rebellion. Mir ging es nie ums Geld, mir ging es darum, auf 
einem Gebiet Erfolg zu haben, das in meiner Familie verpönt war. 
Was machen Sie heute? 
Ich verwalte nur noch mein eigenes Vermögen. Daneben setzte ich mich für die 
Menschenrechte ein. Es macht sehr viel mehr Spass, für Gerechtigkeit zu kämpfen als für 
Geld. 
Ihr Buch sei auch eine Art Lebensversicherung, schreiben Sie. Haben Sie immer 
noch Angst, dass Putin Ihnen an den Kragen will? 
Ich habe keine Angst, ich weiss, dass ich bedroht bin. Die Russen wollen mich zerstören, 
entweder indem sie mich umbringen, oder indem sie mich entführen und dann in ein 
russisches Gefängnis werfen.


